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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen ist in der Corona-Krise gesunken. Allerdings war der Rückgang in den meisten Fällen moderat.
  • Von einem starken Rückgang sprechen nur sechs Prozent der Unternehmen. Knapp jede zehnte Firma berichtete sogar von einem Anstieg des Eigenkapitals.
  • Die Wissenschaftler des ifo Instituts fanden jedoch ein sehr heterogenes Bild vor. Besonders die kleinsten 25 Prozent kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) berichten von starken Problemen und Risiken.
  • Eine durch die Corona-Krise ausgelöste Insolvenzwelle ist nicht zu erwarten.
  • Um das Eigenkapital der Unternehmen zu stärken, bietet sich nach Ansicht des ifo Instituts eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags an.

Herr Professor Peichl, Sie haben im Auftrag der IHK für München und Oberbayern untersucht, wie sich die Corona-Krise auf die Eigenkapitalsituation von Unternehmen ausgewirkt hat. Was sind Ihre zentralen Ergebnisse?

Andreas Peichl: Die Ergebnisse zeigen eine über alle Sektoren im Durchschnitt sinkende Eigenkapitalausstattung. Allerdings berichtet nur ein Drittel aller Firmen von einer sinkenden Eigenkapitalquote. Auch war der Rückgang in den meisten Fällen moderat. Von einem starken Rückgang berichten lediglich sechs Prozent der Firmen. Knapp jede zehnte Firma berichtete sogar von einem Anstieg ihres Eigenkapitals. Insofern gibt es ein recht heterogenes Bild, das deutlich weniger besorgniserregend ist, als wir befürchtet hatten.

Welche Unterschiede stellen Sie zwischen verschiedenen Branchen fest?

Peichl: Wir sehen einen deutlichen Zusammenhang zwischen negativer Entwicklung im Auftragsbestand beziehungsweise der Geschäftslage und der Eigenkapitalquote. Von der Corona-Krise besonders betroffene Sektoren wie das Gastgewerbe, die Reisebranche oder der Kunst- und Unterhaltungssektor berichten auch über deutlich höhere Einbrüche beim Eigenkapital. Es wird ebenfalls sichtbar, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht nur häufiger Probleme mit ihrem Eigenkapital haben als Großunternehmen, sondern auch höhere Insolvenzrisiken. Diese Tendenz ist besonders bei den kleinsten 25 Prozent der KMU sichtbar.
 

IHK: Steuerlichen Verlustrücktrag ausweiten

Die Studie „Eigenkapitalentwicklung im Zeichen der Corona-Krise“ wurde Ende Februar 2021 vom ifo Institut und der IHK für München und Oberbayern vorgestellt (hier geht’s zur Pressemitteilung und hier direkt zur Studie). Wichtig sei nun, das Eigenkapital insbesondere kleiner Firmen zu stärken, so die IHK München. Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl: „Das Ergebnis der Studie unterstreicht unsere Forderung an die Politik: Sie muss mit einem deutlich ausgeweiteten steuerlichen Verlustrücktrag auf drei, besser noch fünf Jahre die Finanzlage der stark von Corona betroffenen Unternehmen stützen. Wenn der Staat in guten Zeiten Steuereinnahmen von den Gewinnen abschöpft, sollte er in einer Jahrhundertkrise großzügiger als bisher eine Verrechnung mit den aktuell auflaufenden Verlusten erlauben.“ Neben der temporären Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags benötige der kleine Mittelstand auch einfacher zugängliche Nachrangdarlehen, so die IHK.

Sind die Entwicklungen bei der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen allein durch die Corona-Krise bedingt?

Peichl: Rückgänge beim Eigenkapital spiegeln sich auch in Einbrüchen bei der Geschäftslage und dem Auftragsbestand wider. Allerdings gibt es Unterschiede in der Vorkrisenentwicklung der Sektoren. Während manche Branchen stabile Vorkrisentrends verzeichneten, zeigten andere, die jetzt von einem stärkeren Eigenkapitalrückgang betroffen sind, bereits vor der Corona-Krise negative Entwicklungen. Dazu gehört zum Beispiel die Metallerzeugung und -verarbeitung. Umgekehrt standen Unternehmen, deren Eigenkapital sich auch in der Corona-Krise positiv entwickelt hat, schon wenige Monate nach dem ersten Lockdown besser da als vor dem Lockdown.

„Glücklicherweise haben die deutschen Unternehmen die Zeit vor der Corona-Krise für den Eigenkapitalaufbau genutzt.“

Erwarten Sie durch die Corona-Krise eine Insolvenzwelle?

Peichl: Glücklicherweise haben die deutschen Unternehmen die Zeit vor der Corona-Krise für den Eigenkapitalaufbau genutzt. 2018 betrug die durchschnittliche Eigenmittelquote 31 Prozent, ein Anstieg von elf Prozentpunkten seit 1997. Außerdem sind momentan drohende Insolvenzen vor dem Hintergrund einer seit 2009 stetig fallenden Zahl von Unternehmenspleiten und einer steigenden Anzahl von Neugründungen kleiner Firmen im Corona-Jahr zu bewerten. Selbst wenn es zu einem Anstieg von Insolvenzen kommt, sobald die aktuell geltenden Sonderregeln für eigentlich zahlungsunfähige Unternehmen aufgehoben werden, kann dies einen nachholenden Charakter haben. Auch die Bundesbank erwartet keine drastischen Kreditausfallrisiken wegen steigender Insolvenzen. Banken haben ebenfalls vorgesorgt. Allerdings zeigen die Studiendaten hier insbesondere Risiken bei kleinen Firmen. Besonders die kleinsten 20 bis 25 Prozent der KMU berichten von deutlich mehr existenzbedrohenden Risiken als größere Firmen.
 

Wie wirkt sich die unterschiedliche Eigenkapitalausstattung auf die Finanzierungssituation der Unternehmen aus?

Peichl: Das Eigenkapital ist Stand November 2020 nicht die hervorstechendste Sorge der befragten Firmen, sondern andere Felder wie staatliche Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie, der inländische Absatzmarkt oder das Personal. Auch Kreditmärkte funktionieren nach wie vor. Es ist also möglich, Fremdkapital aufzunehmen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Allerdings sehen wir auch hier bei den kleinsten 20 bis 25 Prozent der KMU, dass die Finanzlage eine etwas größere Beeinträchtigung darstellt. Auch wenn hier momentan noch keine Finanzierungsschwierigkeiten sichtbar sind, ist dies sicherlich der Sektor der Unternehmen, der theoretisch in Schwierigkeiten kommen könnte. Dies sollte laufend bewertet werden.

Welche Handlungsmöglichkeiten hat die Politik, um die Eigenkapitalsituation der Unternehmen kurzfristig zu verbessern?

Peichl: Die Politik kann das Eigenkapital von Unternehmen auf vielfältige Art und Weise verbessern: durch steuerliche Entlastungen, Notfallprogramme, als stiller Einleger und mehr. Die zentrale Frage ist die Zielgenauigkeit solcher Maßnahmen. Mehrere Ziele müssen gleichzeitig erfüllt werden. Es sollten idealerweise jene Firmen unterstützt werden, die vor der Krise profitabel gewirtschaftet haben und dies auch nach der Krise wieder können, und die in Deutschland Steuern zahlen und dies auch nach der Krise wieder tun. Damit werden die Maßnahmen fiskalisch nachhaltig. Unterstützung brauchen auch jene Firmen, die tatsächlich durch die Corona-Krise beim Eigenkapital in Schwierigkeiten geraten sind.

„Es ist vor allem darauf zu achten, dass beschlossene und versprochene Hilfen auch schnell ausgezahlt werden. Insbesondere kleine Firmen können nicht auf Verzögerungen warten.“

Wie bewerten Sie diese Handlungsoptionen aus ökonomischer Sicht?

Peichl: Es gibt bereits eine ganze Reihe sinnvoll aufgesetzter Programme, beispielsweise durch die staatliche Förderbank KfW. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass versprochene und beschlossene Hilfen auch schnell ausgezahlt werden. Insbesondere kleine Firmen können nicht auf Verzögerungen warten. Abgesehen davon bewerten wir die zeitweise Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags als positiv. Dieser ermöglicht es Unternehmen, Profite in der Vergangenheit mit Verlusten in der Gegenwart zu verrechnen und so eine niedrigere Steuerbelastung zu erreichen. Das können nur Firmen tun, die in der Vergangenheit profitabel waren und diese Profite auch in Deutschland versteuert haben. Beides macht es wahrscheinlicher, dass sie nach der Krise wieder an alte Profite anknüpfen und darauf auch wieder in Deutschland Steuern zahlen.
 

Sehen Sie beim steuerlichen Verlustrücktrag auch Schattenseiten?

Peichl: Die Frage nach dem tatsächlichen Liquiditätsbedarf wird beim steuerlichen Verlustrücktrag nicht geklärt, darum wird es auch bei einer temporären Ausweitung gewisse Streuungsverluste geben. Diese sind in Krisensituationen schwer zu vermeiden. Der steuerliche Verlustrücktrag ist immer noch zielgenauer als andere Maßnahmen. Festzuhalten ist allerdings, dass diese Ausweitungen zeitweiser Natur sein sollten. Die langfristigen Effekte internationaler Steuerplanungsmöglichkeiten sowie die Verzerrungen, die solche Maßnahmen für die unternehmerische Risikoaufnahme bedeuten können, sind noch nicht ausreichend erforscht.
 

Herr Professor Peichl, vielen Dank für das Gespräch!

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