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Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben zum achten Mal ihre Journalistenpreise für herausragende publizistische Arbeiten vergeben. Die drei mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Auszeichnungen gingen an Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann vom Bayerischen Rundfunk, Reporterin Angelika Kleinhenz von der Main-Post sowie die freie Journalistin und „Krautreporterin“ Katharina Mau.

Der Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), Jürgen Gros, gratulierte den Preisträgern bei der Festveranstaltung Ende September im Münchner Literaturhaus und würdigte ihre Leistung: „Die Jury hat treffsicher ausgewählt: Die prämierten Beiträge sind am Puls der Zeit. Emotional, relevant, informativ, faktensicher – so wie ich Medien mag“, sagte Gros vor rund 100 Gästen. Die Bewerber hätten Themen gewählt, die Menschen berühren, und sie frühzeitig aufgegriffen.

Eine unabhängige Experten-Jury hatte die Gewinner-Beiträge aus 60 Bewerbungen ausgewählt. Diese habe „eine Menge Material“ zu sichten gehabt, bevor die Gewinner feststanden, berichtete Gros. „Das ist eine große Leistung“, so der GVB-Präsident. Auch mit der Anzahl der Einreichungen war er sehr zufrieden. „Bei den eingereichten Arbeiten verzeichnen wir das zweitbeste Jahr, seit es die Preise gibt“, sagte Gros im Gespräch mit Moderator Tilmann Schöberl vom Bayerischen Rundfunk.

Die 236 Volksbanken und Raiffeisenbanken vergeben die Journalistenpreise seit dem Jahr 2012 an Journalistinnen und Journalisten aus dem Freistaat. Gut die Hälfte der Arbeiten war für den Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis zum Thema wirtschaftliche Bildung eingereicht worden, für den Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis zum Thema Verbraucherschutz waren es etwas mehr als ein Drittel. Die geringe Beteiligung beim Förderpreis für junge Journalisten stimmte Gros allerdings nachdenklich, obwohl die Qualität der eingereichten Beiträge durchgehend sehr hoch gewesen sei. Der journalistische Nachwuchs müsse trotz Sparzwangs in den Redaktionen weiter reifen können, so Gros. „Wir müssen aufpassen, dass wir hier nichts Wertvolles verlieren.“

Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken
Die Preisträger mit Laudatoren, Jury-Mitgliedern und GVB-Präsident Jürgen Gros (5. v. li.). Fotos: GVB/Barbara Obermaier
Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken Jürgen Gros Präsident Genossenschaftsverband Bayern GVB
60 Arbeiten wurden dieses Jahr für die Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken eingereicht. GVB-Präsident Jürgen Gros lobte die Arbeit der Jury, die „eine Menge Material“ zu sichten gehabt habe.
Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken
Die Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken werden seit 2012 vergeben. Sie sind mit insgesamt 20.000 Euro dotiert.
Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken
Festredner Roland Freund (Mitte), Landesbüroleiter Bayern der Deutschen Presseagentur, im Gespräch mit Journalistenkollegen und Bankvorständen bei der Verleihung der Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Bei Festveranstaltungen für Journalisten wird häufig der allgemeine Zustand des Journalismus angesprochen – so auch im Münchner Literaturhaus. In Zeiten von „Fake News“ sowie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen durch die Digitalisierung stehen die Medienhäuser vor zahlreichen Herausforderungen. Sie müssen den digitalen Wandel meistern, in der Gesellschaft um Vertrauen kämpfen und sich in einer Welt positionieren, in der jeder über das Internet Informationen verbreiten kann – egal ob wahr oder unwahr. Hinzu kommen hausgemachte Skandale wie jener um den Spiegel-Reporter Claas Relotius, dem das Magazin vorwirft, weite Teile seiner Reportagen frei erfunden zu haben. „Ein Krisenmoment für die gesamte Branche, aus dem sie lernen muss“, kommentierte Gros den Fall.

Hoffnung geben die Preisträger, das wurde in den Reden der Laudatoren mehr als deutlich. In Zeiten von „Fake News“ klären sie ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer über Missstände auf, sie liefern Fakten und Argumente und recherchieren intensiv und gründlich auch dort, wo es weh tut. Mit ihren Journalistenpreisen wollen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ein Zeichen für Qualitätsjournalismus setzen – wichtiger denn je, wie im Lauf des Abends im Literaturhaus deutlich wurde.

Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis für Reporterteam des Bayerischen Rundfunks

Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann erhielten den Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis (Preisgeld: 8.000 Euro) für ihre TV-Reportage „Europas dreckige Ernte“. Die beiden Investigativjournalisten berichteten darüber, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge und Migranten in Spanien und Italien als Erntehelfer ausgebeutet werden. Die Jury überzeugte die aufwendige, teils riskante Vor-Ort-Recherche: „Sie verändert das Bewusstsein und macht klar: Den Preis, den wir als Verbraucher nicht zahlen, zahlen dafür andere Menschen. Das ist der verdrängte Skandal hinter dem preiswürdigen TV-Stück“, heißt es in der Beurteilung.

Die Laudatio hielt der stellvertretende Chefredakteur der Main-Post, Ivo Knahn. Er zeigte sich persönlich erschüttert von der Ausbeutung der Erntehelfer in einem kriminellen Umfeld. „Das ist moderne Sklaverei“, sagte Knahn. Die überragende journalistische Umsetzung des Themas entfalte eine enorme Wirkkraft und sei ein „Zeugnis von bestechendem Journalismus“. Inzwischen werde die TV-Reportage auch an Schulen und in Kinos gezeigt. „Dieser Beitrag verändert das Bewusstsein. Wenn Sie ihn gesehen haben, werden Sie nie mehr so einkaufen wie zuvor“, sagte Knahn zu den Gästen der Preisverleihung.

Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis für Main-Post-Redakteurin

Den Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis (Preisgeld: 8.000 Euro) bekam Angelika Kleinhenz von der Main-Post überreicht. Sie hatte darüber berichtet, wie verunreinigtes Trinkwasser im Herbst 2018 die Bevölkerung in Unterfranken verunsicherte. Mehr als 50.000 Menschen hatten dort wochenlang durch Fäkalkeime verunreinigtes Trinkwasser abkochen müssen. Die Jury überzeugten der hohe Verbraucherschutzaspekt der Artikelserie und die Hartnäckigkeit der Redakteurin. Sie habe sich über Monate intensiv mit der Problematik befasst und sich nicht abwiegeln lassen. „Ihr gebührt der diesjährige Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis, denn so viel Fleiß und so ein langer Atem müssen Anerkennung bekommen“, urteilt die Jury.

Susanne Schäfer, Redakteurin des Wirtschaftsmagazins Brand eins und selbst Hermann-Schulze-Delitzsch-Preisträgerin, würdigte die Arbeit von Kleinhenz. Trinkwasser sei ein sensibles Gut, allerdings könne der Verbraucher nicht überprüfen, ob ihm Gefahr aus dem Wasserhahn drohe. Kleinhenz‘ Recherchen hätten nicht nur zur Aufklärung der Bevölkerung beigetragen, sondern schließlich auch dazu geführt, dass der Wasserversorger eine mangelhafte Kommunikation einräumen musste. „Die Artikel lesen sich wie ein Krimi“, sagte Schäfer. Kleinhenz habe gezeigt, wie wichtig unabhängige Journalisten sind, die hartnäckig recherchieren. „Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen das Vertrauen in den Journalismus verloren haben. Sie haben dieses Vertrauen wieder gestärkt“, so die Laudatorin.

Förderpreis für „Krautreporterin“ Katharina Mau

Katharina Mau nahm den Förderpreis für junge Journalisten (Preisgeld: 4.000 Euro) entgegen. Ausgezeichnet wurde die Nachwuchsjournalistin für ihre Webserie „Deine Altersvorsorge“, erschienen auf dem genossenschaftlich organisierten Journalistenportal Krautreporter.de. „Es ist ihr darin gelungen, einer jungen Leserschaft simpel, logisch und einfach in einer schönen Sprache zu erklären, was hinter Renten, Riester, Rürup und Immobilienblasen steckt“, urteilt die Jury. Katharina Mau sei erfrischend und ohne erhobenen Zeigefinger an das sperrige Thema herangegangen.

Heinz-Roger Dohms, Gründer des Branchennewsletters Finanz-Szene.de, übernahm die Laudatio. Die Beiträge hätten ihn gepackt wie eine Netflix-Serie, bekannte er: „Ich habe alles in einem Fluss gelesen. Sobald ein Teil zu Ende war, habe ich mich auf den nächsten gefreut.“ Die Autorin habe sich mit dem komplizierten Thema Altersvorsorge seriös, gründlich und in aller Tiefe auseinandergesetzt. „Die Texte sind im Großen wie im Kleinen originell. Eine wirklich tolle Arbeit“, sagte Dohms. Als Beispiel nannte er die unübliche positive Sichtweise Maus auf ein Thema, das bei vielen Menschen negative Gefühle auslöse. So vergleiche die Autorin die Altersvorsorge mit einer schweißtreibenden Bergtour. In beiden Fällen dürfe man das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Was bei der Bergtour das Gipfelpanorama sei, sei bei der Altersvorsorge die Aussicht auf finanzielle Sicherheit in späteren Jahren. Auch bei seiner eigenen Altersvorsorge sehe er noch Optimierungsbedarf, bekannte Dohms. Noch sei es nicht zu spät, doch die Zeit laufe gegen ihn. „Deshalb hätte ich ihre Beiträge gerne vor 15 Jahren gelesen, als ich noch jung war“, so der Finanzjournalist.

Können wir unseren Augen und Ohren in einer Welt von „Fake News“ überhaupt noch trauen? Und wie können Journalisten mit der Vertrauenskrise umgehen, in der sich ihre Branche befindet? Solche Fragen trieben nicht nur die Laudatoren um, sondern auch Festredner Roland Freund. Der Landesbüroleiter Bayern der Deutschen Presseagentur hob in seiner Festrede die Bedeutung von journalistischer Sorgfalt und Qualitätskontrolle in Zeiten von tausendfachen Verleumdungen und Falschmeldungen im Internet hervor.

Wie perfekt digitale Fälschungen – sogenannte „Deep Fakes“ – inzwischen sein können, machte Freund an zwei Beispielen fest: So berichtete er von einem vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Betrugsfall, bei dem ein Mitarbeiter eines britischen Unternehmens vom Chef der deutschen Muttergesellschaft am Telefon und per E-Mail angewiesen wurde, 220.000 Euro an einen angeblichen ungarischen Lieferanten zu überweisen. Der Mitarbeiter folgte der Anweisung, weil er der Meinung war, am Telefon die Stimme seines Chefs erkannt zu haben. Doch die war gefälscht und das Geld war weg. Die Betrüger hatten dazu eine frei verfügbare Software verwendet, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Stimmen klonen kann – dazu reicht ein kurzer Audioschnipsel, etwa aus einer Sprachnachricht.

Dann ließ Freund auch noch ein Youtube-Video einspielen, in dem der frühere US-Präsident Barack Obama zu Wort kommt – meint man zumindest. Doch die Sätze stammen vom US-Comedian Jordan Peele, der sie Obama mit einer intelligenten Software in den Mund gelegt hat. Im Video deckt er die Fälschung selbst auf und warnt so vor Deep Fakes.

„Was ist noch wahr, wenn alles gefälscht sein kann?“

Roland Freund

Manipulation und Betrugsversuche habe es schon immer gegeben. Das sei für Journalisten nichts Neues, sagte Freund. Neu sei jedoch die Perfektion digitaler Fälschungen. Und: Diese „Deep Fakes“ würden durch den Einsatz enormer Rechenleistungen immer einfacher und billiger. „Das ist so etwas wie die Demokratisierung der Manipulation durch das Internet“, sagte Freund.

Die Folge sei eine Erosion des Vertrauens in Nachrichten. „Was ist noch wahr, wenn alles gefälscht sein kann?“, fragte Freund. Damit müssten auch die Journalisten umzugehen lernen. „Das professionelle Überprüfen von Informationen ist seit jeher journalistisches Grundhandwerk. Aber es wird angesichts nahezu perfekter digitaler Fälschungen durch maschinelles Lernen wichtiger denn je.“ Um Deep Fakes zu entlarven, brauche es forensische Experten. Das mache den Beruf des Journalisten immer technischer. „Alle sind ständig online. Unter diesen Umständen gleicht die Verifikation von Nachrichten einer Operation am offenen Herzen“, sagte Freund. Und: „Deep Fakes haben die Dimension, unsere Gesellschaft noch nachhaltiger zu verändern, als wir das je für möglich gehalten hätten.“

Um der Verbreitung von Fake-Nachrichten entgegenzuwirken, müssten auch die Medien enger zusammenarbeiten. So unterhalte die dpa für ihre Kunden einen eigenen Info-Kanal, in dem sie ausschließlich über mutmaßliche Fake News informiert. Damit soll verhindert werden, dass die Medienhäuser zum Beispiel einer gefälschten Todesnachricht aufsitzen und sie weiterverbreiten. „Medial ist eine lebende Person schnell beerdigt, ihre Auferstehung aber immer noch schwierig“, so Freund.

Durch die Digitalisierung sei die Verbreitung von Nachrichten keine Einbahnstraße mehr, so Freund. Genau da liege jedoch auch die Chance für den Journalismus im Umgang mit Fake-Nachrichten. „Digitalisierung ist Dialogisierung. Auch die Medien müssen ständig im Dialog sein, um Fälschungen auf die Spur zu kommen.“ Das Internet sei nicht nur ein Ort der Falschnachrichten, sondern auch ein Ort der Verifikation, Diskussion und Zusammenarbeit. „Das Wissen der Vielen wird die journalistische Recherche verändern. Dieses Potenzial haben wir noch längst nicht ausgeschöpft“, ist Freund überzeugt. Dafür müsse sich jedoch auch der Journalismus verändern. „Zum Dialog gehören Fragezeichen und keine Ausrufezeichen. Wer die Geschichte vorher kennt, ist ein Prediger und kein Journalist.“

Neue Ausschreibung startet im Januar 2020

Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken vergeben ihre Journalistenpreise seit 2012. In Summe verzeichnete der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) seitdem über 420 Einreichungen. Auch im kommenden Jahr würdigen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken wieder herausragende publizistische Arbeiten aus Print, TV, Hörfunk oder Online-Medien. Die neue Ausschreibung startet im Januar 2020, Bewerbungen werden bis 30. April 2020 möglich sein. Die Preisverleihung findet am 16. Oktober 2020 im Literaturhaus München statt. Details zu den Preisen sind auf der GVB-Webseite nachzulesen.

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