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Herr Dürr, jedes Unternehmen möchte zufriedene Kunden haben. Aber warum ist Kundenzufriedenheit eigentlich ein wichtiger Faktor?

Michael Dürr: Dies ist eine sehr berechtigte Frage, schließlich ist Kundenzufriedenheit ja kein Selbstzweck für ein Unternehmen. Wir wissen aus unseren Studien, dass die Erfahrungen mit dem Produkt oder dem Service bis zu 75 Prozent der Markenstärke eines Unternehmens ausmachen können. Positive Kundenerfahrungen, und damit eine hohe Kundenzufriedenheit, beeinflussen also sehr stark die Markenstärke und damit die Wachstumschancen. Deshalb ist es für Unternehmen elementar, die Kundenzufriedenheit zu messen und zu managen.
 

Welche Möglichkeiten gibt es für Banken, um die Kundenzufriedenheit zu steigern?

Dürr: Banken sollten den Charakter ihre Produkte und Dienstleistungen immer aus Kundensicht beleuchten. Nehmen wir einmal die populärste Leistung, das Girokonto. Für die allermeisten Menschen ist das ein Produkt ohne großen emotionalen Wert, wir nennen das „Low-Involvement-Product“. Das bedeutet: Das Girokonto ist aus Kundensicht vor allem ein Weg, um den Zahlungsverkehr abzuwickeln. Als solches muss es immer verfügbar sein, reibungslos funktionieren sowie absolut sicher und zuverlässig sein. Solange diese Kriterien erfüllt sind, sind die Menschen zufrieden und bleiben dem Anbieter in aller Regel treu. Zu einer ausgeprägten emotionalen Bindung, damit die Kunden begeistert sind, braucht es jedoch mehr.


Wie können regional agierende Unternehmen wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken vorgehen, damit dies gelingt?

Dürr: Eine Stärke ist sicherlich die lokale Präsenz vor Ort, beispielsweise durch das Filialnetz. Besonders vorteilhaft ist zudem, wenn eine große Kontinuität bei den Beratern und Servicemitarbeitern herrscht. Denn beim Thema Kundenbegeisterung ist der Faktor Mensch absolut zentral. Durch sie gelingt es, die emotionalen Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen, positive Erinnerungen zu schaffen und dadurch eine enge Bindung herzustellen. Ein Kunde, der beispielsweise einen Kredit erhalten hat, und dabei eine gute Erfahrung gemacht hat, wird später mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederkommen, wenn er in Aktien investieren möchte. Deshalb: Wer seine Kunden begeistern möchte, der muss dafür sorgen, dass sie positive Erfahrungen haben, und sich in allen Lebenslagen gut und kompetent betreut sowie aufgehoben fühlen. Durch die Mitgliedschaft können speziell VR-Banken zudem ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, nach dem Motto: Ich bin Teil von etwas Größerem.

„Jede Kundengruppe hat unterschiedliche Anforderungen. Das sollte beim Kundenmanagement dringend berücksichtigt werden.“

Wie können die Volksbanken und Raiffeisenbanken auf die Erwartungen einzelner Kundengruppen – etwa Privat- und Firmenkunden – bestmöglich eingehen?

Dürr: Jede Kundengruppe hat unterschiedliche Anforderungen. Das sollte beim Kundenmanagement dringend berücksichtigt werden. Was lässt sich also tun? Zum einen gibt es Methoden der Kundensegmentierung, um Kunden nach ihren Bedürfnissen zu bedienen. So gelingt es, sie auf ihren bevorzugten Kanälen anzusprechen oder zielgruppenspezifische Produkte zu entwickeln. Zum anderen sind Kunden natürlich auch Menschen, und Menschen agieren nicht immer rational. Das heißt: Im Kundenmanagement geht es auch darum, individuell auf den Kunden einzugehen. An dieser Stelle setzen sogenannte transaktionale Kundenbefragungen an. Dahinter steht folgende Überlegung: Kunden verlassen die Bankfiliale manchmal mit einem schlechten Gefühl, sie kommunizieren das aber nicht. Wenn Banken ihnen die Möglichkeit geben, schnell und unkompliziert ein Feedback zum Besuch zu geben, können sie ganz konkret auf das schlechte Gefühl beim Kunden eingehen und dieses idealerweise auch direkt beseitigen. Zudem ermöglicht transaktionales Kundenfeedback, strukturelle Optimierungen durchzuführen. Ein reales Beispiel: Viele Kunden einer Bankfiliale haben die Rückmeldung gegeben, dass es im Wartebereich im Vergleich zu den anderen Räumlichkeiten sehr kalt ist. Also hat die Bank den Bereich umgestaltet, damit die Menschen nicht mehr in der Kälte sitzen müssen.
 

Jeder kennt das Bonussystem payback. Wie wichtig sind solche Kundenbindungsinstrumente und welche haben sich bewährt?

Dürr: Hier können Genossenschaftsbanken mit ihrem auf die Mitgliedschaft ausgerichteten Geschäftsmodell punkten. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Kunden mit Genossenschaftsanteilen eine höhere Kundenbindung aufweisen: Ein Drittel der Kunden mit Genossenschaftsanteilen sind stark gebunden, während dies bei Kunden ohne Anteile nur ein Viertel ist. Diese Erkenntnis aus der Kundenbindungsforschung gilt es in der Kommunikation zu nutzen, da dies ein wichtiger Hebel für Kundenbindung ist.

„Die Mitarbeiter sind der Schlüssel für ein positives Kundenerlebnis.“

Sie hatten bereits angesprochen, dass die Bank-Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielen, um die Menschen zu begeistern…

Dürr: Ja, die Mitarbeiter sind der Schlüssel für ein positives Kundenerlebnis. Durch sie können sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben, wenn beispielsweise die Produkte vergleichbar sind. Deshalb sollten Banken nicht nur die funktionalen Anforderungen erfüllen – also zum Beispiel eine qualitativ hochwertige Beratung – sondern auch die emotionalen Bedürfnisse befriedigen.


Welche Rolle spielt das Top-Management?

Dürr: Das Top-Management sollte den skizzierten Weg fördern und fordern. Kundenzentrierung ist nicht die Aufgabe eines Teams, sondern die Verantwortung und Aufgabe aller Mitarbeiter. Daher muss das Top-Management zum einen die Möglichkeiten und Freiheiten schaffen, kundenzentriert zu handeln. Zum anderen sollte es mit gutem Beispiel vorangehen. Es gibt Unternehmen, bei denen sich das Top-Management wöchentlich eine Stunde Zeit nimmt, um direkt mit Kunden zu sprechen. Zudem sollten die Erkenntnisse aus den Kundenbefragungen Grundlage für das Top-Management sein, strategische und organisatorische Entscheidungen zu treffen.

Was sind typische Fehler beim Thema Kundenzufriedenheit?

Dürr: Einen Fehler habe ich bereits genannt: Kundenzufriedenheit als die Aufgabe nur eines Teams zu sehen. Einer unserer Kunden aus der Finanzindustrie bindet gezielt auch Abteilungen ohne direkten Kundenkontakt ein, um ihnen aufzuzeigen, welchen Einfluss ihre Arbeit auf die Kundenzufriedenheit hat und welchen Beitrag sie leisten können. Damit schafft man einerseits Bewusstsein für die Aufgabe und andererseits fördert man das Engagement, sodass jeder Mitarbeiter seinen Teil zur optimierten Kundenzufriedenheit beiträgt. Ein Beispiel: Viele Kunden verstehen Info-Briefe oder Verträge nur schlecht. Also wäre es sinnvoll, entsprechendes Feedback einzuholen und dann mit den verantwortlichen Mitarbeitern darüber sprechen, wie die Schreiben oder Verträge optimiert werden können.


Haben Sie ein weiteres Beispiel?

Dürr: Ein typischer Fehler ist es, Rückmeldungen zur Kundenzufriedenheit einzuholen und es dabei zu belassen. Nach der Messung geht die eigentliche Arbeit aber erst los! Es müssen Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt, anschließend evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. Ein weiterer Fehler sind unklare Zuständigkeiten. Wir erleben oft, dass es zwar eine zentrale Einheit für Kundenzufriedenheit gibt und Kundenzentrierung auch als strategisches Ziel kommuniziert wird. Die Umsetzung der identifizierten Maßnahmen scheitert aber, weil sich dafür niemand verantwortlich fühlt.

„Eine komplexe Kundenreise reibungslos zu gestalten ist nicht trivial, sorgt aber für sehr zufriedene Kunden.“

Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung, um Kunden glücklich zu machen?

Dürr: Dank der digitalen Technologien können Banken ihre Kunden noch individueller betreuen. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, die vielfältigen Zugangswege zu orchestrieren. Schließlich erwarten die Menschen, dass die einzelnen Kanäle ineinandergreifen. Dazu ein Beispiel: Ein Kunde sitzt nachmittags auf dem Sofa und informiert sich bei seiner regionalen VR-Bank über das Thema Bausparen. Da er zwei Fragen hat, möchte er zunächst mit einem Mitarbeiter chatten und anschließend digital einen Beratungstermin in der nächsten Filiale vereinbaren. Im Idealfall muss er sich nicht durch zahlreiche Seiten klicken, sondern kann den Termin möglichst einfach buchen. So eine komplexe Kundenreise reibungslos zu gestalten ist nicht trivial. Sie sorgt aber letztlich für sehr zufriedene Kunden.


Eine Hotelübernachtung, ein Besuch im Restaurant oder selbst der Besuch auf der Flughafen-Toilette: Überall gibt es Feedback-Terminals oder die Bitte per Mail, Feedback zu geben. Wie sinnvoll ist es, aktiv Rückmeldungen der Menschen vor Ort und online einzuholen? Und wie detailliert sollte der Feedback-Bogen sein?

Dürr: Feedbackbögen sollten immer handlungsrelevant sein. Das heißt: Nur Feedback einholen, wenn ich damit auch Veränderungen einleiten kann. Das Feedback-Terminal auf der Flughafen-Toilette hilft dem Betreiber lediglich zu ermitteln, wie viele Prozent der Menschen zufrieden sind. Nehmen wir an, der Wert liegt bei 70 Prozent. Ist das nun gut? Und wie lässt sich der Wert steigern? Ich bin skeptisch, ob sich dadurch konkrete Optimierungen ableiten lassen.
 

Was ist Ihre Empfehlung?

Dürr: Mindestens zwei Fragen stellen: Eine geschlossene Frage – zum Beispiel nach der allgemeinen Zufriedenheit – sowie eine offene Frage, bei dem die Menschen ihre Bewertung erläutern sollen. Dank Analysewerkzeugen auf Basis von Künstlicher Intelligenz lassen sich solche Befragungen mittlerweile schnell und einfach auswerten. Auf diese Weise können Unternehmen identifizieren, wo der Schuh drückt.

Welche Best-Practice-Ratschläge haben Sie für Unternehmen, die ihre Kundenzufriedenheit systematisch erfassen und steigern möchten?

Dürr: Ein Best-Practice-Kundenzufriedenheitsprogramm beinhaltet immer die methodisch durchdachte Erhebung des Feedbacks, die schnelle Ableitung von Handlungsfeldern und in der Folge eine konsequente und kontinuierliche Umsetzung, begleitet von einem Monitoring. Flankiert wird das Programm von regelmäßiger Kommunikation, um die Aufmerksamkeit hochzuhalten. Wir reden bewusst von einem Kundenzufriedenheitsprogramm und nicht von einem Projekt. Schließlich ist Kundenzufriedenheitsmanagement eine Daueraufgabe und eben kein Projekt mit einem Anfang und einem Ende.


Können Sie abschließend die zentralen Erfolgsfaktoren aufzählen, wie Unternehmen ihre Kunden glücklich machen können?

Dürr: Erstens, eine klare Kundenstrategie im Einklang mit der Unternehmensvision aufbauen. Dies führt zu einem Markenversprechen und einem homogenen Bild der Marke an unterschiedlichen Interaktionspunkten. Damit sorgen Unternehmen für eine verlässliche und konsistente Kundenerfahrung, die essenziell für den Unternehmenserfolg ist. Zweitens, ein klares Bekenntnis des Top-Managements zur Kundenzentrierung. Drittens, eindeutige Ziele und Verantwortlichkeiten definieren. Viertens, regelmäßig über die Maßnahmen kommunizieren, sowohl intern als auch extern. Fünftens, auch von positiven Feedbacks lernen sowie positives Feedback honorieren. Last but not least: den Mitarbeitern die Freiheiten geben, in konkreten Situationen kundenzentriert handeln zu können.


Herr Dürr, vielen Dank für das Gespräch!

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