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Ein modernes Wohnhochhaus in München.

Herr Schneider, die BaFin hat Ende Oktober 2020 klargestellt, was sie unter „spekulativen Immobilienfinanzierungen“ versteht (siehe Kasten). Warum ist das ein großes Thema für die Raiffeisenbank München-Süd?

Heinz Schneider: Das seit Jahrzehnten sehr erfolgreiche Geschäftsmodell unseres Hauses ist auf die Finanzierung von Immobilienobjekten in München und Umgebung ausgerichtet. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei der professionelle Immobilieninvestor, den wir bei der Realisierung seiner Projekte mit Finanzierungsmitteln begleiten. Besonders Bauträgerobjekte und Aufteilungsmaßnahmen machen einen Großteil unseres Finanzierungsgeschäftes aus. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Wohnungsbauprojekte. In diesem für uns besonders wichtigen Geschäftsfeld erzielen wir gute Margen und haben uns über die Jahre eine erstklassige Expertise in der Branche erarbeitet. Das spiegelt sich in einem sehr hohen Neugeschäftsvolumen wider. Und genau das wird durch die neuen Regelungen zu „spekulativen Immobilienfinanzierungen“ zu einer nicht unerheblichen Belastung und Herausforderung für uns. Wir halten die Auslegung der BaFin für Deutschland für zu streng. Die doch sehr deutlichen Unterschiede bei den Immobilienmärkten in Europa bleiben unberücksichtigt.

Harte Auslegung

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat Ende Oktober 2020 auf ihrer Internetseite erläutert, was sie unter „spekulativen Immobilienfinanzierungen“ im Sinne der EU-Eigenkapitalregulierung (CRR) versteht. Demnach müssen Banken für ein Immobiliendarlehen bereits dann ein hohes Risiko annehmen und mit entsprechendem Eigenkapital unterlegen, wenn das Darlehen mit dem Erlös aus dem Verkauf der Immobilie getilgt werden soll. Weder die Bonität des Kreditnehmers noch eine eventuell vorhandene grundpfandrechtliche Besicherung der Immobilie können bei dieser Klassifizierung risikomindernd berücksichtigt werden, so die Auslegung der BaFin. Hierbei beruft sie sich auf eine entsprechende Auslegung in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, an die sich Deutschland anpassen müsse.

Welche Folgen erwarten Sie für die Raiffeisenbank München-Süd?

Schneider: Es kam für uns nicht überraschend, denn wir diskutieren ja schon seit 2017 über die Unterlegung von Hochrisikopositionen mit 150 Prozent. Seit dieser Zeit haben wir immer mal wieder Szenarien berechnet, welche Konsequenzen das für uns haben könnte. Uns war bewusst, dass wir aufgrund unseres Kerngeschäfts in besonderem Maße betroffen sein werden. Wir haben ausgerechnet, dass wir einen stattlichen Millionenbetrag zusätzliches Eigenkapital generieren müssen, wollen wir unsere bisher gute Eigenkapitalausstattung halten. Das ist auf die Schnelle nicht machbar. Realistisch gesehen werden wir durch Stärkung der Rücklagen und Vorsorgereserven, neue Geschäftsguthaben und die Hebung von stillen Reserven in nicht betriebsnotwendigem Immobilienvermögen, die Gott sei Dank in ausreichendem Maße vorhanden sind, die Lücke schließen können.

„Das Potenzial für gesundes Wachstum ist kleiner geworden.“

Kennen Sie die Situation anderer Kreditgenossenschaften mit vergleichbarem Portfolio?

Schneider: Was mich in diesem Zusammenhang wirklich nachdenklich macht ist das Gefühl, dass wir nicht in dem erforderlichen Maße versucht haben, der strengen Auslegung der BaFin entgegenzuwirken. Meines Wissens nach hat es in der genossenschaftlichen Organisation auch zu keinem Zeitpunkt eine Auswirkungsanalyse gegeben. Für die Banken in unserem Kreisverband und bei den befreundeten Banken im Münchner Umland habe ich eine solche Analyse durchgeführt. Neben uns gibt es doch eine Reihe von Kollegen, die wie wir auch in besonderem Maße betroffen sind. Alle werden die Herausforderungen meistern. Aber das Potenzial für gesundes Wachstum ist kleiner geworden.


Können Sie ein Beispiel nennen, um was für Projekte es geht? Wer sind Ihre üblichen Kunden in diesem Bereich?

Schneider: In erster Linie sind es Bauträgerfinanzierungen oder die Finanzierung von Aufteilungsmaßnahmen. Aber auch endfällige Darlehen fallen unter die neuen Regeln, sofern der Kunde eine Verkaufsabsicht hat. Bei konkreter Verkaufsabsicht des Objekts wird ja regelmäßig ein endfälliges Darlehen mit dem Kunden vertraglich vereinbart. In der Kapitaldienstfähigkeit muss deshalb zur Vermeidung des Hochrisiko-Ausweises der Nachweis erbracht werden, dass das Gesamtobligo der Kreditnehmereinheit auch ohne Objektverkauf nachhaltig zurückgeführt werden kann.

Wie schätzen Sie das Risiko solcher Kredite ein?

Schneider: In unserem Geschäftsgebiet für überschaubar. Wir bewerten die Immobiliensicherheiten vorsichtig und haben in unserer Kreditrisikostrategie strenge Maßstäbe für die Höhe der Blankoanteile auf Einzelkreditnehmerebene, wie auch auf Portfolioebene, definiert. Ausnahmen davon sind sehr selten und können immer nur sachgerecht begründet und genehmigt werden. Und wenn Sie sich die Preisentwicklung in unserer Region ansehen, dann kann man sicher von einem hochpreisigen Niveau, aber noch nicht von einer gefährlichen Immobilienblase sprechen. Selbst in den letzten Monaten sind die Preise zumindest stabil, in einigen Regionen sogar weiter gestiegen. Die Nachfrage nach Wohnraum in München und Umgebung wird weiter hoch sein.


Was stört Sie an der Auslegung der BaFin besonders?

Schneider: In einer Stellungnahme des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) auf eine Anfrage unsererseits hieß es, dass die BaFin hier zunächst eine sehr einschränkende Auslegung vorsah. Danach waren nur solche Immobilienfinanzierungen als spekulativ anzusehen, bei denen der Erwerber lediglich auf steigende Marktwerte spekuliert und durch eine positive Spanne zwischen Kaufpreis und Verkaufspreis einen Gewinn erzielen will. Da aber alle anderen Mitgliedsstaaten hier eine weite Auslegung vornahmen, sah sich die BaFin am 30. Oktober 2020 zur Veröffentlichung einer Auslegung gezwungen, nach der grundsätzlich dann eine spekulative Immobilienfinanzierung vorliegt, wenn die finanzierte Immobilie verkauft werden soll. Mit der ursprünglich angedachten Regelung der BaFin hätten wir alle gut leben können. Ich bin jetzt seit 46 Jahren Bankkaufmann. Und es ist gefühlt das erste Mal, dass Deutschland eine europäische Regel weniger streng als der Rest Europas auslegen wollte. Bisher war es gefühlt immer so, dass wir mit „fliegenden Fahnen“ vorangestürmt sind.

„Unsere von Vorsicht geprägte Risikostrategie werden wir nicht ändern.“

Müssen Sie jetzt Ihre Geschäftspolitik bei Immobilienfinanzierungen ändern?

Schneider: In Teilbereichen werden wir sicher eine Neubewertung und gegebenenfalls Änderungen an der bisherigen Kreditvergabepolitik vornehmen. Leider ist es unmöglich, die erhöhten Eigenkapitalkosten in den Kundenzins einzupreisen. Dafür ist der Wettbewerb um die Kunden zu intensiv. Wir beobachten seit Jahren eine zunehmende Bereitschaft von Wettbewerbern weit über unser Geschäftsgebiet hinaus, sowohl beim Zinssatz wie auch bei der Besicherung, den Kunden weitgehende Zugeständnisse zu machen. Das machen wir nicht mit. Lieber verzichten wir auf ein Geschäft. Unsere von Vorsicht geprägte Risikostrategie werden wir nicht ändern.


Was wünschen Sie sich von GVB und BVR?

Schneider: Ich wünsche mir, dass sich der Genossenschaftsverband Bayern und der BVR in den laufenden Gesprächen zu Basel IV dafür einsetzen, dass die Auslegungen der Aufsicht zu den Spekulativen Immobilienfinanzierungen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 79 CRR nochmal überdacht und angepasst werden.

„Für Regionalbanken dürfte es durch die aufsichtsrechtlichen Regelungen immer schwerer werden, in den noch ertragreichen Geschäftsfeldern zu wachsen.“

Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die Klarstellung der BaFin auf Immobilienmärkte wie im Münchner Raum?

Schneider: Ich glaube nicht, dass es Auswirkungen auf den Immobilienmarkt geben wird. Der Markt wird von der weiter steigenden Nachfrage bestimmt. Und es gibt auch mit den verschärften Vorschriften genug Banken, die sich um die „Spekulativen Immobilienfinanzierungen“ reißen werden. Für uns Regionalbanken dürfte es aber angesichts des seit Jahren zunehmenden „Eigenkapitalverzehrs“ durch die aufsichtsrechtlichen Regelungen immer schwerer werden, in den noch ertragreichen Geschäftsfeldern zu wachsen.


Herr Schneider, vielen Dank für das Gespräch!

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