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"I'm the king of debt. I’m great with debt. Nobody knows debt better than me!” Das Zitat, in dem Donald Trump behauptet, „König der Schulden“ zu sein, stammt nicht aus dem Jahr 2025. Diese Worte fielen vielmehr in einem CBS-Interview Mitte 2016, also bevor Trump das erste Mal zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Zum Zeitpunkt des Interviews lag die US-Staatsverschuldung bei etwas über 19 Billionen US-Dollar. Den Beweis, ein guter Manager staatlicher Schulden zu sein, hat der Republikaner in seiner ersten Amtszeit dann nicht erbringen können. In den vier Präsidentschaftsjahren stieg die öffentliche Schuldenlast um weitere acht Billionen. Da auch sein Nachfolger (und inzwischen Vorgänger) Joe Biden diesen Kurs fortsetzte, steht die US-Staatsverschuldung mit aktuell über 36 Billionen Dollar um etwa 17 Billionen (knapp 90 Prozent) höher als zu dem Zeitpunkt, an dem Trump sich zum „king of debt“ erklärte.

Bereits Anfang des Jahres sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schuldenpfad der Vereinigten Staaten nicht nachhaltig und in einigen Jahren eine kritische Zuspitzung zu erwarten ist. Nach einem halben Jahr Trump 2.0 ziehen wir nun eine erste Zwischenbilanz. Wie ist die kurzfristige Entwicklung zu bewerten – auch mit Blick auf die Kapitalmärkte? Und welche Implikationen hat dies für unsere mittel- bis langfristige Einschätzung?

Ist das Glas aktuell halb voll oder halb leer?

Wirft man zunächst nur einen isolierten Blick auf die Zeitspanne seit der erneuten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November 2024, kann man überraschend durchaus zu der eher positiven Konnotation kommen: Das Glas ist halb voll! Was ist damit gemeint? Nach der jüngst durch Senat und Repräsentantenhaus erfolgten Verabschiedung der „one big beautiful bill“ (OBBB), der gesetzlichen Grundlage für die Entwicklung des US-Staatshaushalts in den nächsten Jahren, ergibt unsere Hochrechnung für die kommenden zehn Jahre ein zusätzliches Defizit von etwa 1,5 Billionen US-Dollar. Das ist eine beachtliche Neuverschuldung, aber immerhin: Selbst ohne die Einbeziehung der zusätzlichen Zolleinnahmen sind es 2,1 Billionen weniger, als wir es Ende vergangenen Jahres auf Basis der Analysen unabhängiger Forschungsinstitute als Annahme getroffen hatten.

Woran liegt das? Festgehalten hat die Administration an dem Plan der Verlängerung der Steuersenkungen aus der ersten Amtszeit von Trump. Das Delta zu einer Haushaltsplanung ohne diese Verlängerung liegt bei zusätzlichen Schulden von etwa 5,1 Billionen US-Dollar bis 2034. So weit, so erwartet. Überraschend – zumindest in der Höhe –  sind vor allem zwei Posten.

Zum einen sind nun Einsparungen bei Sozialausgaben von etwa 1,3 Billionen Dollar geplant. Der Großteil davon (1,1 Billionen) entfällt auf Kürzungen bei der staatlichen Krankenversicherung. Hierbei handelt es sich wiederum überwiegend um Leistungen für einkommensschwache Haushalte (Medicaid). Es wird damit gerechnet, dass viele bisher Versicherte das Programm nicht mehr nutzen können – die Schätzungen über die genaue Zahl liegen weit auseinander, sie gehen aber auf jeden Fall in die Millionen.

Anfang des Jahres waren wir davon ausgegangen, dass es keine spürbaren Kürzungen bei Sozialleistungen geben würde. Der Grund ist simpel: Härtere Einschnitte haben das Potenzial, Wählerstimmen zu kosten – und sind deshalb bei Politikern unbeliebt. Und zwar bei allen Parteien. Tatsächlich gab es vor Verabschiedung der „big beautiful bill“ auch unter Republikanern vernehmbare Diskussionen. Am Ende stimmten einige wenige Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus gegen das Gesetz, die meisten aber beugten sich – wenn auch in manchen Fällen widerwillig – dem Druck von Trump. Es dürfte ihnen die Entscheidung erleichtert haben, dass die Kürzungen wohl erst nach den Midterm-Wahlen im November 2026 wirksam werden.

Der Schlüssel zur Lösung liegt in der Handelspolitik

Die zweite Überraschung im Vergleich zum Jahresanfang ist die sich abzeichnende Höhe der Zolleinnahmen. Nochmals eine Rückblende ins Jahr 2016: Schon damals hatte Trump mit Blick auf das Schuldenproblem gesagt: „The power is trade, our deals are so bad.“

Frei übersetzt: Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in der Handelspolitik – und damit vor allem in den Zöllen. Auch in seiner ersten Amtszeit hatte er hier deshalb schon einen Schwerpunkt gesetzt, ohne dass dies allerdings spürbar zu einer Entlastung der Haushaltssituation beigetragen hätte. Das scheint diesmal anders zu sein.

Der große Unterschied ist die Breite der Maßnahmen, denn mehr oder minder trifft es alle Länder (was auch den Effekt hat, dass die Zölle schwerer zu umgehen sind). Die Größenordnung der Einnahmen ist noch nicht abschließend einzuschätzen, da mit vielen (wichtigen) Handelspartnern noch Verhandlungen laufen und es im Übrigen natürlich Anpassungsreaktionen geben wird. Wir schätzen auf aktueller Basis die Höhe der potenziellen zusätzlichen Zolleinnahmen bis 2034 auf 2,2 Billionen US-Dollar. Dies ist eine eher konservative Schätzung, mit anderen Worten: Sie beziffert eher die Untergrenze dessen, was zu erwarten ist.

Ohne Einberechnung der Zolleinnahmen würden sich die prognostizierten zusätzlichen Schulden bis 2034 auf 3,7 Billionen US-Dollar belaufen. Inklusive der Zolleinnahmen verbleibt damit auf Basis der vorgenannten groben Schätzung ein Netto von etwa 1,5 Billionen. Wichtig: Das Bild des halb vollen Glases bezieht sich nur darauf, dass man im Verlauf des letzten halben Jahres mit deutlich mehr gerechnet hatte.

Das mag auch der Grund sein, warum die Kapitalmärkte auf die Verabschiedung der „big beautiful bill“ nur moderat reagierten. Mittlerweile, also mit knapp sieben Wochen Abstand, liegen die Renditen der zehnjährigen US-Treasuries (UST) mit 4,3 Prozent (Stand 18. August 2025) sogar mehr oder minder wieder da, wo sie sich vor der Entscheidung befanden. Sie sind damit sogar etwas niedriger als zum Zeitpunkt der US-Wahl Anfang November 2024. Damals lagen die UST-Renditen bei etwa 4,35 Prozent. Was nebenbei bemerkt ein gewisses Licht darauf wirft, dass es zumindest für Dollarinvestoren bei Anleihen (gilt aber analog für Aktien) eine gute Strategie gewesen wäre, durch die zwischenzeitliche Aufgeregtheit der Öffentlichkeit und die korrespondierende Volatilität am Kapitalmarkt in Hinblick auf die Trump‘sche Wirtschaftspolitik etwas „durchzuschauen“. Natürlich kann man das als ein Statement der Kategorie „hinterher ist man immer schlauer“ sehen, aber auch zwischendurch, vor allem in den Monaten Februar bis Mai, wirkte das ein oder andere übertrieben. Union Investment hat sich beispielsweise nie denjenigen angeschlossen, die für die USA schon eine Rezession heraufziehen sahen.

Wann gerät der Schuldenberg ins Rutschen?

Was bedeutet die „big beautiful bill“ für unsere mittel- bis langfristige Einschätzung der US-Verschuldung? Um auf unser Glas zurückzukommen: Auf eine Perspektive von fünf bis zehn Jahren bezogen ist die Frage „halbvoll oder halbleer“ eher falsch gestellt. Dass die Regierung Trump, soweit man das heute sagen kann, weniger Schulden machen wird, als ursprünglich gedacht, ist eine Sache. Das ändert aber nichts daran, dass der Schuldenberg weiter beachtlich wachsen wird – um eben jene 1,5 Billionen Dollar. Die Feststellung, dass die US-Staatsverschuldung auf einem nicht nachhaltigen Pfad ist, erhärtet sich dadurch. Oder um im Bild zu bleiben: Das Glas hat bereits einen Riss, der in den nächsten Jahren immer größer werden wird – und mit der „big beautiful bill“ geht das noch etwas schneller.

Wie wir in unserer Analyse vom Jahresanfang ausführlich erläutert haben, ist der kritische Indikator weniger der häufig zitierte Schuldenstand im Verhältnis zum BIP, sondern vor allem die Entwicklung des (relativen) realen Schuldendienstes (Zins und Tilgung nach Inflation im Verhältnis zum BIP). Aktuell befindet sich dieser Indikator, noch in einem moderaten Bereich etwas über 0,5 Prozent. Projektionen zeigen aber, dass der Wert in den nächsten Jahren dynamisch steigen wird – nicht nur wegen der hohen Neuverschuldung, sondern auch, weil bestehende Schulden zu höheren Zinsen refinanziert werden müssen. Kritisch gilt ein Indikatorwert von 2 Prozent. Wann diese Schwelle genau erreicht wird, lässt sich nicht konkretisieren, dazu gibt es zu viele Einflussfaktoren. Auf aktueller Basis sind die Vereinigten Staaten davon noch einige Jahre entfernt.

Als möglicher Zeitpunkt, wo es richtig eng wird, gilt 2034, weil dann nach Hochrechnungen der Sozialversicherungsfonds erschöpft sein wird. So oder so ist aber klar, dass die zusätzlichen Schulden der „big beautiful bill“ (in der Grafik die rote Linie) für sich genommen dafür sorgen, dass der Punkt im Zweifelsfall schneller erreicht wird.

Trump hofft darauf, dass seine Wirtschaftspolitik zu einem Produktivitätsschub führt, der über höheres Wachstum die zusätzlichen Schulden quasi absorbiert. Historisch ist diese Art Rechnung nur selten aufgegangen. Wenn es wirklich kritisch wurde, wie etwa Anfang der 1980er-Jahre, hat meist nur „harte“ Sparpolitik geholfen – in den USA initiiert von den so genannten „bond vigilantes“, den Bond-Wächtern. Das sind überwiegend institutionelle Investoren, die an einem bestimmten Punkt schlicht nicht mehr bereit sind, US-Treasuries zu kaufen (oder wenn, dann nur mit sehr hohen Zinsen). In diesem Fall könnte es allerdings tatsächlich sein, dass sich Trumps Hoffnung teilweise erfüllt.

Wir erwarten auf Sicht der nächsten Dekade für die USA einen (sich fortsetzenden) außerordentlichen Produktivitätsschub, der im Wesentlichen auf der Restrukturierung von Lieferketten (Great Transformation) und technologischem Fortschritt – vor allem Künstliche Intelligenz und Robotics – beruht. Diese Prognose hatten wir getroffen, lange bevor Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde. Insofern basiert sie zwar nicht auf seiner Wirtschaftspolitik, wird durch diese nach aktuellem Stand aber auch nicht ausreichend konterkariert. Das zusätzliche Wirtschaftswachstum, das dieser Produktivitätsschub mit sich bringen wird, wird das US-Verschuldungsproblem nicht lösen, es aber etwas abmildern – und damit den Zeitpunkt, ab dem der Schuldendienst ein kritisches Niveau erreicht, vermutlich deutlich in die 2030er Jahre schieben.

Es kann aber natürlich auch ein Fall eintreten, der in Trumps Denke vermutlich gar nicht vorkommt: dass nämlich die USA in eine schwere Wirtschaftskrise geraten, in der Steuereinnahmen wegbrechen und antizyklische Fiskalmaßnahmen erforderlich sind. In einem solchen Szenario kann ein kritisches Level des Schuldendiensts sehr viel schneller erreicht werden, als unsere Grafik dies veranschaulicht.

Trumps Unberechenbarkeit schafft Volatilität

Ob es die „echten“ Bond-Wächter waren, die im Frühjahr schon mal etwas unruhig wurden und für Volatilität am US-Anleihenmarkt sorgten, wissen wir nicht. Auch wenn der Indikator für den Schuldendienst noch weit entfernt vom kritischen Bereich ist – auf ein höheres Volatilitätsniveau werden sich Investoren wohl für die nächste Zeit einstellen müssen. Dafür sorgt schon Donald Trump, so wie im April, als er mit der Drohung, Fed-Chef Jerome Powell zu entlassen, die Treasury-Kurse auf Talfahrt schickte. Auch der jüngste Renditeanstieg dürfte zum Teil wieder dadurch beeinflusst sein.

Anders ausgedrückt: Für die Kapitalmärkte liegt das Problem bis auf Weiteres nicht in der fundamentalen Schuldensituation – die ist zwar nicht nachhaltig, aber der Zeitpunkt, an dem die trendmäßige Entwicklung einen kritischen Punkt erreicht, ist (im Basisszenario) einfach noch zu weit entfernt. Das Problem liegt vielmehr in der Unberechenbarkeit von Trump. Investoren wünschen sich langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Entscheidungen – wenn diese nicht gegeben sind, sondern stattdessen immer wieder politisches Störfeuer auftaucht, führt dies zwischenzeitlich zu sich wiederholenden Phasen erhöhter Volatilität.

Um ein abschließendes Extrembeispiel zu geben: Es ist zu hoffen, dass Trump auf bestimmte Bemerkungen zum Thema Verschuldung, wie er sie in dem schon eingangs erwähnten CBS-Interview 2016 machte, verzichtet. Auf die Frage, was er im Ernstfall tun würde, antwortete er nämlich: “You go back and you say, hey guess what, the economy crashed. I’m going to give you back half.” Wie der Kapitalmarkt auf die Aussicht reagieren würde, dass vom Nominalwert einer Treasury Note nur die Hälfte zurückgezahlt wird, möchten wir uns lieber nicht vorstellen.

Sandra Ebner ist Senior Economist bei Union Investment.

Dr. Heinz-Georg Palm ist Senior Analyst Kapitalmarktkommunikation bei Union Investment.

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