Sonnenstrom: Die Energiegenossenschaft Inn-Salzach eG investiert trotz sinkender Förderung weiter in Photovoltaik-Projekte – und verdient damit Geld. Wie geht das?
Herr Leißl, welche Vorteile bieten Genossenschaften für die Energiewende?
Alexander Leißl: Genossenschaften sind der Goldstandard für echte Bürgerbeteiligung. Die Genossenschaft ist durch ihren Förderauftrag prädestiniert für Energieprojekte. Sie bietet Leistungen an, die der Einzelne kaum allein stemmen könnte. Bei Nahwärmegenossenschaften – einer unserer Boom-Branchen – sichern sich die Mitglieder langfristig kostengünstige und nachhaltige Energie aus regenerativen Quellen. Das „One Man, One Vote“-Prinzip sorgt für demokratische Entscheidungen: Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung. Ein- und Austritt sind unbürokratisch, es braucht weder Notar noch Mindestkapital, und die Haftung ist auf den eigenen Geschäftsanteil begrenzt.

Im Interview erklärt GVB-Vorstandsmitglied Alexander Leißl, warum Genossenschaften prädestiniert für Energieprojekte sind. Foto: GVB / Lennart Preiss
Wie entwickeln sich Energiegenossenschaften in Bayern?
Leißl: Aktuell gibt es 346 Energiegenossenschaften mit 120.000 Mitgliedern – von der Anzahl der Genossenschaften her die größte Branchengruppe in unserem Verband. Das Gründungsgeschehen ist beeindruckend: 2023 hatten wir 44 Neugründungen, ein Rekord. 2024 waren es 23. Seit 2008 weist dieser Sektor ein kontinuierliches Wachstum auf und war maßgeblich verantwortlich für den Gründungsboom von Genossenschaften in Bayern.
Welche innovativen Projekte sind besonders hervorzuheben?
Leißl: Da gibt es verschiedene Beispiele. Ein besonders erwähnenswertes ist ein Photovoltaikpark in Bundorf mit insgesamt 125 MW, an der die Egis eG mit 30 Prozent beteiligt ist. Dort wird eine Kombination aus Solarstrom und Biomasse umgesetzt, mit Wärmepumpen kombiniert, sodass Wärme- und Stromversorgung erfolgt – ergänzt durch E-Ladeinfrastruktur.
Die mit Abstand größte Gruppe unter den Energiegenossenschaften bilden die Nahwärmegenossenschaften, die Wärmenetze betreiben und oft auch gleichzeitig für schnelles Internet durch Verlegung von Glasfaseranschlüssen sorgen.
Wie können Volksbanken und Raiffeisenbanken die Energiewende vorantreiben?
Leißl: Ihre Stärke liegt in der Vernetzung. Die VR-Banken sind lokal bestens eingebunden und können relevante Akteure in Politik und Region zusammenbringen, um neue Projekte anzustoßen und für die Bürgerbeteiligung in Form einer Genossenschaft zu werben. Sie bieten deutlich mehr als nur den Finanzierungsbaustein – obwohl dieser natürlich auch wichtig ist. Wir als GVB unterstützen die Banken mit Finanzierungsleitlinien für diesen speziellen Sektor. Einige VR-Banken haben sich bereits früh auf erneuerbare Energien spezialisiert und verfügen über besondere Expertise.
Welche regulatorischen Hürden bestehen derzeit?
Leißl: Im bayerischen Beteiligungsgesetz, das aktuell im Landtag diskutiert wird, sind nur Ausgleichszahlungen für Kommunen vorgesehen, nicht für beteiligte Bürger – das hemmt die Akzeptanz. Bei Agri-PV fehlt noch die beihilferechtliche Genehmigung der EU, wodurch keine staatlichen Förderungen angeboten werden können. Bei Windenergie werden Flächen in Bayern durch die bayerischen Staatsforste ausgeschrieben, wobei der Preis das Hauptvergabekriterium bleibt, was Bürgerenergiegenossenschaften benachteiligt. Und die 10H-Regelung bremst trotz einiger Ausnahmeregelungen weiterhin den Ausbau der Windenergie in Bayern.
Wie fördern Bürgerenergiegenossenschaften die lokale Akzeptanz?
Leißl: Der entscheidende Vorteil gegenüber einem anonymen Investor: Jeder Betroffene kann selbst zum Akteur werden. Wenn ein Energieprojekt vor Ort realisiert wird, ist zwar jeder Anwohner betroffen, aber durch die Genossenschaft wird er zum Projektbeteiligten.

Die Bürger Energie Gemeinschaft Isental ist einer der 23 Energiegenossenschaften, die im Jahr 2024 gegründet wurden. Foto: BEG Isental eG
Ihre Vision für 2030?
Leißl: Unsere Vision für Bayern ist, dass die bayerischen Energiegenossenschaften zu den zentralen Treibern der regionalen Energiewende werden. Unser Anliegen als GVB ist, dass sich die meisten Energieprojekte in Bürgerhand befinden. Genossenschaften sollen dazu beitragen, dass Bayern seine Energieziele vorzeitig erreicht und den Import von Energieträgern aus anderen Bundesländern deutlich reduzieren kann.
Wir sehen den GVB als zentralen Akteur in diesem Netzwerk, der einen großen Beitrag dazu leisten kann, diese Vision zu verwirklichen. Wichtig ist, dass die Bürgerbeteiligung, wie wir sie uns vorstellen, auch im bayerischen Beteiligungsgesetz verankert wird.
Dieses Interview erschien zuerst im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt, Heft 13 / 28. März 2025.