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Der Verbraucherzentrale Bundesverband, aber auch Verbraucherzentralen der Länder haben Prozesse gegen Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken angestrengt, um die Zulässigkeit von Verwahrentgelten klären zu lassen. Dabei stützen sich die Verbraucherschützer auf das Unterlassungsklagegesetz (UKlaG). Die Bank habe es zu unterlassen, sich auf die mit den Kunden getroffenen Verwahrentgeltvereinbarungen zu berufen. Im Falle der Zuwiderhandlung soll eine Vertragsstrafe fällig werden. Unterliegt die Bank in dem Rechtsstreit, soll sie sämtliche Verwahrentgelte an die Kunden zurückzahlen.

Die Frage lautet: Inhaltskontrolle Ja oder Nein?

Bei Regelungen im Preis- und Leistungsverzeichnis und bei vorformulierten Verträgen, die mit dem Kunden geschlossen werden, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Diese unterliegen einer sogenannten Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Damit ist die inhaltliche Überprüfung einzelner Klauseln oder der gesamten AGB auf ihre Wirksamkeit gemeint.  § 307 Abs. 3 S. 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Regelungen in den AGB, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Hierunter fallen weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung.

Der Inhaltskontrolle unterworfen sind jedoch Preisnebenabreden ohne echte (Gegen-)Leistung, die lediglich allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten sowie sonstigen Aufwand, der im eigenen Interesse liegt, auf den Kunden abwälzen.

Die entscheidende Frage lautet also: Bepreisen Verwahrentgeltsklauseln eine eigenständige Leistung oder handelt es sich lediglich um eine Preisnebenabrede? Bei einer eigenständigen Leistung wären die Klauseln von einer Kontrolle ausgenommen, die Erhebung von Verwahrentgelten wäre rechtlich unkritisch. Bei einer Nebenabrede würden die Klauseln einer Kontrolle unterliegen. Damit würde sich auch die Frage der Rechtmäßigkeit stellen. Verschiedene Gerichte vertreten dazu zwei konträre Meinungen.

Meinung 1: Verwahrentgelt ist eine eigene Leistung

Verschiedene Gerichte gehen davon aus, dass Verwahrentgeltsklauseln nicht zu kontrollieren sind. Der Girovertrag sei unter anderem ein Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675f Abs. 2 BGB. Hauptleistungspflichten seien die vom Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zu erbringenden Zahlungsdienste. Der Girovertrag als Rahmenvertrag könne aber mit weiteren Verträgen verbunden sein und weitere Hauptleistungspflichten enthalten. Er sei eine rechtlich und technisch weiterentwickelte Form des einfachen Zahlungskontos. Umfasst seien regelmäßig weitere Bankdienstleistungen wie das Kreditgeschäft, das Wechsel- und/oder Scheckinkasso, die Nutzung einer Kreditkarte und/oder einer Debitkarte, insbesondere jedoch die unregelmäßige Verwahrung von Geldern.

Weil der eigentliche Zahlungsdiensterahmenvertrag auf Zahlungsdienste gemäß § 675c Abs. 1 BGB beschränkt sei, könnten Tätigkeiten, die keine Zahlungsdienste sind, nicht als unselbstständige Vertragsbestandteile eingeordnet werden. § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB stelle ausdrücklich fest, dass die Erbringung weiterer Bankdienstleistungen über die bloße Kontoführung und die Abwicklung von Zahlungsaufträgen hinaus bei einem Zahlungsdiensterahmenvertrag zulässig ist. Die Darlehens- und Verwahrfunktion des Girokontos sei für den Girovertrag charakteristisch und damit Hauptleistungspflicht. Folglich sei die Vereinbarung eines Verwahrentgelts als Preis einer unregelmäßigen Verwahrung möglich. Die Verwahrung sei kein notwendiger Bestandteil des Zahlungsdienstes, sondern eine eigenständige, bepreisungsfähige Abrede unter dem Dach des Girovertrags.

Kurz gesagt: Verwahrentgeltsklauseln seien, sieht man vom Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ab, nicht auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Diese bankfreundliche Auffassung wird unter anderem vom Landgericht München I (Urteil vom 20. März 2023, AZ: 22 O 2030/21), vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 30. März 2023, AZ: I-20 U 16/22) sowie vom Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 30. März 2023, AZ: 8 O 1389/21) vertreten. Die Gerichte gehen auch davon aus, dass keine „unzulässige Doppelbepreisung“ vorliegt, weil gleichzeitig ein Verwahrentgelt und ein Kontoführungsentgelt erhoben werden. Das Verbot der „unzulässigen Doppelbepreisung“ wird auf § 675f Abs. 5 Satz 1 gestützt. Die Vorschrift sei aber nicht anwendbar, da es sich bei der Verwahrung um keinen Zahlungsdienst handle.

Meinung 2: Verwahrentgelt ist eine Nebenabrede

Andere Gerichte vertreten die Auffassung, dass Verwahrentgeltsklauseln einer Inhaltskontrolle unterliegen. Die Klausel bestimme weder unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch das Entgelt für eine nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Es liege eine Preisnebenabrede vor. Die Verwahrung von Geldern mache die Erbringung diverser Zahlungsdienste erst möglich. Die Verwahrung von Sichteinlagen sei im Hinblick auf die Vorschusspflicht des § 669 BGB eine Voraussetzung für die Durchführung von Zahlungsdiensten. Eine Sonderleistung liege nicht vor, da die Verwahrfunktion im Girovertrag enthalten sei.

Bejaht man das Vorliegen eines bloßen Nebenleistungsentgelts, gilt § 307 Abs. 2 BGB. Danach ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung und damit eine Unwirksamkeit der Klausel anzunehmen, wenn diese wesentlich von der zugrundeliegenden gesetzlichen Regelung abweicht und mit deren Grundgedanken nicht mehr zu vereinbaren ist. Ein Verwahrentgelt sei mit dem Leitbild der unregelmäßigen Verwahrung nach § 700 BGB nicht vereinbar. § 700 Abs. 1 Satz 2 BGB verweise für die Hinterlegung von Geld auf die Vorschriften über den Darlehensvertrag. Beim Darlehensvertrag trage die Zinszahlungspflicht der Darlehensnehmer (Bank) und nicht der Kunde als Darlehensgeber (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit liege eine unangemessene Benachteiligung vor. Im Übrigen führe auch eine Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis. Die Klausel sei unwirksam, das Verwahrentgelt zu erstatten. Diese Ansicht wird vom Landgericht Berlin (Urteil vom 28. Oktober 2021, AZ: 16 O 43/21), dem Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 18. November 2022, AZ: 2-25 O 228/21) und dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28. Oktober 2022, AZ: 7 O 566/21) vertreten.

Abschließendes Urteil erst für 2024 erwartet

Abschließend wird erst der Bundesgerichtshof über die Zulässigkeit von Verwahrentgelten entscheiden. Dessen Urteil wird für das Jahr 2024 erwartet. Die Geno Recht München Rechtsanwalts GmbH betreut gegenwärtig ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht München und ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Nürnberg.


Frank Pape ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht beim Genossenschaftsverband Bayern.

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