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Im zurückliegenden Bundestagswahlkampf haben sich mehrere Parteien für ein Verbot der abschlussbasierten Finanzberatung stark gemacht. So heißt es beispielsweise im Wahlprogramm der Grünen: „Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen.“ Die Linken schlagen in dieselbe Kerbe: „Wir werden den provisionsbasierten Verkauf von Finanz- und Versicherungsprodukten abschaffen.“ Ähnliche Ansätze finden sich im Wahlprogramm der SPD. Unterstützung bekommen die Parteien aus dem Verbraucherschutz. „Das Provisionsverbot ist ein Erfolgsmodell“, behauptet die Verbraucherzentrale Bundesverband in einem Positionspapier.

Leuchtende Vorbilder für derartige Bestrebungen sind Dänemark, die Niederlande und vor allem Großbritannien. Das Vereinigte Königreich hat 2013 ein Provisionsverbot für die Vermittlung von Altersvorsorgeprodukten und Kapitalanlagen ausgesprochen. Dazu zählen beispielsweise Lebensversicherungen oder Wertpapierfonds. Grundlage dafür bildet die Retail Distribution Review (RDR) sowie die Financial Advice Markt Review (FAMR), welche 2015 in Kraft trat.

Britische Finanzaufsicht: Zugang zur Finanzberatung ist eingeschränkt

Ist das Provisionsverbot tatsächlich ein Erfolgsmodell, wie vielfach behauptet wird? Das hat die britische Finanzmarktaufsichtsbehörde FCA untersucht. Im Evaluierungsbericht zur RDR und FMAR, der im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, kommt sie zu ernüchternden Ergebnissen. So schreibt die Aufsicht, dass sich die Beratung faktisch an wohlhabende Menschen richtet: „Selbst bei Unternehmen mit formal geringen Eintrittshürden gibt es größtenteils Kunden mit hohem Investitionsvolumen.“ Zudem stünden die meisten Angebote generell erst für Menschen zur Verfügung, die mindestens 100.000 Pfund (über 116.000 Euro) mitbringen würden. Wer weniger Geld hat, wird auf Internetplattformen verwiesen.

Eine weitere Erkenntnis der Aufsichtsbehörde ist, dass die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bereit ist, für eine Beratung Geld auszugeben. Und wenn, dann höchstens ein Prozent des Anlagevolumens, aber maximal 250 Pfund (rund 290 Euro). Die Zahlungsbereitschaft stimme nicht mit den Preisen überein, die am Markt aufgerufen werden, heißt es im Bericht. Denn durchschnittlich würden die Anbieter rund 2,4 Prozent des Anlagevolumens als Gebühr berechnen. Bei komplexeren Themen, etwa der Umstellung von leistungsorientierten Altersversorgungszusagen, betrage die Gebühr sogar bis zu 4.500 Pfund (rund 5.250 Euro). Das Resümee der Behörde fällt somit eindeutig aus: „Der Zugang zur Finanzberatung ist für Menschen mit geringem Einkommen eingeschränkt.“

Was die Behörde so nüchtern formuliert, heißt nichts anderes als: Der britische Gesetzgeber hat Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern mit dem Provisionsverbot einen Bärendienst erwiesen. Gerade diejenigen Menschen ohne großes Vermögen, die sich in Zeiten von Niedrigzinsen einen fachkundigen Rat wünschen, müssen darauf verzichten. Sie bleiben sich selbst überlassen und müssen ins Internet ausweichen, wo ihnen kein Lotse zur Seite steht.

Mehrheit ist nicht bereit, einmalig einen hohen Betrag für eine Beratung auszugeben

Auch Expertinnen und Experten haben sich intensiv mit dem Provisionsverbot auf der Insel beschäftigt. Einer von ihnen ist Matthias Beenken, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Dortmund. Sein Fazit: „Aus meiner Sicht ist das britische Provisionsverbot kein Vorbild.“ Die Anbieter im Vereinigten Königreich würden ihre Produkte vor allem auf Menschen mit einem hohen Einkommen oder viel Vermögen zuschneiden und weniger Angebote für die breite Masse bieten. Dies passe nicht zur Situation in Deutschland, wo viele Menschen auf eine gute Beratung angewiesen seien, um beispielsweise ihre Rentenlücke zu schließen.

Der Professor hat im Rahmen von mehreren Studien das Interesse sowie die Zahlungsbereitschaft der Menschen in Deutschland für eine Honorarberatung analysiert. Schließlich gibt es auch hierzulande entsprechende Angebote. Seine Erkenntnis: „Die überwiegende Mehrheit der Kundinnen und Kunden nutzt die sogenannte Honorarberatung nicht und ist ihr gegenüber eher skeptisch eingestellt. Sie sind schlicht nicht bereit, einmalig einen hohen Betrag für eine Beratung auszugeben.“ Er spricht sich deshalb dafür aus, das aktuelle Modell, also ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarmodellen, beizubehalten. „Die Provisionsberatung einzuschränken oder nachteilig zu gestalten, halte ich für den komplett falschen Weg“, betont Beenken.

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