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„Unsere Vorgänger haben uns ein stolzes Erbe hinterlassen: Wald- und Wiesenflächen“, erzählt Dominic Lauter, Vorstand bei der Raiffeisenbank Steingaden. Dort, auf einer zehn Hektar großen Fläche, betreibt die Raiffeisenbank seit Juni 2025 eine Agri-Photovoltaikanlage. Die Bank selbst ist Eigentümerin der Anlage und produziert dort jährlich rund zehn Millionen Kilowattstunden sauberen Strom. Die Direktvermarktung des erzeugten Stroms haben die Elektrizitätswerke Reutte übernommen.

Seit Jahrzehnten hat die Raiffeisenbank Steingaden eigene Wald- und Wiesenflächen, dazu gehören etwa 70 Hektar Wiese und 40 Hektar Wald. „Auf den Wiesen, die das Ökozertifikat von Bioland besitzen und die Teil des Vertragsnaturschutzprogramms (VNP) des Freistaats Bayern sind, weiden seit sehr langer Zeit sogenannte Pensionstiere, Pferde und Rinder“, berichtet Vorstand Lauter. Die Tiere kommen meist in der zweiten Mai-Woche und werden Mitte Oktober von den Bauern aus der Region wieder abgeholt.

Überdies hätten sie zwei Hirten angestellt, die sich um die Tiere kümmern. Einige der Pferde stammen aus Tirol; da es dort zu viele Wiesen mit Steigungen gibt, sei es für die Hüften der Pferde besser, auf flacheren Wiesen wie in der Hirschau in Oberbayern den Sommer zu verbringen. „Irgendwann kam dann bei uns der Gedanke auf, dass wir unsere Wiesen noch besser nutzen könnten und uns weiterentwickeln wollen – monetär, öffentlichkeitswirksam und nachhaltig“, blickt Lauter auf die Anfänge zurück. Die Idee, eine Agri-Photovoltaikanlage zu errichten, ohne aber die Pensionstierhaltung aufzugeben, war geboren.

Landwirtschaft und Erneuerbare Energie sollen harmonieren – so der Gedanke hinter dem Projekt, das die beiden Vorstände Dominic Lauter und Thomas Hipp initiierten: Wenn die Module der Agri-PV-Anlage hoch genug wären, könnten die Rinder darunter grasen. Die Module würden den Tieren im Sommer Schatten spenden. Und vor allem: Von dem künftig dort produzierten Strom könnten die Haushalte in der Region versorgt werden.

Sauberer Strom für die Region

Erster Schritt war es, den Gemeinderat von Steingaden für die Idee zu begeistern. So lud der Raiffeisenbank-Vorstand die Rätinnen und Räte ein, gemeinsam den für die PV-Anlage vorhergesehenen Bereich zu erkunden. „Hinter der Koppel, wenig einsichtig, liegt dieses wunderschöne Fleckchen Erde“, berichtet Lauter. Eben diese Lage sprach die Mitglieder des Gemeinderats an. Die PV-Anlage wäre zwar von der Straße aus zu sehen. „Aber es wäre bei Weitem nicht so, dass man – wie es häufig der Fall ist – auf einer Autobahn fährt und beim Blick in die Natur nichts Anderes als das Glitzern der Module sieht.“ Vor allem aber überzeugte den Gemeinderat die Aussicht, mit dieser Anlage regenerativen Strom für die Gemeinde Steingaden und darüber hinaus zu produzieren.

Nun ging es los: Es folgten unzählige Abstimmungen mit Behörden, ausführenden Baufirmen und der Projektfirma, fasst der Projektleiter zusammen und erwähnt den großen Vorteil, den sie dabei hatten: „Als Raiffeisenbank sind wir in der Region bekannt. Wir hielten weiter den Kontakt zum Gemeinderat und unserem Bürgermeister Max Bertl und nahmen einen Generalunternehmer ins Boot, der den ganzen Prozess technisch begleitet und sich um die Auswahl der Module und die Einholung der Angebote gekümmert hat.“ Den Zuschlag für das Gesamtprojekt erhielt die Firma Vispiron aus München.

Trotz aller guter Kontakte mussten Genehmigungen eingeholt und Anträge eingereicht werden, wie bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB), die festlegt, wie groß die Ausgleichsfläche sein muss und wie diese ausgestaltet werden sollte. „Ebenso standen auf unserer Liste die Anfrage beim Netzbetreiber und auch die besonders wichtige Reservierung der Netzanschlusspunkte. Und es galt die Satzung zu erarbeiten, um den Flächennutzungsplan zu bekommen“, sagt Lauter und fügt hinzu: „Diese Planungen dauerten etwa ein Jahr.“

Überzeugungsgeschick und viel Herzblut

Entscheidend für den Erfolg des Projekts ist zudem Transparenz und das Einbinden der Menschen vor Ort. „Bei unserem Agri-PV-Projekt gibt es zwar keine Bürgerbeteiligung, da die Anlage zu 100 Prozent der Raiffeisenbank Steingaden gehört. Dennoch informierten wir die Bürgerinnen und Bürger über unser Konzept“, berichtet der Vorstand. Für die Menschen rund um Steingaden zählte das Argument, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. „Unser Projekt überzeugte allein schon deswegen, dass hier kein renditegetriebener anonymer Investor auf gepachteten Flächen gebaut hat. So bekamen wir nie eine negative Rückmeldung, auch nicht als Reaktion auf unsere Bebauungspläne.“

Dabei galt es, an die fünfzig Grundstückseigentümer vom Bau und Betreiben der Agri-PV-Anlage zu überzeugen, da man deren Grundstücke mit der Stromleitung zu den Netzanschlusspunkten querte.  „Mit jedem Einzelnen haben wir Dienstbarkeiten notariell abgeschlossen. Alle Betroffenen luden wir daher zum Austausch ein und stellten ausführlich unser Projekt vor. Darauf folgte ein Abend-Termin mit einem Notar, wo alle Dienstbarkeiten dann unterschrieben wurden.“ Das alles hätte zwar viel Zeit in Anspruch genommen, doch der Aufwand lohnte sich. Hätte ein Einzelner der Grundstücknutzung nicht zugestimmt, dann hätte die gemeindliche Straße aufgerissen werden müssen. „Unser Projekt wäre teurer geworden, die Straße wäre gesperrt gewesen und wir hätten hier vor Ort Probleme verursacht, weil die Menschen eine Zeitlang nicht durchgekommen wären, von mangelnder Nachhaltigkeit mal ganz zu schweigen.“

Ein Garant für den Erfolg eines solchen Projekts sei es daher, die Bürgerinnen und Bürger von vornherein miteinzubinden. „Letztlich zahlt es sich aus, nicht nur Zeit, sondern auch sehr viel Herzblut reinzustecken“, weiß Lauter.

Raiffeisenbank Steingaden

Seit 1895 gibt es die Raiffeisenbank Steingaden. 110 Mitarbeitende und fünf Auszubildende sind in den sieben Geschäftsstellen der erfolgreich tätigen Bank im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau tätig. Die Bank zeichnet sich durch ihr mannigfaltiges Geschäftsmodell mit zwei Lagerhäusern, Viehweide und nun eben Photovoltaik aus. Thomas Hipp und Dominic Lauter bilden den Vorstand der Raiffeisenbank Steingaden.

„Wir sind wohnhaft im Geschäftsgebiet, uns kennen die Menschen. Wir haben Kontakt zu den Anwohnern. Wir sind mit der Marke Raiffeisenbank bei den Menschen vor Ort positiv verbunden. Sie vertrauen uns, denn sie wissen, dass bei uns gemeinschaftlich an einem Strang gezogen wird“, fährt der Vorstand der Genossenschaftsbank fort. Überdies hätten sie bei ihren Informationssitzungen deutlich gespürt, dass es bei den Menschen in der Region positiv ankam, dass es die Raiffeisenbank aus der Region ist, die das Agri-PV-Projekt schultern möchte.

Versorgung von rund 3.200 Haushalten

25 Hektar der Fläche durften bebaut werden, sechs Hektar wurden als Ausgleichsfläche festgelegt. „Aktuell nutzen wir knapp zehn Hektar, Stand jetzt bleibt es auch dabei“, berichtet Lauter. Anfang Juni 2025 wurde die Anlage vom Netzbetreiber an die Übergabestationen angeschlossen und liefert seitdem Strom. „Mit der installierten Leistung von 9,2 Megawatt versorgen wir rund 3.200 Haushalte mit nachhaltig erzeugter Energie“, konnte der Vorstand so in seinem aktuellen Geschäftsbericht verkünden. Für die Direktvermarktung arbeitet die Raiffeisenbank Steingaden mit den Elektrizitätswerken Reutte (EWR) zusammen.

Und wie gewohnt wurden Mitte Mai mit dem Auftrieb die ersten Rinder auf die Projektfläche geführt, die dort nun weiden. Die untersten Module sind auf einer Höhe von mindestens 2,10 Metern aufgeständert. Und derzeit werden die durch den Bau der Anlage in Mitleidenschaft gezogenen Grünflächen wiederhergestellt. „Dafür verwenden wir mit der Naturschutzbehörde abgestimmtes Saatgut.“ Das Besondere an den PV-Modulen, die auf der Freifläche der Raiffeisenbank Steingaden errichtet wurden, ist die Integration von PV-Zellen auf der Unterseite. Wenn die Module im Winter schneebedeckt sind, kann bei reflektierender Sonneneinstrahlung von unten Strom erzeugt werden.

Installation eines Batteriespeichers

Eine Vergrößerung der Freiflächenanlage sei vorerst nicht vorgesehen, da das Netz nicht mehr Strom aufnehmen könne. Der Ausbau der Netze gehe nicht mit dem Tempo des Ausbaus der Erneuerbaren Energien einher: „Es ist jetzt schon ein Riesenthema, dass die Netze überlastet sind und im Sommer Anlagen regelmäßig abgeschaltet werden“, erklärt Lauter. „Der Netzausbau hängt leider massiv zurück, dementsprechend haben wir keine Kapazitäten, mehr Strom zu produzieren und diesen ins Netz einzuspeisen. Der Bau eines eigenen Umspannwerks ist schlichtweg unrentabel.“

In den kommenden Monaten folgt daher die Installation von Batteriespeichern mit einem Speichervolumen von zwölf Megawattstunden. Die Batteriespeicher nehmen dann den Strom aus dem Netz auf, wenn dieser im Überfluss vorhanden ist und geben Strom ab, wenn Stromknappheit herrscht. Eine gute Lösung aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten.

Seit Juni ist es also vollbracht: „Wir mögen die eine oder andere schlaflose Nacht gehabt haben, doch nun sind wir stolz auf das Erreichte und den finalen Erfolg“, freut sich Vorstand Lauter. Der Solarpark ist in Betrieb und die Fläche kann weiter landwirtschaftlich genutzt werden. Dies sei eine gelungene Kombination aus Tradition und Fortschritt, freut sich der Vorstand der Raiffeisenbank Steingaden.

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