Finanzierung: Im Immobiliengeschäft vollzieht sich ein Wandel. Künftig wird es mehr um Modernisierungen und energetische Renovierungen als um Neubaufinanzierungen gehen.
Herr Horn, wie entwickelt sich die Münchener Hypothekenbank im laufenden Jahr 2025 – insbesondere beim Neugeschäft und den Halbjahreszahlen? Und wie fällt Ihr Ausblick für das zweite Halbjahr aus?

Dr. Holger Horn ist seit 2023 Vorsitzender des Vorstands bei der Münchener Hypothekenbank. Foto: Münchener Hypothekenbank / Tommy Lösch
Holger Horn: Unsere Halbjahreszahlen zeigen: Wir sind trotz anspruchsvoller Rahmenbedingungen klar auf Kurs. Das ist eine gute Nachricht für alle – von unseren Mitgliedern über die Partnerbanken bis hin zu den Investoren. Besonders erfreulich ist, dass wir in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung unser Zusagevolumen gegenüber dem Vorjahr steigern konnten. In der gewerblichen Finanzierung ist das Marktumfeld weiterhin verhalten, doch wir sehen zunehmend Signale einer Stabilisierung. Beim Zinsüberschuss und Betriebsergebnis bewegen wir uns auf dem starken Niveau des Vorjahreszeitraums. Das unterstreicht unsere Resilienz und gibt uns eine stabile Basis für gesundes Wachstum im weiteren Jahresverlauf.
Für das zweite Halbjahr setzen wir zusätzliche Impulse im Privatkundengeschäft: Mit der Erhöhung der Kreditgrenze auf zwei Millionen Euro im Retailsegment, mit prozessualen Weiterentwicklungen, beispielsweise MHB Relax. Hier übernimmt die MHB die Bonitäts- und Objektprüfung für den Berater der Primärbank.
Zudem arbeiten wir an der weiteren Ausweitung unserer digitalen Angebote – allen voran MHB Rapid. Darüber hinaus bieten wir mit der Ausweitung unserer Produktvarianten 67+ für ältere Darlehensnehmer, mit dem MHB Wohnraum für Modernisierer und mit dem MHB Freiraum für Kapitalbeschaffer maßgeschneiderte Lösungen im Vertrieb.

In Bayern greift der positive Trend auch auf das gewerbliche Immobiliengeschäft über, beobachtet Holger Horn von der Münchener Hypothekenbank. Foto: IMAGO / Westend6
Die MHB ist sowohl in der gewerblichen als auch der privaten Immobilienfinanzierung engagiert. Wie bewerten Sie die aktuelle Marktlage in beiden Bereichen, insbesondere in Bayern?
Horn: Im privaten Immobilienmarkt beobachten wir seit Sommer vergangenen Jahres eine spürbare Trendwende: Die Preise stabilisieren sich und zeigen wieder Anstiege – ein Zeichen wachsender Nachfrage. Gleichzeitig ist das Transaktionsvolumen kontinuierlich zurückgekehrt. Dazu kommt: Der Markt konzentriert sich auf den Bestand, während das Neubaugeschäft stagniert – und das hat auch einen entscheidenden Effekt auf die Mietpreise. Das macht den Erwerb von Immobilien zunehmend attraktiver. Diese Dynamik sehen wir nicht nur auf dem Papier, sondern erhalten wir auch als Rückmeldung von unseren Partnerbanken.
„Ob sich die hohe Nachfrage stetig entwickelt, bleibt abzuwarten – aber in der Spitze bietet das Segment Chancen für selektive Entwicklungen.“
In Bayern greift der positive Trend nun auch auf das gewerbliche Immobiliengeschäft über: So belief sich das Volumen des gesamten Immobilienmarkts im ersten Halbjahr 2025 auf rund 26,7 Milliarden Euro – ein Plus von etwa elf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das unterstreicht: Der Markt läuft wieder an und erreicht ein hohes, wenngleich nicht mehr rekordverdächtiges, Niveau. Hier sehen wir uns mit den genannten Produkt- und Prozessentwicklungen gut gerüstet, gemeinsam mit unseren Partnern zusätzliche Marktanteile zu gewinnen. Herausragend sind dabei auch die langen Zinsbindungen von bis zu 40 Jahren.
Im Gewerbeimmobiliensektor differenziert sich das Marktbild insbesondere bei Büroimmobilien. In erstklassigen Lagen steigt die Nachfrage weiterhin, während in weniger gefragten Regionen der Leerstand weiter zunimmt. Ob sich die hohe Nachfrage stetig entwickelt, bleibt abzuwarten – aber in der Spitze bietet das Segment Chancen für selektive Entwicklungen.
Bleiben wir bei den zentralen Trends auf den Immobilienmärkten. Welche stellen Sie fest, insbesondere bei den eben erwähnten Büroimmobilien?
Horn: Im Wohnimmobilienmarkt klafft die Schere zwischen Angebot und Nachfrage zunehmend auseinander: Während der Bedarf an Wohnraum in vielen Regionen unverändert hoch ist, gehen die Baufertigstellungen bis 2027 deutlich zurück. Das rückt Sanierung und Modernisierung in den Mittelpunkt – mehr als die Hälfte des Bestands ist energetisch nicht mehr zeitgemäß.

Eine Immobilie in guter Lage bleibt gefragt. Foto: IMAGO / alimdi
Im Gewerbebereich sehen wir bei den Büroimmobilien eine klare Zweiteilung: Moderne, energieeffiziente Immobilien in guten Lagen bleiben gefragt, während ältere Objekte unter Druck geraten. Für uns als MHB bedeutet das, gemeinsam mit unseren Partnern nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Manchmal heißt das auch, Immobilien völlig neu zu denken. Ein Beispiel ist die Umwandlung eines nicht mehr genutzten Bürogebäudes in eine Schule. Solche Projekte zeigen, wie aus Herausforderungen Chancen werden – für Investoren, für die Städte und vor allem für die Menschen, die die Gebäude nutzen.
„Gerade in volatileren Zeiten zeigt sich, wie wertvoll die Partnerschaft im Verbund ist, denn wir sprechen die gleiche Sprache – und das schon seit Jahrzehnten.“
Die MHB ist in der Immobilienfinanzierung ein wichtiger Partner der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den VR-Banken?
Horn: Gerade in volatileren Zeiten zeigt sich, wie wertvoll die Partnerschaft im Verbund ist, denn wir sprechen die gleiche Sprache – und das schon seit Jahrzehnten. Gleichzeitig sind viele der Genossenschaftsbanken als Mitglieder eng mit uns verbunden. Zusammen sind wir einfach stärker.
Wir blicken seit Jahrzehnten auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zurück – drei von vier bayerischen Instituten vermitteln an uns. Hier setzen wir mit den Banken auf eine enge Betreuung vor Ort in den Regionen und kollegiale Zusammenarbeit, wobei unsere Ansprechpartner die Beratung sinnvoll ergänzen.

Die enge Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken wird von Holger Horn von der Münchener Hypothekenbank sehr geschätzt. Foto: IMAGO / Ardan Fuessmann
Wo sehen Sie noch Potenzial, die Zusammenarbeit mit den VR-Banken in Bayern zu vertiefen?
Horn: In der Prozesstiefe und -geschwindigkeit. Einerseits können wir komplette Kaufpreisfinanzierungen darstellen – gerade bei hochauslaufenden Darlehen ein Plus für unsere Partner – auch zur Vermeidung von arbeitsintensiven, kleinteiligen Nachrangfinanzierungen oder zur Entlastung bei Ressourcenengpässen. Andererseits wollen wir große Digitalisierungsschritte umsetzen, die wir insbesondere auch mit dem Verbund realisieren möchten. Wir bleiben hier innovativ und stellen deshalb gerade die Weichen, damit alle unsere Partner profitieren können. In jedem Fall kann der Verbund auf uns zählen.
„Wir investieren gezielt in digitale Lösungen, die Prozesse vereinfachen und Kundenerlebnisse verbessern.“
Worauf fokussieren Sie sich aktuell, um die MHB im aktuellen Marktumfeld weiterzuentwickeln und zukunftsfest aufzustellen?
Horn: Unser Fokus liegt auf Stabilität im Heute und Gestaltungskraft für das Morgen. Wir setzen dabei auf drei Schwerpunkte: Erstens bauen wir unser nachhaltiges Produktangebot weiter aus und integrieren ESG-Kriterien noch stärker in unsere Steuerung und Kreditvergabe. Zweitens vertiefen wir die Zusammenarbeit im Verbund, um gemeinsam schneller, effizienter und wirkungsstärker zu agieren. Und drittens investieren wir gezielt in digitale Lösungen, die Prozesse vereinfachen und Kundenerlebnisse verbessern – MHB Rapid ist hier erst der Anfang. Unser Ziel: Uns als moderne Immobilienbank zu positionieren, die ökonomische Stärke, ökologische Verantwortung und partnerschaftliches Handeln vereint.
Mit MHB Rapid bietet die Münchener Hypothekenbank seit April eine vollautomatische Bonitätsprüfung in der privaten Immobilienfinanzierung an. Wie lautet Ihre erste Bilanz?
Horn: Unsere Bilanz fällt positiv aus und auch vom Markt kommt sehr positives Feedback. MHB Rapid ist seit Frühjahr in Betrieb und ermöglicht eine automatisierte Bonitätsprüfung direkt am Point of Sale. Das schafft Tempo, Transparenz und verändert die Kundenerfahrung grundlegend. Und genau darauf zielen wir ab. Mit MHB Rapid sind wir die Ersten, die eine so fortgeschrittene Entwicklung aufweisen können. Nun denken wir an Skalierung und Integration: Konkret wollen wir ein Rollout in Zusammenarbeit mit Europace und eine Integration in den Verbund.
Wo sehen Sie weiteres Potenzial, Prozesse der MHB zu digitalisieren? Woran arbeiten Sie?
Horn: Wir denken Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Schlüssel zur Kundenbegeisterung und Zukunftssicherung. Für den Retail-Bereich arbeiten wir neben dem angesprochenen Ausbau von MHB Rapid daher an vielen weiteren Themen, beispielsweise an der Einführung einer Qualifizierten Elektronischen Signatur, die wir im Laufe des kommenden Jahres in unseren Prozessen anbieten wollen. Zudem haben wir in diesem Jahr erstmal eine digitale Wallet-Funktion für iOS und Android für unsere Mitglieder eingeführt, die hervorragend angenommen wird. Es bleibt daher wichtig für uns, an allen relevanten Touchpoints in Kontakt mit unseren Mitgliedern und Darlehensnehmern zu sein.

Moderne Vorstadtarchitektur mit innovativen Nachhaltigkeitsmerkmalen in den Niederlanden. Foto: IMAGO / Zoonar
In Ihrem Nachhaltigkeitsbericht bekennen Sie sich zu den Pariser Klimazielen und schätzen, dass in Deutschland bis 2030 Mehrinvestitionen von 1,4 Billionen Euro zur Transformation der Wirtschaft nötig sein werden. Welche strategischen und praktischen Entscheidungen leiten Sie daraus für Ihre Geschäftspolitik ab?
Horn: Die Transformation zur Klimaneutralität ist ein langfristiger Prozess – als Bank verstehen wir uns dabei als verlässlicher Finanzierungspartner innerhalb des Verbunds. Wir leiten daraus eine klare ESG-Ausrichtung unserer Geschäftspolitik ab. Daher haben wir in allen Geschäftsbereichen nachhaltige Finanzierungsangebote etabliert: Im Privatkundengeschäft beispielsweise durch unser Grünes Darlehen, das Familiendarlehen oder spezielle Programme zur Sanierung und Modernisierung. Auch im gewerblichen Segment bieten wir mit dem MHB Green Loan Gewerbe und dem MHB EnergieEffizienzKredit passende Lösungen an. Zudem orientiert sich unsere Refinanzierung an nachhaltigen Standards als geschätzter Emittent Grüner Pfandbriefe am Kapitalmarkt. Wichtig ist uns dabei ein realistischer, umsetzbarer Weg – gemeinsam mit unseren Investoren.

„Die Transformation des Immobiliensektors braucht Verlässlichkeit, Know-how – und Innovation“, sagt Holger Horn von der Münchener Hypothekenbank. Foto: IMAGO / alimdi
Welchen konkreten Beitrag wollen Sie leisten, um den Immobiliensektor in eine nachhaltige Zukunft zu begleiten?
Horn: Unser Hebel liegt in der Gestaltung nachhaltiger Finanzierungslösungen. Im gewerblichen Bereich haben wir mit dem erwähnten MHB Green Loan Gewerbe und MHB EnergieEffizienzKredit gezielt Produkte geschaffen, die nachhaltige Neubauten und die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien fördern. Grundlage sind anerkannte Zertifizierungen oder die Einordnung in die effizientesten 15 Prozent des Gebäudebestands, denn für uns gilt: Wirkung statt Etikett. Im Privatkundengeschäft bauen wir unser Angebot ebenfalls mit Produkten wie dem Münchener Freiraum oder dem geplanten Wohnraumkredit für umfassende Modernisierungen aus. Ergänzt wird das durch unsere – im Verbund nachgefragten – nachhaltigen Darlehen. Zudem führen wir derzeit ein ESG- und CO₂-basiertes Pricing ein, das Klimarisiken stärker in die Kreditvergabe einbezieht.
Die Transformation des Immobiliensektors braucht Verlässlichkeit, Know-how – und Innovation. Dafür stehen wir.
Herr Horn, vielen Dank für das Interview!