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Vertrag für eine Grundschuld/Hypothek (Symbolbild).

Frank Staub nimmt das Fazit gleich vorweg: „Durch die Digitalisierung der Kreditakten hat unsere Bank einen großen Sprung nach vorne gemacht“, sagt der Bereichsleiter Produktion der Raiffeisenbank Roth-Schwabach. Wenn Berater oder Sachbearbeiter der Bank sich auf ein Kundengespräch vorbereiten beziehungsweise einen Kreditantrag prüfen wollen, genügen wenige Mausklicks, und schon haben sie alle benötigten Dokumente der Kreditakte digital auf dem Bildschirm. Bei Besprechungen lassen sich die digitalen Akten schnell an die Wand werfen, sodass die Teilnehmer alle Fakten und Hintergründe sofort vor Augen haben.

Vor einigen Jahren war das noch anders. Bis zur Digitalisierung der Bestände mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jede Kreditakte aus dem Archiv holen und anschließend wieder dorthin zurückbringen. Das kostete Zeit – und damit auch Geld. 40.000 bis 45.000 Euro spart sich die Raiffeisenbank Roth-Schwabach jährlich durch den Wegfall der Aktentransporte. „Dieser Betrag ergibt sich alleine aus der Summe der Personalkosten, wenn 25 Mitarbeiter jeden Tag nur zehn Minuten ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, Akten von A nach B zu tragen“, rechnet Staub vor.

Doch die Arbeitszeitersparnis war nur ein Grund von vielen, warum sich die Raiffeisenbank Roth-Schwabach im Sommer 2016 daran machte, ihre Kreditakten zu digitalisieren. „Wir haben uns damals intensiv mit der Digitalisierungsstrategie unserer Bank beschäftigt. Die Bankenwelt und die Kundenkommunikation werden zunehmend digital und papierlos, schauen Sie sich nur das Onlinebanking oder die Videoberatung an“, sagt Staub. Darauf wollte sich die Bank vorbereiten. „Mit der frühzeitigen Einführung digitaler Prozesse auch in der Marktfolge haben wir die Basis gelegt, um die Online-Kanäle zu unseren Kunden weiter auszubauen“, erklärt der Produktionsleiter.

Zusätzlichen Schub erhielt das Projekt durch den anstehenden Umzug der Hauptniederlassung von der Schwabacher Altstadt in das neue „RaiBa-Center“ direkt an der Autobahn-Ausfahrt Schwabach-Süd (siehe dazu auch den „Profil“-Artikel in Ausgabe 03/2019). Im Altgebäude hielt die Bank alleine drei Archivräume für die Akten vor – in der Summe waren so fast 100 Quadratmeter belegt. Weitere Akten wurden in Wandschränken in den Büros gelagert. Abgesehen davon, dass die Archive aus allen Nähten platzten, wollte die Bank diesen Flächenverbrauch im neuen RaiBa-Center nicht mehr hinnehmen. „Das Vorhalten von Lagerkapazitäten verursacht hohe Kosten. Deshalb sind wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass ein ausreichend dimensioniertes Aktenarchiv im neuen RaiBa-Center zu teuer ist und zu viel Platz verbraucht“, berichtet Staub. Weiteres Sparpotenzial sah die Bank im Wegfall der Druckkosten.

Nachdem die grundsätzliche Entscheidung gefallen war, stießen Staub und sein Kollege Olaf Bößendörfer das Projekt „Digitales Kreditaktenarchiv“ an und banden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Aktivgeschäft, Unternehmensservice und Innenrevision ein. Das Projektteam kam schnell überein, dass sich die Digitalisierung nicht über mehrere Jahre hinziehen, sondern zeitnah innerhalb von zwölf bis 15 Monaten umgesetzt werden sollte, um parallele Aktenwelten zu vermeiden.

220.000 Euro Gesamtkosten

Zur Vorbereitung ließen die Projektverantwortlichen den Bestand an Kreditakten aufnehmen, um abwägen zu können, ob die Bank die Unterlagen selbst digitalisieren und indexieren kann oder ob sie einen Fremdanbieter mit ins Boot holt. „Das war eine klassische Make-or-buy-Entscheidung, die zugunsten eines Fremdanbieters ausgefallen ist“, berichtet Staub. Alles in allem investierte die Raiffeisenbank Roth-Schwabach rund 220.000 Euro in die Digitalisierung ihrer Kreditakten. Darin enthalten sind aber auch die Kosten für den verbleibenden kleinen Archivraum im neuen RaiBa-Center, in dem alle Akten gelagert werden, die aus verschiedenen Gründen im Original aufbewahrt werden müssen.

Trotz der scheinbar hohen Kosten empfiehlt Staub, die Einbindung eines erfahrenen Dienstleisters zu prüfen. Ausschlaggebend war vor allem die gewünschte Umsetzungsqualität, die bei einer Digitalisierung durch eigenes Personal zu viele Ressourcen gebunden hätte. „Das Scannen muss schnell gehen, aber darunter darf die Qualität nicht leiden, denn wir wollen am Ende ja auch alles wiederfinden. Deshalb braucht es Spezialisten, die sofort erkennen, um welche Art von Dokument es sich handelt und wo dieses digital gespeichert werden muss. Objektunterlagen gehören in die Objektakte, Kreditverträge in die Kreditakte und Grundschuld-Zweckerklärungen haben wieder einen eigenen Ordner“, erklärt Staub.

6.350 Kreditakten mit vielen Hundert Blatt Papier

Am Ende standen rund 6.350 Kreditakten zur Digitalisierung an. Die Sammelmappen aus stabilem Pappkarton – passend für Dokumente im DIN-A-4-Format – wurden in Hängeregistern aufbewahrt. „In einfachen Fällen umfasst eine Akte ein paar Blätter, aber bei größeren Krediten können das schon einmal drei Mappen mit bis zu 150 Blatt Papier werden. Bei großen Unternehmen kommen da schnell Unterlagen mit vielen Hundert Seiten und einem Volumen vergleichbar mit fünf bis sechs vollen Leitzordnern zusammen“, sagt Staub. Bis auf wenige, relevante Restunterlagen seien diese Dokumente nun alle digitalisiert.

Umsetzungsqualität ist K.-o.-Kriterium

Nach der Entscheidung für einen Fremdanbieter lud die Bank ausgewählte externe Dienstleister zur Präsentation ein, um die Umsetzungsqualität prüfen zu können. „Das war für uns ein K.-o.-Kriterium“, sagt Staub. Das Rennen machte schließlich der Dienstleister Infoscan aus dem baden-württembergischen Sinsheim. Die digitalen Kreditakten werden im Datenverwaltungssystem der Fiducia & GAD hinterlegt und sind vom Bankarbeitsplatz aus abrufbar. Deshalb war es notwendig, die genossenschaftliche Rechenzentrale zur technischen Vorbereitung der Digitalisierung einzubinden.

Auch Ratiodata bietet Digitalisierung von Kreditakten an

Aus dem genossenschaftlichen Lager bietet die Ratiodata die Digitalisierung von Kreditakten an. Siehe dazu auch den Beitrag über die Digitalisierung der Kreditakten bei der VR-Bank Werdenfels in „Profil“ 01/2021.

Schließlich stand noch die Entscheidung an, welche Unterlagen nach der Digitalisierung trotzdem weiter im Original aufbewahrt werden sollen. Dabei orientierte sich die Bank an den Empfehlungen des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) zu rechtlichen und prüfungsrelevanten Gesichtspunkten der elektronischen Archivierung von Dokumenten. So verbleiben zum Beispiel neben Verträgen auch Urkunden verschiedener Art weiterhin im Original bei der Bank. Auch Sonderunterlagen wie großformatige Baupläne werden nach wie vor auf Papier aufbewahrt. Dafür gibt es auch im neuen RaiBa-Center einen Archivraum, der allerdings viel kleiner ist als die alten Archivräume in der Schwabacher Altstadt.

Nach einem Workshop mit dem Dienstleister und einer Testphase mit Qualitätscheck begann die Bank im Sommer 2016 mit der eigentlichen Umsetzung. Jede Woche holte der Dienstleister 200 bis 250 Akten ab, im Herbst 2017 war das Projekt abgeschlossen. Mit der Qualität war die Raiffeisenbank Roth-Schwabach zufrieden. „Wir haben laufend Stichproben gezogen. In der Masse haben wir keine Fehler entdeckt“, sagt Staub. Infoscan bewahrte die Akten so lange im Original auf, bis die Bank gecheckt hatte, ob alle Dokumente ordnungsgemäß digitalisiert und richtig zugeordnet wurden. „Erst wenn wir unser Okay gegeben haben, wurden die Originale vernichtet“, sagt der Produktionsleiter.

Stark beschleunigte Abläufe

Die digitalen Kreditakten und ihre sofortige Verfügbarkeit haben die internen Arbeitsabläufe in der Raiffeisenbank Roth-Schwabach stark beschleunigt, resümiert Staub. „Die Kunden übermitteln Unterlagen zunehmend digital, zum Beispiel verschlüsselt per E-Mail. Durch die Ablage im Datenverwaltungssystem der Fiducia & GAD können wir diese intern schneller an die relevanten Stellen weitergeben“, sagt Staub. Außerdem forciert die Bank die Übermittlung von elektronischen Jahresabschlüssen über das einheitliche Standardverfahren „Digitaler Finanzbericht“ (DiFin) der DATEV. Die Angaben aus den Jahresabschlüssen werden direkt im Datenverwaltungssystem archiviert. Das beschleunigt die Analyse der wirtschaftlichen Daten. Auch Pläne, Fotos und Berichte zum Beispiel von Objektbesichtigungen lassen sich so archivieren. „Unsere Sachverständigen machen zum Beispiel selbst Fotos mit ihrem iPad von Objekten und speichern sie direkt in die richtige digitale Ablage. Das macht vieles einfacher“, sagt Staub.

Neue Dokumente auf Papier schickt die Raiffeisenbank Roth-Schwabach weiterhin zur digitalen Archivierung an Infoscan. Das Unternehmen verarbeitet diese dann zeitnah innerhalb von fünf Arbeitstagen. „Daneben ist es aber auch möglich, die Unterlagen selbst zu digitalisieren“, sagt Staub. Online von Kunden eingereichte Unterlagen stehen bis zur finalen Archivierung auf einem separaten Laufwerk zur Verfügung, das auch Marktmitarbeiter einsehen können. Sofern Unterlagen zum Dienstleister gehen und noch nicht digital im Archiv existieren, können diese jederzeit kurzfristig wieder zurückgefordert werden.

70 Prozent weniger Papierverbrauch

Zusammenfassend bieten digitale Kreditakten zahlreiche Vorteile für die Bank und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hat Staub festgestellt. Die wichtigsten Punkte aus seiner Sicht:

  • Bei digitalen Kreditakten lassen sich viele Prozesse automatisieren und damit optimieren. So können zum Beispiel Dokumente mit einem elektronischen Stempel versehen oder Löschläufe nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen von Unterlagen automatisiert durchgeführt werden. Das reduziert den manuellen Aufwand erheblich.
  • Die Revisionssicherheit ist auch bei einem elektronischen Kreditarchiv gegeben, wenn unter anderem die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD) beachtet werden.
  • Ein digitales Kreditarchiv benötigt signifikant weniger Raumkapazität in der Bank, da deutlich weniger Dokumente physisch aufbewahrt werden.
  • Die Wegezeiten der Mitarbeitenden sind erheblich kürzer, da kein Aktentransport mehr notwendig ist.
  • Der Papierverbrauch sinkt enorm, da viele Unterlagen, wie zum Beispiel Bilanzen von den Kunden ohnehin digital eingereicht werden und nicht mehr ausgedruckt werden müssen. Das hilft den Banken dabei, nachhaltiger zu werden. „Unser Papierverbrauch ist um rund 70 Prozent gesunken. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern spart erhebliche Kosten“, sagt Staub.
  • Die Mitarbeiter im Markt und in der Marktfolge können räumlich und zeitlich eigenständiger arbeiten, da sie von überall auf die zentral gespeicherten elektronischen Kreditakten zugreifen können. Sie sind nicht mehr darauf angewiesen, dass die benötigten Unterlagen physisch an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen beziehungsweise erst angefordert werden müssen. So lassen sich mobiles Arbeiten beziehungsweise Homeoffice viel leichter umsetzen. In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig das sein kann, um den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens aufrechtzuerhalten.
  • Weil sowohl Markt als auch Marktfolge eigenständig im elektronischen Kreditarchiv recherchieren können, sinkt der Abstimmungsbedarf zwischen den Einheiten erheblich. Auch das spart Zeit.
  • Prüfungen durch die interne und externe Revision lassen sich durch die elektronischen Kreditakten ebenfalls optimieren, da dem Prüfer die benötigten Unterlagen digital zur Verfügung gestellt werden können. So muss dieser nicht mehr persönlich anwesend sein.

Zeitintensive Projektarbeit

Staub warnt jedoch davor, den Aufbau eines elektronischen Kreditarchivs zu unterschätzen. „Die Projektarbeit ist sehr zeitintensiv, weil sich das Projektteam zum Beispiel immer wieder mit dem Dienstleister sowie der Fiducia & GAD abstimmen muss. Auch die Vorbereitung der Papierakten für den wöchentlichen Abtransport durch den Dienstleister verschlingt viel Zeit und bindet ohnehin knappe Kapazitäten in der Bank. Deshalb ist es wichtig, die vorhandenen Ressourcen genau zu steuern“, sagt Staub. Ein wichtiger Aspekt ist auch der Paradigmenwechsel bei den Arbeitsweisen im Markt und vor allem in der Marktfolge. „Das ist eine ganz neue Arbeitswelt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an die sie sich erst gewöhnen müssen“, sagt Staub. Das erfordere eine hohe Führungsintensität sowohl bei der Umstellung, aber auch nach der Einführung der elektronischen Kreditakten. „Eine anfängliche Skepsis und Widerstände in der Belegschaft sind normal“, sagt der Produktionsleiter.

Anderen Kreditgenossenschaften, die ebenfalls über ein elektronisches Kreditarchiv nachdenken, rät Staub deshalb, betroffene Mitarbeiter frühzeitig in die Projektarbeit einzubinden. Wenn diese eigene Impulse einbringen können, kämen möglicherweise Vorbehalte und Zweifel, die sonst später mühsam wieder ausgeräumt werden müssten, gar nicht auf. Staub hat aber auch noch ein paar andere Tipps parat:

  • „Ein so großes Projekt will gründlich vorbereitet werden“, sagt der Produktionsleiter der Raiffeisenbank Roth-Schwabach. Er schlägt deshalb vor, die einzelnen Meilensteine und den Zeitplan des Projekts in einer gesonderten Projektgruppe zu planen.
  • Damit sowohl bei der Digitalisierung der Kreditakten als auch hinterher sauber gearbeitet werden kann, sollte gleich zu Beginn des Projekts eine konkrete Aktenstruktur mit durchdachten Dokumentenklassen festgelegt werden. „So wissen alle betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sofort, wo welche Dokumente abgelegt werden müssen beziehungsweise wo sie zu finden sind“, sagt Staub.
  • Nachdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der Marktfolge durch die Digitalisierung der Akten viel mehr am Bildschirm arbeiten, ist eine Ausstattung des Arbeitsplatzes mit adäquater Hardware unbedingt erforderlich. „Zwei Bildschirme mit mindestens 27 Zoll Durchmesser sollten es schon sein“, schlägt Staub vor.

Im Rückblick die richtige Entscheidung

Rückblickend sei die Entscheidung zur Digitalisierung der Kreditakten absolut richtig gewesen, sagt Staub. „Unser elektronisches Archiv ist Gold wert, weil es unsere tägliche Arbeit enorm erleichtert. Da war jeder Euro gut investiert.“ Solche Projekte ließen sich jedoch nur dann erfolgreich umsetzen, wenn in der Bank der Wille vorhanden sei, gewohnte Abläufe aufzugeben, um etwas Neues zu gestalten.  Wer zu lange mit notwendigen Veränderungen warte, laufe dem Wettbewerb langfristig hinterher. „Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir Prozesse neu ausrichten und verschlanken. Je eher, desto besser. Das erfordert Mut in der Umsetzung, aber ohne geht es nicht“, sagt Staub. Auch bei der Raiffeisenbank Roth-Schwabach gab es anfänglich Widerstände gegen die Digitalisierung der Kreditakten. Heute sage keiner mehr etwas dagegen, berichtet Staub. „Wenn ich jetzt die Mitarbeiter frage, sind selbst die vormaligen Zweifler voll von dem neuen System überzeugt.“

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