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Wer mit Alois Kramer Schritt halten will, muss gut zu Fuß sein. Routiniert durchstreift er die steilen Almwiesen der auf 1.620 Meter Höhe gelegenen Krüner Alm, um nach seinem Jungvieh zu sehen. „Do geht’s her“, ruft er mit getragener Stimme, um die Tiere auf sich aufmerksam zu machen. Während seine 45 Milchkühe der Rasse Fleckvieh und die 10 bis 15 Kälber daheim auf dem Ferlhof in Krün ganzjährig einen reich gedeckten Tisch mit Heu und frisch gemähtem Gras vorfinden, müssen sich seine 70 Jungtiere ihr Futter von Frühjahr bis Herbst selber suchen. Dann treibt Kramer sie entweder auf seine eigenen Weiden oder wie die anderen Krüner Bauern auf die Gemeinschaftsweiden in den Isarauen beziehungsweise auf die Bergweiden von Finzalm und Krüner Alm.

Lange Tradition

Milchwirtschaft wird in den bayerischen Alpen seit mindestens 1.000 Jahren betrieben. Zur Sicherung des Grundbesitzes und der Einkünfte des Klosters Benediktbeuern ließ der damalige Abt Otto im Jahr 1294 ein Salbuch anlegen. Darin sind zwei Schwaigen in Krün erwähnt, die jährlich als „Gült“ 500 Käse an das Kloster abzuliefern hatten. Schwaigen waren im Mittelalter landwirtschaftliche Betriebe, die sich ausschließlich der Viehzucht widmeten und Milch zu Käse verarbeiteten.

Obwohl die Flächen in den Isarauen und auf den beiden Almen heutzutage größtenteils den Bayerischen Staatsforsten oder dem Wasserwirtschaftsamt gehören, dürfen Kramer und die anderen Landwirte ihre Tiere darauf grasen lassen. Das Weiderecht steht den Krüner Bauern seit Jahrhunderten zu, länger als es das Königreich Bayern gab und es den Freistaat Bayern heute gibt. Nach der Säkularisation 1803 – Krün war bis dahin Teil der zum Hochstift Freising gehörenden Grafschaft Werdenfels – wurden die Weiderechte im Zuge der ersten Landvermessung Bayerns (Bayerische Uraufnahme) erstmals schriftlich festgehalten. Mit dem Gesetz über die Ausübung und Ablösung des Weiderechts auf fremdem Grund und Boden vom 28. Mai 1852 wurden diese dann ins Grundbuch übertragen.

Seitdem sind die Rechte verbrieft und genau geregelt. So muss das Weiderecht von den Weideberechtigten stets gemeinschaftlich ausgeübt werden. In den Weidekonspekten mit der Forstverwaltung ist seit jeher festgeschrieben, wie viele Tiere die Bauern auf die Krüner Heimweide in den Isarauen treiben dürfen, nämlich „sechs Pferde, ein Stier, 65 Kühe, 30 Kälber und 15 Ziegen in der Zeit vom 1. Mai bis zum 16. Oktober eines Jahres oder auf die Krüner Sennalpe (130 Tiere gemischten Alters)“. Außerdem legt die sogenannte Winterstandsklausel fest, dass die Bauern kein Fremdvieh auf die Almweiden treiben dürfen und auch nur so viel eigenes Vieh, wie sie über den Winter halten können. „So werden die Flächen vor Übernutzung geschützt“, erklärt Kramer. Grundeigentümer, die das Weiderecht auf ihren Flächen ablösen wollen, müssen den Bauern auf anderen Flächen Ersatz anbieten. Um ihre Interessen effektiv zu bündeln, organisierten sich die Krüner Bauern 1971 in der Forst- und Weide-Genossenschaft Krün. Von den 24 weideberechtigten Bauern üben acht ihr Recht noch aktiv aus. Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft ist Alois Kramer. Ihm stehen seine Co-Vorstände Johann Kriner und Josef Heiß sowie Aufsichtsratsvorsitzender Matthias Gschwendtner zur Seite. Kramer liefert seine Milch außerdem an die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land, bei der er auch dem Aufsichtsrat angehört.

Für Kramer ist die Genossenschaft die ideale Rechtsform, um die gemeinschaftlichen Weiderechte zu organisieren. „Die Almflächen bis in 1.800 Meter Höhe und die schottrigen Isarauen – die sogenannte Heimweide – sind alles Grenzertragsstandorte, die nur ganz wenig Ertrag abwerfen. Bei solchen Flächen ist es besser, sie mit einer größeren Herde zu beweiden, weil die Tiere dann in kürzerer Zeit das vorhandene Gras fressen und dann auf die nächste Fläche getrieben werden können. Deshalb hat die Genossenschaft im Frühjahr und Herbst einen Hirten angestellt, der die Tiere morgens bei den Bauern abholt, auf die Gemeinschaftsweide treibt und sie abends wieder zurückbringt“, erklärt Kramer. Vor allem aber sei die Genossenschaft eine starke Rechtsform für Verhandlungen. „Wenn wir mit der Kommune, der Forstverwaltung oder dem Wasserwirtschaftsamt verhandeln, habe ich als Genossenschaftsvorstand gleich ein besseres Standing, weil die Rechtsform allgemein anerkannt ist und wir einen starken genossenschaftlichen Verband hinter uns haben“, sagt Kramer. Bei Vertragsabschlüssen oder bei Grundbuchbeschlüssen sei die Rechtsform eG ebenfalls von Vorteil, weil sie den Mitgliedern mehr Rechtssicherheit biete als ein loser Zusammenschluss, sagt Kramer.

Lohnende Ausflugsziele: Finzalm und Krüner Alm

Zur Forst- und Weide-Genossenschaft Krün gehören die Finzalm und die Krüner Alm. Beide sind lohnende Ausflugsziele, vor allem auch für Familien. Die Finzalm wurde 2019 neu erbaut und liegt auf 1.040 Meter Höhe idyllisch oberhalb des Finzbachs. Die Krüner Alm auf 1.621 Meter Höhe besticht durch ihren Panoramablick auf Soiern-, Karwendel- und Wettersteingebirge. Je nachdem, wo gerade das Vieh weidet, bewirtet Hirte Max Kriner entweder die Finzalm oder die Krüner Alm. Anschließend geht's bis zum Ende der Saison Anfang/Mitte Oktober wieder zurück auf die Finzalm. Auf beiden Almen serviert Kriner seinen Gästen – wenn er vor Ort ist – kühle Getränke, Kaffee und Kuchen sowie bayerische Brotzeiten.

Startpunkte für eine Wanderung oder eine Radtour auf die beiden Almen sind der Wanderparkplatz (gebührenpflichtig) an der Krottenkopfstraße in Krün oder das Haus des Gastes in Wallgau (Wegenummern 450, 451 und 452). Besonders lohnend ist der Aufstieg über die Finzbachklamm. Der Weg zweigt von der Forststraße (normaler Aufstieg) ab und führt auch wieder dorthin zurück. Anschließend geht es an der Weggabelung links zur Finzalm und rechts zur Krüner Alm (beschildert). Gehzeit rund zwei Stunden bis zur Finzalm oder drei Stunden bis zur Krüner Alm. Wer noch höher hinaus will, erreicht von der Krüner Alm aus in weiteren zwei Stunden den Krottenkopf (2.086 Meter). Dort gibt es mit der Weilheimer Hütte auch eine Übernachtungsgelegenheit. Weitere Informationen gibt es auf www.alpenwelt-karwendel.de.

Auch die Wissensweitergabe sei durch die Genossenschaft gesichert, sagt Kramer. „Wir sind drei Vorstände, von denen jedes Jahr einer neu oder wiedergewählt wird. So kann das Wissen immer von Vorstand zu Vorstand weitergegeben werden, weil es nie einen Bruch gibt, sondern immer eine Kontinuität. Das ist für uns sehr wichtig, weil unser Wissen um die Weiderechte Jahrhunderte alt ist und gut geschützt werden muss.“

Die Finzalm liegt auf 1.040 Meter Höhe oberhalb des Finzbachs. Sie wurde 2019 neu erbaut. Besonders lohnend ist der Zustieg über die Finzbachklamm.

Die Krüner Alm liegt auf 1.621 Meter Höhe und wird von Mitte Juli bis Anfang September bewirtschaftet. Von dort geht es in rund zwei Stunden weiter zum Krottenkopf (2.086 Meter, im Hintergrund).

Welche der beiden Almen gerade bewirtschaftet wird, ist für Wanderer, die von Krün oder Wallgau kommen, nicht zu übersehen.

Wiederkäuen mit Aussicht: Die Jungrinder auf der Krüner Alm – und natürlich auch die Touristen – haben freien Blick auf die Soierngruppe und das Karwendel.

Darüber hinaus trägt die Forst- und Weide-Genossenschaft Krün zum Erhalt der Kulturlandschaft bei. Um das zu zeigen, nimmt Kramer bei seiner Kontrollfahrt zu den verschiedenen Weideflächen in den Isarauen zwischen Wallgau und Krün gerne den einen oder anderen Umweg in Kauf. Gekonnt steuert er seinen Geländewagen über Stock und Stein und zwischen Weidenbüschen hindurch. Links und rechts wechseln sich Kies- und Sandbänke mit Grasflächen ab, dazwischen türmen sich haushohe Holzhaufen mit ausgelichteten Fichten, die auf ihren Abtransport waren. „Diese Flächen haben wir geschwendet, also ausgeholzt. So werden aus monotonen Fichtenwäldern wieder artenreiche Weideflächen, die nicht nur den Rindern im Frühjahr und Herbst Nahrung bieten, sondern Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten“, sagt Kramer.

Stolz ist der Vorsitzende der Forst- und Weide-Genossenschaft Krün auch auf zwei Flächen, die erst vor Kurzem begrünt wurden. „Hier wurde früher Holz verarbeitet. Da ist nichts gewachsen. Nun geben wir die Flächen als Weideland der Natur zurück“, sagt Kramer. Die extensive Beweidung der Flächen stehe nicht in Konkurrenz zur Natur, sondern werte sie auf. Deswegen seien auch die Eigentümer der Flächen sowie die Gemeinde mit im Boot. „Durch die Beweidung entstehen die für unsere Region typischen Schneeheide-Kiefernwälder, die unsere Landschaft prägen“, sagt Kramer.

Seit 21 Jahren auf der Alm

Seit 21 Jahren ist Max Kriner im Sommer auf der Finzalm und der Krüner Alm als Hirte der Forst- und Weide-Genossenschaft Krün angestellt. „Max kennt die Tiere so gut, wir können uns gar keinen anderen Hirten vorstellen“, lobt der Vorsitzende Alois Kramer. 80 Stück Jungvieh weiden auf den Flächen der beiden Almen auf etwa 1.000 bis 1.800 Metern Höhe. „Ich sehe jeden Tag alle Tiere und schaue, ob es ihnen gut geht oder ob ihnen was fehlt“, sagt Kriner. Schwere Verletzungen oder Krankheiten sind selten, aber kleine Zipperlein gehören auch zum Alltag eines Rinds. „So etwas muss ich erkennen, weil ich kann das Tier ja nicht fragen, ob ihm was fehlt. Dieses Verantwortungsbewusstsein muss ich mitbringen, sonst brauche ich hier oben auf der Alm gar nicht anfangen“, sagt Kriner. Weil die Tiere ständig in Bewegung sind und es deswegen nicht sinnvoll ist, sie zählen zu wollen, sortiert sie der Hirte im Kopf nach Eigentümer und Altersgruppe. „Die Tiere von einem Bauern bleiben auch auf der Alm zusammen“, sagt Kriner. Das Leben auf der Alm genießt der Hirte, auch wenn der Alltag hart ist. „Sagen wir so: Es gibt auf der Alm schöne Tage und es gibt schwierige Tage. Aber ich kann mir die Arbeit einteilen, wie ich will. Das ist das Schöne daran“, sagt Kriner.

Wie sehr sich beweidete und unbeweidete Flächen unterscheiden, ist gut an einer der Weideflächen oberhalb der Isar erkennbar. Innerhalb des Zauns wechseln sich lichte, offene Grasflächen mit singulär stehenden Bergkiefern – Spirken – sowie Inseln aus Weidengebüschen ab, während außerhalb schattiger Fichtenwald dominiert. Deswegen entnehmen die Mitglieder der Genossenschaft auf den Weiden regelmäßig den Fichtenaufwuchs. „Sobald die Fichte die anderen Sträucher und Bäume überragt, verschattet sie ihre Umgebung. Die darunter stehenden Gehölze sterben ab und brechen zusammen. Das verrottende Holz düngt die Fichten, die dann nochmal stärker wachsen. Dann ist es mit den offenen Kulturflächen schnell vorbei“, sagt Kramer.

Doch zu viel Vieh auf einer Fläche kann der Natur auch schaden. Das wissen die Genossenschaftsmitglieder und passen entsprechend auf ihre Flächen auf. Auf der Finzalm und der Krüner Alm dürfen sie zum Beispiel eigentlich 130 Stück Vieh weiden lassen. Tatsächlich sind aber nur 80 Jungrinder auf der Alm. „So vermeiden wir Trittschäden und es gibt genug Gras für alle Tiere. Wir Landwirte denken auf vielen Ebenen nachhaltig“, sagt Kramer.

Nachhaltigkeit ist ein Stichwort, bei dem der Vorsitzende der Weide-Genossenschaft Krün grundsätzlich wird. In der Diskussion um den Klimaschutz werde die Landwirtschaft oft zu Unrecht an den Pranger gestellt. Bei der Produktion von Milch und Fleisch werde zum Beispiel bei der Klimabilanz nur das Ende der Produktionskette betrachtet. „Die Landwirtschaft lebt von der Photosynthese. Aus Kohlenstoffdioxid und Wasser entstehen mithilfe von Sonnenlicht Traubenzucker und Sauerstoff. Der Kohlenstoff wird in der Pflanze und später im Tier beziehungsweise in der Milch gebunden. Das ist der Ausgangsprozess, auf dem die ganze Landwirtschaft aufbaut. Dieser Teil des Stoffkreislaufs wird nur gerne vergessen.“ Auch im eingelagerten Winterfutter sei Kohlenstoff gebunden und so der Atmosphäre entzogen.

Die Landwirtschaft setze ohnehin auf effiziente Stoffkreisläufe. Die Beweidung und der Kuhdung tragen zum Humusaufbau auf den Flächen bei. Abfallprodukte aus der Lebensmittelproduktion wie beispielsweise Rückstände des Braumalzes, der sogenannte Treber, werden als Viehfutter wieder in den Stoffkreislauf integriert. Kramer zum Beispiel bezieht seinen Treber von der Brauerei Mittenwald und vom Augustiner-Bräu in München. Auch die Beweidung der Flächen sei nachhaltig angelegt. „Indem wir das Vieh auf die extensiv beweideten Flächen treiben, können wir das Dauergrünland schonend bewirtschaften, weil wir zum Beispiel Trittschäden vermeiden“, sagt Kramer. So schaffe es die Landwirtschaft, effizient, aber trotzdem auf einem hohen Qualitätsniveau zu produzieren.

Rein wirtschaftlich betrachtet lohne sich die extensive Beweidung der Almflächen nicht. Insgesamt bewirtschaftet die Genossenschaft rund 130 Hektar Heimweide in den Isarauen und 50 Hektar auf der Alm. Diese müssen regelmäßig entbuscht (geschwendet) und gezäunt werden. Rund 50 Kilometer Zaun betreuen die Mitglieder der Genossenschaft. Damit die Tiere nicht entkommen, werden die Zäune regelmäßig kontrolliert. Auch bei der Kontrollfahrt in den Isarauen mit dem Geländewagen entdeckt Kramer ein Stück Zaun, das vom letzten Hochwasser niedergedrückt worden ist. Rund 1.800 Stunden Arbeit kommen so pro Jahr zusammen, die von den Mitgliedern gemeinsam gestemmt wird. „Hierfür ist die Genossenschaft die ideale Organisation, weil sie die unwirtschaftlichen Arbeiten auf viele Schultern verteilt und so für den Einzelnen auf ein vertretbares Maß reduziert“, sagt Kramer. Abgesehen davon fördere die Genossenschaft den Zusammenhalt im Ort. „Eine Genossenschaft ist ein Dorfprojekt. Im ganzen Dorf gibt es überzeugte Genossenschaftsmitglieder. Wenn es was zu tun gibt, dann machen alle mit, egal ob es der Viehtrieb ist oder ob wir Flächen schwenden, zäunen oder neu anlegen. So stärkt die gemeinschaftliche Organisation und Arbeit das landwirtschaftliche Gefüge im Ort“, sagt Kramer.

Sein Wissen um den Ort Krün und sein Engagement haben Alois Kramer kurzzeitig sogar zu internationaler Berühmtheit verholfen. Im Juni 2015, beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau, das zur Gemeinde Krün gehört, unterhielt sich der damalige US-Präsident Barack Obama eine gute Viertelstunde ausschließlich mit Kramer und ließ dafür sogar Kanzlerin Angela Merkel im Stich. „Das war eine verrückte Geschichte, im Nachhinein kommt mir das so unwirklich vor“, erzählt der Vorsitzende der Weidegenossenschaft Krün. Bei einer Begegnung der Politiker mit Bürgerinnen und Bürgern aus der Region saßen Kramers Eltern in Tracht an einem der vorderen Tische, wo auch die prominenten Gäste Platz nehmen sollten. „Wir Trachtler sollten für schöne Bilder sorgen“, sagt Kramer.

Sein Vater habe ihn dann gebeten, mit ihm Platz zu tauschen, da er nur schlecht Englisch spreche, sollte Obama seinen Tisch auswählen. „So kam ich zehn Minuten vor dem US-Präsidenten zu meinem Platz in der ersten Reihe“, erzählt Kramer. Als dieser kam, habe er sich zuerst mit Merkel unterhalten und sich dann zu Kramer an den Tisch gesetzt. „Er hat sein Sakko ausgezogen und war total jovial.“ Als Obama dann nach der Gründungsgeschichte von Krün gefragt habe, konnte keiner antworten – außer Kramer. „Ich habe ihm dann von der ersten urkundlichen Erwähnung 1294 und den zwei Milchschwaigen erzählt, die 500 Käse an das Kloster Benediktbeuern abliefern mussten. So sind wir ins Gespräch gekommen“, berichtet der Genossenschaftsvorsitzende.

Was man dazusagen muss: Kramer kennt sich auch mit der US- Landwirtschaft aus, da er vor vielen Jahren für mehrere Monate auf einem Biobauernhof im US-Bundesstaat Vermont als Praktikant gearbeitet hat. „Obama ist dann voll auf das Thema Landwirtschaft eingestiegen und wir haben uns intensiv unterhalten. Er war wirklich bestens präpariert und wusste, was bei uns wirtschaftlich läuft. Wahnsinn, das hat mich völlig überrumpelt“, erzählt Kramer.

Unter anderem sprachen der US-Präsident und der Genossenschaftsvorsitzende auf Englisch über das damals geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU. „Ich habe ihm dann erklärt, dass TTIP riesige Probleme verursacht, wenn der globale Preisdruck bei der Lebensmittelproduktion bis in den hintersten Winkel der Erde getragen wird. Wir müssten dann zum Beispiel unsere Almwirtschaft aufgeben, weil sie sich nicht mehr lohnt.“ Die Landwirtschaft sorge auf dem Land für eine tiefe Wertschöpfung. Deshalb könne nicht nur der Preis des Weltmarktführers entscheidend sein, der alle anderen niederdrücke, habe er Obama gesagt.

Das Gespräch mit dem US-Präsidenten brachte Kramer ein Foto auf der Titelseite der New York Times ein und einen Bericht von der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Obama hat sich außerdem für unsere Tracht interessiert. Aber bei den Fachausdrücken musste die Dolmetscherin des Präsidenten passen und erstmal herumfragen, bis sie jeweils das richtige Wort parat hatte“, erzählt Kramer. „Dass ich mit Obama gesprochen habe, war purer Zufall oder glückliche Fügung, wie man’s nimmt.  Auf jeden Fall war es besser so, dass ich nicht vorbereitet war, denn sonst hätte mir das schlaflose Nächte bereitet“, sagt Kramer.

Obwohl er das Gespräch als normaler Bürger geführt habe, so sehe er doch Parallelen zu seinem Ehrenamt als Vorsitzender der Forst- und Weide-Genossenschaft Krün, sagt Kramer. „Nachhaltigkeit ist auf allen Ebenen wichtig. Die Genossenschaft trägt dazu bei, die Almwirtschaft in der Region mit ihren kleinteiligen Strukturen zu erhalten. Aber wenn die internationalen Rahmenbedingungen nicht stimmen und alles dem Diktat des Preises unterworfen wird, können wir Bauern im Alpenraum irgendwann nicht mehr mithalten. Dann werden auch die Kulturlandschaften verschwinden, die viele Menschen so sehr schätzen. Wollen wir es wirklich darauf ankommen lassen?“

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