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Herr Ferber, was zeichnet aus Ihrer Sicht einen zielführenden Verbraucherschutz aus?

Markus Ferber: Verbraucherschutzbestimmungen bei Finanzprodukten sind für mich vor allem dazu da, die Kundinnen und Kunden in die Lage zu versetzen, dass sie informierte Anlageentscheidungen treffen können. Das Entscheidende ist dabei, dass der Kunde diejenigen Informationen, die er für eine solche informierte Entscheidung braucht, in sinnvoll aufgearbeiteter Form zur Verfügung gestellt bekommt. Dabei ist sowohl die Qualität der Informationen wichtig als auch die Quantität. Denn wenn man einen Anleger mit Informationen regelrecht überschüttet, hilft ihm das nicht dabei, informiert zu entscheiden.

„Womit ich ein großes Problem habe, ist, wenn Verbraucherschutzvorschriften den Kunden zu sehr in eine bestimmte Richtung drängen.“

Welche Rolle spielt Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft und wo sind seine Grenzen?

Ferber: Grundsätzlich bin ich als Anhänger der Marktwirtschaft davon überzeugt, dass das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage und ein funktionierender Wettbewerb am Ende des Tages zu guten Ergebnissen führen. Nichtsdestoweniger gibt es in der Sozialen Marktwirtschaft natürlich auch einen Platz für Regulierung und für Verbraucherschutz. Ich halte Verbraucherschutzbestimmungen immer dann für wichtig, wenn große Informationsasymmetrien bestehen. Oftmals kann ein Kunde die Charakteristika von Anlageprodukten nur schwer einschätzen oder mögliche Interessenkonflikte nicht erkennen, schlichtweg weil ihm nicht alle Informationen zur Verfügung stehen. Hier hat der Verbraucherschutz natürlich eine Rolle, um gewissermaßen das Spielfeld zu ebnen. Womit ich aber ein großes Problem habe, ist, wenn Verbraucherschutzvorschriften den Kunden zu sehr in eine bestimmte Richtung drängen, zum Beispiel in vermeintlich grüne Anlageprodukte.
 

Die EU-Kommission hat den Auftrag, die Finanzmarktrichtlinie MiFID II umfassend zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Dabei geht es auch darum, Verbraucherschutzvorgaben praxistauglicher umzusetzen. Wie ist der aktuelle Sachstand bei der sogenannten MiFID-Review?

Ferber: Im Moment warten wir noch gespannt auf den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Überarbeitung der Richtlinie. Ich gehe davon aus, dass die Kommission diesen Anfang nächsten Jahres vorlegen wird. Erst dann beginnen die Beratungen im Europäischen Parlament und im Finanzministerrat.
 

Wo müssen die Regeln der MiFID aus Ihrer Sicht angepasst werden, um bürokratische Anforderungen für Banken und Anleger im Wertpapiergeschäft zu erleichtern?

Ferber: Im Moment differenzieren die MiFID-Verbraucherschutzvorschriften meines Erachtens zu wenig zwischen verschiedenen Kundentypen. Wenn ein unerfahrener Privatanleger und ein internationaler Hedgefonds die gleichen Produktinformationen bekommen müssen, stimmt etwas nicht. Hier ist mehr Differenzierung dringend geboten. An einigen Stellen wären zum Beispiel Opt-Outs für erfahrenere Kunden angemessen. In diesem Punkt finde ich das Verbraucherschutzregime in der MiFID in der Praxis zu unflexibel.
 

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat Marktteilnehmer um ihre Meinung zu einem generellen Provisionsverbot für den Vertrieb von Wertpapieren gebeten. Könnte dieses Thema im Zuge der MiFID-Überprüfung wieder auf den Tisch kommen?

Ferber: Das halte ich für durchaus möglich. Wenn es nicht im Kommissionsvorschlag steht, werden sicherlich die Kollegen aus den anderen Fraktionen des Europäischen Parlaments solche Änderungsanträge einbringen. Grünen und Sozialdemokraten ist die Provisionsberatung schon seit Längerem ein Dorn im Auge. Ich fürchte, dass diese Debatte bei der MiFID-Überarbeitung also leider wieder hochkommt.

„Ich habe die große Sorge, dass ein Provisionsverbot den Zugang zu Finanzprodukten für viele Kleinanleger deutlich erschweren würde.“

Welche Folgen hätte ein generelles Provisionsverbot im Wertpapiervertrieb für Sparer und Anleger?

Ferber: Ich habe die große Sorge, dass ein solcher Schritt den Zugang zu Finanzprodukten für viele Kleinanleger deutlich erschweren würde. Wenn man für den Zugang zu Finanzberatung erst einmal ein hohes Honorar zahlen muss, wird das viele Anleger und Sparer abschrecken – gerade dann, wenn sie nur kleine Beträge anlegen wollen. Im Zweifelsfall werden diese Kunden dann entweder gar nicht vorsorgen oder sich ihre Informationen aus irgendwelchen Internetforen zusammensuchen. Ob das im Sinne einer passgenauen Altersvorsorge und damit letztlich des Verbraucherschutzes ist, wage ich zu bezweifeln.
 

Sie fordern, neben der MiFID-Review gleich auch die PRIIPs-Verordnung zu überarbeiten. Diese regelt, wie Produktinformationsblätter im Wertpapiervertrieb auszusehen haben. Welche Gründe führen Sie für eine Überarbeitung ins Feld und wie ist der Stand der Dinge?

Ferber: Die Produktinformationsblätter der PRIIPs-Verordnung folgen grundsätzlich einer guten Idee: nämlich bei bestimmten Anlageprodukten alle wesentlichen Informationen auf einer Seite zusammenzufassen. Die Idee ist zwar gut gemeint, aber leider nicht gut umgesetzt worden. Zum einen stimmt die Abstimmung mit anderen Verbraucherschutzvorschriften nicht, was für den Kunden verwirrend ist. Zum anderen muss man sich auch den Anwendungsbereich noch einmal genau anschauen. Der ist leider so unklar definiert, dass inzwischen einige Unternehmen ihre Anleihen gar nicht mehr für Privatanleger anbieten, weil sie nicht wissen, ob sie dann ein Produktinformationsblatt nach PRIIPs bereitstellen müssen. Hier muss dringend nachgebessert werden - und zwar so, dass das Ergebnis kohärent mit den MiFID-Regeln ist. Auch bei der PRIIPs-Verordnung warten wir noch einen Kommissionsvorschlag, der ebenfalls in der ersten Jahreshälfte 2022 kommen soll.

„Heutzutage gibt es gerade im Internet einige dubiose Anbieter. Hier sehe ich unter dem Gesichtspunkt Verbraucherschutz die viel größeren Risiken.“

Die EU-Kommission will die Richtlinie über Verbraucherkredite überarbeiten. Die Vorschläge sehen unter anderem vor, bei der Kreditwürdigkeitsprüfung selbst für geringfügige Verbraucherkredite ähnliche Maßstäbe und Dokumentationspflichten anzulegen, wie sie auch für Immobilienkredite gelten. Außerdem will die EU-Kommission bei Verbraucherkrediten Vorgaben zu Obergrenzen für Zinssätze einführen. Halten Sie das im Sinne des Verbraucherschutzes für sachgerecht?

Ferber: Das halte ich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht für sachgerecht. Ich glaube, es wäre viel sinnvoller sicherzustellen, dass die bestehenden Regeln auch von solchen Akteuren eingehalten werden, die man bei der ursprünglichen Ausarbeitung der Richtlinie noch nicht auf dem Schirm hatte. Heutzutage gibt es gerade im Internet einige dubiose Anbieter. Hier sehe ich unter dem Gesichtspunkt Verbraucherschutz die viel größeren Risiken. Man muss diese Anbieter härter rannehmen und sollte nun nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Anforderungen durch die Bank in die Höhe schrauben.


Herr Ferber, herzlichen Dank für das Interview!
 

Zur Person

Der gebürtige Augsburger Markus Ferber (*1965) ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments und dort seit 2013 Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand. Dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) gehört Ferber seit 2009 an, von 2014 bis 2018 war er dessen erster stellvertretender Vorsitzender. Seit 2018 ist er Sprecher der EVP-Fraktion im ECON. Dort werden Vorschläge zur EU-Gesetzgebung in Wirtschafts- und Finanzfragen behandelt, bevor diese im Plenum des EU-Parlaments diskutiert werden. Von daher gehört der Ausschuss zu den wichtigsten Gremien des Parlaments. Als Sprecher der EVP-Fraktion kommt Ferber bei der Verhandlung der EU-Gesetze im ECON eine wichtige Rolle zu.

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