Impulsgeber: Was hat den Genossenschaftsverband Bayern und seine Mitglieder im vergangenen Jahr bewegt? GVB-Präsident Stefan Müller zieht Bilanz.
Bayerns Genossenschaften blicken auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Die Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat haben sowohl bei den Kundeneinlagen als auch den Krediten zugelegt und unter dem Strich ein Ergebnis von 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Auch die Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften haben Umsatzzuwächse erzielt, und das fast über alle Branchen hinweg. Seit Jahren trotzen die genossenschaftlichen Unternehmen den widrigen wirtschaftlichen Umständen, egal ob es die Corona-Krise, der Ukraine-Krieg oder die Zinswende war.
Stabilität, Solidität und langfristiges Denken gehören zum Wesenskern der Genossenschaften. Die genossenschaftliche Prüfung durch den Genossenschaftsverband Bayern (GVB) trägt ihren Teil dazu bei, dass dies auch so bleibt. Sie ist ein zentrales Element zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Solidität, rechtlichen Ordnungsmäßigkeit und zukunftsgerichteten Ausrichtung. Sie schützt nicht nur das Vertrauen der Mitglieder, sondern stärkt auch die Gemeinschaft der Genossenschaften als Ganzes. In diesem Sinne waren unsere Prüferinnen und Prüfer zusammen an über 42.000 Tagen bei unseren Mitgliedern im Einsatz.
Prüfung auf der Höhe der Zeit
Wir prüfen auf der Höhe der Zeit, und den wirtschaftlichen Herausforderungen angemessen. Dieser Anspruch verpflichtet uns dazu, uns stetig weiterzuentwickeln. Gerade im Bankenbereich, aber auch in der Energie- und Landwirtschaft, wird die Komplexität der Regulierung immer größer. So hat beispielsweise die DORA-Verordnung für die Banken eine Vielzahl neuer Vorgaben bezüglich Prozessen, Strukturen und vertraglichen Vereinbarungen mit Dritten rund um IT-Dienstleistungen mit sich gebracht, die bis Mitte Januar 2025 umgesetzt werden mussten. Auch die neuen Kapitalanforderungen der CRR III haben die Banken intensiv beschäftigt. Die letzten MaRisk-Novellen haben die Komplexität ebenfalls erhöht, indem mit ihnen eine Reihe von Richtlinien der europäischen Bankenaufsicht EBA Einzug in die Regulierung der Regionalbanken gehalten haben. Auch die Brüsseler Vorgaben zum Nachhaltigkeitsreporting und zum nachhaltigen Finanzwesen haben die Auflagen für Finanz- und Realwirtschaft massiv erhöht. Der GVB hilft seinen Mitgliedern dabei, den Überblick über die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen zu halten. Die Mitglieder profitieren von der engen Verzahnung des Prüfungsaußendiensts mit den internen Teams im Verband, beispielsweise für Aufsichtsrecht, IT-Audit oder Rechnungslegung. Deren Spezial-Know-how wird auch für die operative Prüfung immer wichtiger.
Als ich meine Verbandsprüferausbildung begonnen habe, konnte ein einzelner Prüfer in der Regel alle Bereiche einer Bank noch selbst unter die Lupe nehmen. Diese Zeiten sind vorbei. Heute sind Expertinnen und Experten beispielsweise für Aufsichtsrecht und Meldewesen, die Gesamtbanksteuerung, das Geldwäschegesetz oder die Depot- und WpHG-Prüfung gefragt, die jeweils ihre spezifischen Fachbereiche prüfen. Der Prüfungsleiter vor Ort führt die Arbeit der Spezialisten zusammen.

Die Prüfung der Genossenschaften wird immer komplexer. Bild: GVB
Mehr Komplexität bedeutet naturgemäß mehr Aufwand. Die zentrale Frage für uns als Prüfungsverband lautet daher: Wie schaffen wir es, dieser Komplexität gerecht zu werden, ohne dass die Prüfungskosten explodieren? Wie in anderen Organisationen auch, liegt die Antwort in der Digitalisierung und Zentralisierung von Aufgaben. Die Prüferinnen und Prüfer können durch digitale Zugänge mehr Prüfungen aus der Ferne vornehmen. Das spart Zeit und Reisekosten. Und indem wir Daten zentral analysieren, unter Zuhilfenahme von Künstlicher Intelligenz, entlasten wir die Prüfungsteams vor Ort von Standard-Prüfungshandlungen. Sie gewinnen dadurch mehr Zeit, um auf die Spezifika des jeweiligen Unternehmens einzugehen und dort genau hinzusehen, wo es für die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage am relevantesten ist.
Die Kostenstruktur wird sich durch diesen Ansatz verändern: Während die veranschlagten Prüfertage tendenziell weniger werden, steigen die Aufwände für IT-Infrastruktur und zentrale Prüfungshandlungen.
Auch in der Prüfung der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften setzen wir auf Digitalisierung. Mit der Anwendung „MIKA“ bieten wir kleinen Genossenschaften an, ihre Unterlagen digital einzureichen. Die Prüfung wird dann komplett digital abgewickelt. Das entlastet sowohl die Mitglieder als auch die Prüferinnen und Prüfer und hilft, die Prüfungen schneller und effizienter abzuwickeln. Mittlerweile haben schon etwa die Hälfte der derzeit angesprochenen Genossenschaften das neue Angebot zur digitalen Abwicklung genutzt.
„In der individuellen Betreuung bleibt die Präsenz vor Ort unerlässlich.“
Die Digitalisierung in der Prüfung ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Digitalisierung der Kundenbeziehung in den Banken: Der „Servicebetrieb“ in der Filiale der Banken wird stärker durch Omnikanal-Betreuung ersetzt. In der individuellen Betreuung bleibt aber die Präsenz vor Ort unerlässlich. So ist es auch bei uns in der Prüfung: Denn die betreuende Prüfung bleibt unser Leitbild. Wir verstehen uns nicht nur als Prüfer, sondern vielmehr als Sparrings-Partner. Unsere Prüfer sind nicht nur mit Akten und dem Rückblick auf das abgelaufene Geschäftsjahr beschäftigt, sondern tauschen sich intensiv mit Aufsichtsrat, Vorstand und Führungskräften aus, sie identifizieren nicht nur Schwachstellen, sondern zeigen auch mögliche Lösungsansätze auf. Sie weisen auf künftige regulatorische Entwicklungen hin und helfen den Mitgliedern damit, sich frühzeitig auf neue Vorgaben einzustellen. Ein Beispiel hierfür: Die Wirtschaftsprüfer des Verbands schulen regelmäßig Vorstände, Aufsichtsräte und Innenrevisoren zu aktuellen regulatorischen Themen wie Meldewesen und Gesamtbanksteuerung. Auch die prüfungsnahen Beratungsleistungen gehören hier dazu, die über eine eigene rechtliche Einheit, die Geno Corporate Services (GCS) abgewickelt werden. So bietet die GCS beispielsweise an, Banken auf Sonderprüfungen nach §44 Kreditwesengesetz vorzubereiten.
Die Prüferinnen und Prüfer bleiben die wichtigste Verbindung vor Ort zu unseren Mitgliedern. Und zugleich sind sie auch ein wichtiger Hinweisgeber für die Arbeit in der Interessenvertretung des Verbands. Sie erfahren aus erster Hand, welche Probleme in der Umsetzung von regulatorischen Vorgaben entstehen. Dieses Praxiswissen können wir in der in Gesprächen mit Politik und Aufsicht einbringen, um auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen hinzuarbeiten.
Die Prüfung entwickelt sich stetig weiter, um den aktuellen und künftigen wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen gerecht zu werden. Gerade in konjunkturell schwierigen Phasen wie derzeit ist die Prüfung sehr wichtig, um frühzeitig auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und damit die Stabilität der Genossenschaften und des genossenschaftlichen Verbunds zu sichern. So ist aktuell beispielsweise aufgrund der wirtschaftlichen Lage ein deutlicher Anstieg der Adressausfallrisiken bemerkbar, auf den wir auch in der Prüfung künftig einen noch stärkeren Fokus legen werden.
Verstärkte Schulung der Aufsichtsräte
Aber die Prüfung allein kann Stabilität nicht garantieren. Jede Genossenschaft ist ein eigenständiges Unternehmen und fällt ihre eigenen unternehmerischen Entscheidungen. Verantwortlich für diese Entscheidungen sind die Organe der Genossenschaft – also Vorstand, Aufsichtsrat und Vertreter- beziehungsweise Generalversammlung. Erst im Zusammenspiel von Prüfung mit den Organen entsteht Stabilität. Dabei kommt den Aufsichtsräten eine besondere Bedeutung zu. Es ist letztlich ihre Verantwortung, Rückschlüsse aus den Ergebnissen des Prüfungsberichts zu ziehen. Deshalb arbeiten wir intensiv daran, die Schulung von Aufsichtsräten zu verstärken, um sie in die Lage zu versetzen, ihrer verantwortungsvollen Rolle auch in Zukunft gerecht zu werden.
Stabilität sichert man nur gemeinsam – indem jeder seiner Verantwortung gerecht wird und seinen Beitrag zur Solidität des Genossenschaftswesens leistet: Vom Bankberater bis zum Vorstand und zum Aufsichtsrat, vom Prüfungsassistenten bis zum Wirtschaftsprüfer, vom einzelnen Unternehmen bis zum genossenschaftlichen Verbund. Einmal mehr gilt auch hier: Zusammen schafft man mehr als alleine.