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Die Diskussion über digitales Zentralbankgeld und einen digitalen Euro gehört gegenwärtig zu den wichtigsten Themen im Finanzsektor. Hierbei geht es um nicht weniger als die Zukunft unseres Gelds und die Zukunft der Finanzwirtschaft. Bislang nutzen Unternehmen und Privathaushalte vor allem zwei Formen von Geld: von der Zentralbank herausgegebenes Bargeld und Geld auf Konten bei Geschäftsbanken. Mit dem digitalen Euro käme eine weitere Variante hinzu, die das Bargeld um eine digitale Form von Zentralbankgeld ergänzen würde. Zwar gibt es bereits Zentralbankgeld – neben dem erwähnten Bargeld – als Guthaben auf Zentralbankkonten, diese sind aber bisher Banken und Sparkassen vorbehalten. Im Zahlungsverkehr unter Nichtbanken spielt Geschäftsbankengeld auf Girokonten, das sogenannte Giralgeld, eine viel größere Rolle. So wird mittlerweile das Gros des Zahlungsvolumens über Konten bei Banken und Zahlungsdienstleistern abgewickelt, allein 24 Milliarden Überweisungen und Lastschriften im Wert von 60 Billionen Euro pro Jahr in Deutschland.

Verbraucher ändern ihr Verhalten

Treibende Kräfte der Überlegungen zu digitalem Zentralbankgeld sind vor allem sich verändernde Nutzergewohnheiten durch die digitale Transformation, die Entstehung neuer digitaler Zahlungsmittel, zum Teil außerhalb der staatlichen Währungsordnung, und Bestrebungen zur Erhaltung europäischer Souveränität im Zahlungsverkehr. Verbraucher wünschen sich schnelle, sichere und jederzeit überall einsetzbare Zahlungsmöglichkeiten. Zudem sinkt die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel, auch im Zuge einer immer stärker digitalisierten Wirtschaft. Nachdem 2017 noch 74 Prozent der alltäglichen Zahlungen, insbesondere an den Ladenkassen, mit Bargeld getätigt wurden, waren es gemäß einer repräsentativen Erhebung der Bundesbank im Jahr 2020 nur noch 60 Prozent – auch wenn dieser Trend sicher durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde. Für uns Notenbanken stellt sich also die Frage, ob Bürgerinnen und Bürgern nicht auch eine Möglichkeit geboten werden sollte, im digitalen Umfeld mit Zentralbankgeld zu zahlen. Schon heute stellt die Möglichkeit, Giralgeld jederzeit durch Barabhebungen in Zentralbankgeld zu tauschen, einen wichtigen Vertrauensanker dar.

Die veränderten Nutzergewohnheiten und die Chancen der Digitalisierung werden insbesondere auch von außereuropäischen BigTech-Unternehmen erkannt und mit innovativen, einfachen und kundenfreundlichen Zahlungsdiensten beantwortet. Dabei geht es häufig darum, Kunden an Plattformen zu binden, die für praktisch alle Facetten des täglichen Lebens eine maßgeschneiderte Lösung bieten. Besonders die von Facebook vorangetriebene Idee der Emission von Stablecoins hat für große Aufmerksamkeit gesorgt. Stablecoins sind digitale Zahlungsmittel, die häufig an Euro oder Dollar gebunden sind und zum Bezahlen innerhalb der Plattform-Ökosysteme genutzt werden können. Aufgrund der großen Nutzerbasis von global agierenden Technologiekonzernen ist nicht auszuschließen, dass solche Stablecoins auch im Euroraum schnell in erheblichem Umfang genutzt werden könnten.

Darüber hinaus sind auch Notenbanken anderer Währungsräume aktiv. Weltweit diskutieren zahlreiche Zentralbanken das Thema digitales Zentralbankgeld, wenngleich auch mit durchaus unterschiedlicher Motivation. China steht nach eigenen Angaben bereits kurz davor, mit einem „digitalen Renminbi“ zu den olympischen Winterspielen 2022 in Peking großflächig an den Start zu gehen. Eine neue Bezahllösung mit innovativer Technologie und greifbaren Vorteilen für die Nutzer könnte einen maßgeblichen Einfluss im globalen Zahlungsverkehrsmarkt und auf den Zahlungsverkehr im Euroraum ausüben.

Zentralbankgeld muss Mehrwert schaffen

Entscheidend ist aber, dass das neue Zentralbankgeld für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft einen echten Mehrwert schafft. Ein digitaler Euro würde sich auf rein europäischen Regeln sowie europäischer Governance gründen und würde die Bemühungen um europäische Souveränität bei wichtigen strategischen Infrastrukturen – zu denen auch der Zahlungsverkehr gehört – sinnvoll unterstützen. Schließlich würden sensible Zahlungsdaten der Verbraucher vor der wirtschaftlichen Nutzung geschützt.

Der digitale Euro könnte außerdem den Weg zu einer digitalen Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen, wenn er das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen gewinnen und als Zahlungsmittel eingesetzt würde. Auch programmierbare Zahlungen wären denkbar. Davon könnte die Finanzwirtschaft ebenso profitieren wie unsere stark arbeitsteilige Realwirtschaft, die immer mehr auch die Blockchain-Technologie, zum Beispiel über Machine-to-Machine-Kommunikation im Rahmen von nutzungsorientierten Geschäftsmodellen, als Grundlagentechnik entdeckt.

Risiken nicht übersehen

Doch bei aller Aufbruchsstimmung darf nicht übersehen werden, dass ein digitaler Euro Risiken birgt, etwa für die Finanzstabilität, den Zahlungsverkehr und die Umsetzung der Geldpolitik. Risiken könnten beispielsweise aus der Gefahr einer Substitution von Sichteinlagen bei Banken durch den digitalen Euro resultieren. Würden private Haushalte und Unternehmen nur einen Teil ihres Bargeldbestandes in den digitalen Euro umtauschen, wären die Effekte gering. Sollten sie den digitalen Euro jedoch als Ersatz für ihre Einlagen bei Geschäftsbanken ansehen und diese in großem Umfang in digitales Zentralbankgeld umwandeln, könnte dies erhebliche Folgen für die Geschäftsmodelle der Banken haben. Die Passivseite der Bankbilanzen könnte sich stark verändern und entsprechend höhere Zinskosten verursachen. Auch wären Auswirkungen auf das Kreditangebot nicht auszuschließen.

Um den digitalen Euro nutzen und gleichzeitig die Risiken einhegen zu können, werden zurzeit verschiedene Lösungen analysiert. Denkbar sind beispielsweise betragsmäßige Nutzungsbegrenzungen oder eine ungünstige Verzinsung für sehr hohe Bestände.

Es gibt auch ordnungspolitische Risiken. Der Zahlungsverkehr ist eine Koproduktion von Zentralbanken und privaten Anbietern. Geschäftsbanken und Finanzdienstleister sind hierbei grundsätzlich kundenfreundlicher und erfahrener im Umgang mit privaten Risiken; sie bilden die Schnittstelle zum Kunden. Für die Bundesbank ist es wichtig, dass diese Rollenverteilung bestehen und der Zahlungsverkehr weiterhin eine öffentlich-private Koproduktion bleibt. Zum einen würde der digitale Euro die bisherigen Bezahlverfahren ergänzen, aber nicht verdrängen. Zum anderen sollte die Kreditwirtschaft auch aktiv in die Ausgabe des digitalen Euro eingebunden werden, indem private Zahlungsdienstleister die Schnittstelle zum Kunden bilden. Denn ähnlich wie beim Bargeld sollte eine solche Zweistufigkeit auch beim digitalen Euro gegeben sein.

Insgesamt gilt für uns Zentralbanker bei der Konzeption eines digitalen Euro die Devise „Sorgfalt vor Schnelligkeit“. Ein digitaler Euro würde nur dann in den Markt gebracht, wenn vorher möglichst alle Risiken untersucht und minimiert werden. Nur dann wäre unser Anspruch als Eurosystem erfüllt und ein digitaler Euro ähnlich vertrauenswürdig wie das Euro-Bargeld.

Arbeiten am digitalen Euro haben begonnen

Im Juli hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Startschuss für eine Untersuchungsphase zum Projekt „digitaler Euro“ gegeben. Nun fängt aber im Eurosystem die Arbeit rund um einen digitalen Euro erst richtig an. Die Bundesbank bringt sich dabei aktiv ein und steht im engen Austausch mit der Finanzwirtschaft, anderen Zentralbanken und Forschungseinrichtungen. Sie engagiert sich außerdem seit vielen Jahren nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Seit 2016 haben wir in Experimenten untersucht, ob und wie Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung, beispielsweise durch Blockchain-Technologie, sicherer und effizienter werden können. Die High Level Task Force der EZB zum digitalen Euro, in der ich Mitglied bin, hat unter anderem in einem Bericht vom Oktober 2020 Szenarien beschrieben, in denen die Emission des digitalen Euro sinnvoll erscheinen könnte.

Letztlich muss der digitale Euro einen Zusatznutzen im Vergleich zu bestehenden oder künftigen Zahlungslösungen bieten. Er kann nur dann erfolgreich sein, wenn er wichtige Bedürfnisse und Erwartungen der Wirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger Europas erfüllt. Daher hatte das Eurosystem eine erste öffentliche Konsultation zum digitalen Euro durchgeführt. Die Antworten waren eindeutig. Der Schutz der personenbezogenen Daten ist für die Mehrheit der an der Konsultation beteiligten Privatpersonen, Unternehmen und Wirtschaftsverbände der wichtigste Aspekt. Danach folgen die Sicherheit des Zahlungsmittels, die Verfügbarkeit innerhalb des gesamten Euroraums und die Vermeidung von Zusatzkosten. Herausfordernd dürfte insbesondere das Spannungsfeld zwischen Gewährleistung der Privatsphäre und Vermeidung nicht gesetzeskonformer Transaktionen werden. Einerseits sollte das Recht auf Selbstbestimmung über persönliche Daten respektiert werden, andererseits muss sichergestellt werden, dass ein digitaler Euro weder Geldwäsche noch Steuerhinterziehung begünstigt.

Die Entwicklung eines überzeugenden Designs für einen digitalen Euro ist Hauptbestandteil der Arbeiten, denen sich die Zentralbanken im Eurosystem zurzeit stellen. Mit dem Startschuss für eine zweijährige Untersuchungsphase zum digitalen Euro stehen nun konkrete Ausgestaltungs- und Umsetzungsoptionen im Mittelpunkt. Zum Abschluss der Untersuchungen soll dann die Entscheidung für oder gegen eine konkrete Umsetzung und Markteinführung getroffen werden. Die zu Beginn gestellte Frage ist eindeutig zu beantworten: Der digitale Euro muss Innovation bieten und darf kein Stabilitätsrisiko darstellen.
 

Burkhard Balz ist Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Dort verantwortet er die Ressorts Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog.

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