Wein und Musik: Eine Genossenschaft hat das traditionelle Winzerfest im fränkischen Iphofen nicht nur gerettet, sondern für frischen Wind gesorgt. „Profil“ hat die diesjährige Feier besucht.
Frank Dietrich ist zufrieden: „Die Weinlese dieses Jahr war unglaublich schnell. Sie hat ungefähr zwei Wochen gedauert. Das ist Rekord“, erklärt der Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende der Winzergenossenschaft Sommerach auf der malerischen Maininsel. Ende der dritten Septemberwoche wurde die Weinlese offiziell beendet. „Wir wollten unbedingt durch sein, bevor der Regen kommt. Ein paar kleine Flächen fehlen noch, aber da mache ich mir jetzt keine Sorgen.“

Frank Dietrich, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Winzer Sommerach – Die Genossenschaft. Foto: Stefan Bausewein
Wenn die Trauben reif sind, muss man schnell sein. Regen bringt die gereiften Früchte zum Platzen, weil die Beerenhaut ganz dünn wird. Doch nasses Wetter ist nicht die einzige Gefahr für die Winzer. Auch zu viel Sonne hat positive und negative Seiten, erklärt Dietrich: „Wir sind von einer normalen Ernte ausgegangen. Es hat sich gezeigt, dass sie um 15 Prozent geringer ausgefallen ist als in den Jahren davor. Das liegt an der Trockenheit, die genau dann eingesetzt hat, wenn sich die Trauben normalerweise zellteilen. Deswegen haben wir eine kleinere Menge, aber qualitativ einen sehr guten Jahrgang.“
Cool-Climate und Multikrise
Die Mischung aus warmen und kühlen Wetterlagen, ermöglicht es der Winzerkeller Sommerach eG, sogenannte Cool-Climate-Weine herzustellen. Diese eleganten, eher trockenen und mineralisch schmeckenden Weine aus kühleren Weinbaugebieten sind bei Weinkennern heiß begehrt. Mit der alkoholfreien Linie „Katerfrei“ und dem alkoholreduziertem Weißwein „Sommerlaune“ (9,5 Alkoholvolumen-Prozent) sind die Sommeracher Winzer in einer guten Ausgangslage. Dennoch fühlt es sich für viele deutsche und bayerische Winzer aktuell an, als würden von allen Seiten Probleme auf sie einprasseln: Klimakrise, Energiekrise, Inflation, sinkender Weinkonsum und Strukturwandel beschäftigen viele Betriebe. Auch die fränkischen Winzergenossenschaften.
Weniger Ertrag zugunsten besserer Qualität

Gerald Wüst, geschäftsführender Vorstand der Divino eG. Foto: Divino eG
Gerald Wüst, geschäftsführender Vorstand der Divino eG aus Nordheim am Main, macht sich Sorgen um die Konsumlaune der Deutschen. „Ich hätte mir gewünscht, dass mit der neuen Regierung in unserem Land wieder eine positive Aufbruchstimmung einkehrt! Außerdem hätte ich mir von der Politik gewünscht, dass die politischen Baustellen angegangen werden, damit wieder mehr Menschen positiv in die Zukunft schauen. Denn der Konsum hängt stark von der Stimmung der Verbraucher ab. Ist die Stimmung schlecht, dann wird das verfügbare Geld gespart und weniger konsumiert. Insbesondere Wein als Genussartikel spürt solch eine Sparhaltung. Das heißt, unsere Kunden kaufen tendenziell weniger und günstigere Produkte.“
Dennoch ist Wüst optimistisch. Die sommerlichen Temperaturen haben zwar weniger Trauben gebracht als im Vorjahr, aber dafür eine gute Qualität. Lesestart war bereits Ende August. „Auch wenn wir mit 20 Prozent weniger Ertrag nicht zufrieden sind und damit eine kleine Ernte eingefahren haben, wird der 25er-Jahrgang von der Qualität ein ganz Großer werden. Nicht zuletzt deswegen, weil wir für Franken bereits sehr früh mit dem Lesen der Trauben begonnen haben und es so geschafft haben, sehr gesundes Traubenmaterial einzuholen. Die Trockenheit dieses Jahres hat uns gesunde Trauben beschert, jedoch keinen hohen Ertrag.“

Divino-Vinothek in Nordheim am Main: Der 25er-Jahrgang wird von der Qualität ein ganz Großer werden. Foto: DIVINO eG
Leicht und spritzig statt süß und schwer
Ein guter Jahrgang muss die richtigen Oechsle-Grade haben. Oechsle ist die Maßeinheit für die löslichen Stoffe im Traubenmost. Diese Stoffe bestehen Größtenteils aus Zucker. Hat ein Wein viele Oechsle, schmeckt er süß und süffig. Doch viele Oechsle bewirken nach der Gärung einen hohen Alkoholgehalt. Für Gerald Wüst ist die Zeit der schweren, alkoholreichen Weine vorbei: „Seit einigen Jahren erkennen wir einen Trend zu Weißweinen, während Rotweine weniger nachgefragt werden. Das hat auch mit dem warmen Wetter im Sommer zu tun. Wenn es sehr heiß ist, trinkt man keinen schweren, zimmerwarmen Rotwein. Da wir einen Weißweinanteil von 85 Prozent haben, hilft uns dieser Trend, unser Geschäft weiterzuentwickeln.“
Beliebt sind leichte, trockene Weine mit angenehm säuerlichem Geschmack. Das passt gut zur Tendenz der Verbraucher, eher gesund zu leben und weniger bis gar keinen Alkohol zu trinken. Mit der beliebten Linie „Frei“, die als Weißwein-Cuvée, Rosé und weißer Secco erhältlich ist, hat sich die Nordheimer Winzergenossenschaft Divino voll auf den alkoholfreien Trend eingestellt.

Blick auf Nordheim am Main: Der Anteil der Weißweine liegt bei der Divino bei 85 Prozent. Wegen der zunehmend heißen Sommer geht der Trend zu leichten Weißweinen. Das kommt der Genossenschaft entgegen. Foto: DIVINO eG
Sinkender Weinkonsum im „Biertrinkerland“ Deutschland
Der Weinkonsum in Deutschland ist seit Jahren leicht rückläufig. Pro Kopf werden laut dem Bundesministerium für Gesundheit jedes Jahr nur ungefähr 10,6 Liter Alkohol getrunken. Tendenz sinkend. Wobei Bier beliebter als Wein und andere Spirituosen ist. Hinzu kommt die Konkurrenz ausländischer Weine, allen voran aus den europäischen Weinländern Italien, Frankreich und Spanien, die trotz Import viel günstiger angeboten werden. Noch vor ein paar Jahren machte deutscher Wein 60 Prozent des Marktes aus. Mittlerweile sind es nur noch 40 Prozent.

Martin Deutsch, geschäftsführender Vorstand der Winzergemeinschaft Franken eG (GWF). Foto: GWF
„Ich glaube nicht, dass deutscher Wein es schwer hat, weil wir ein Biertrinkerland sind. Das Problem sind eher südeuropäische Weine“, sagt Martin Deutsch, geschäftsführender Vorstand der Winzergemeinschaft Franken eG (GWF). Deutsch ist eigentlich gelernter Braumeister und Mälzer, seit kurzem leitet er die Geschäfte der größten fränkischen Winzergenossenschaft. „Die größten Weinhändler in Deutschland sind Aldi und Lidl. Wenn Sie da das Weinregal anschauen, dann haben sie spanischen, italienischen und französischen Wein, jeweils für 1,99 Euro oder 2,49 Euro. Die deutschen Weine kosten über drei Euro. Da überlegt sich der Verbraucher in Zeiten eines schmaleren Geldbeutels, ob er nicht eher den günstigen Wein kauft. Und deshalb hat sich der Konsum die letzten zehn Jahren auf 60 Prozent ausländischen Wein und 40 Prozent deutschen Wein verschoben.“
Entalkoholisierung vor Ort: Ein Standortvorteil für die GWF
Bei der GWF ist alkoholfreier Wein ein wichtiges Zukunftsthema. Im Januar will die Genossenschaft an ihrem Standort in Kitzingen-Repperndorf eine Entalkoholisierungsanlage in Betrieb nehmen, kündigt Deutsch an: „Das ist die erste Entalkoholisierungsanlage für Wein in ganz Bayern. Und wir wollen da auch als Dienstleister für das Weinbaugebiet Franken aktiv werden.“ Bisher müssen Bayerns Winzer zum Entalkoholisieren ihres Weins ins Rheinland fahren. Das ist nicht nur weit, sondern Dank gestiegener Spritpreise auch sehr teuer. Entalkoholisierung in der Region sorgt für kurze Wege und weniger Emissionen.

Weinkeller der Winzergemeinschaft Franken eG in Kitzingen-Repperndorf. Im Januar 2026 will die Genossenschaft auf dem Areal eine Entalkoholisierungsanlage in Betrieb nehmen. Foto: GWF
Die Energiekrise wirkt sich an mehreren Stellen auf den Weinbau aus
Der Preisunterschied zwischen einheimischen und ausländischen Weinen hängt eng mit den vielen Preissteigerungen durch die Multikrise der letzten Jahre zusammen. Vom Draht, an dem die Weinstöcke befestigt werden, bis zur Weinflasche ist alles teurer geworden: „Das heißt leider, dass wir momentan nicht alle Kostensteigerungen auffangen können. Aufgrund der globalen Krisen sind die Kosten in den vergangenen zwei Jahren explodiert. Sowohl draußen im Weinbau als auch in der Genossenschaft. Insbesondere das Material im Weinbau, die Maschinen, Energie und die inflationsbedingte Entwicklung der Personalkosten machen uns zu Schaffen. Momentan verzichten wir da einfach auch ein Stück weit auf Einkommen“, sagt Frank Dietrich von den Winzern Sommerach.
Besonders viele kleine Familienbetriebe sparen deshalb bei den Ausgaben, indem sie keine zusätzlichen Erntehelfer mehr einstellen. Geerntet wird stattdessen mit der ganzen Familie. Ein Trend, den sowohl Frank Dietrich als auch Gerald Wüst in ihrer Region beobachten: „Mehr Werbung, mehr Offerten, mehr Veranstaltungen. Man muss, zum Beispiel, noch bessere Qualitäten, noch besseren Service und noch viel mehr bieten, nur um am Ende das Gleiche zu erzielen. Da das alles auch mehr kostet, müssen wir auf der anderen Seite auch in manchen Bereichen sparen. Wegen des neuen Mindestlohns mache ich mir generell Sorgen um die Landwirtschaft in Deutschland“, sagt Wüst. Er höre öfter von Mitgliedswinzern: „Ich kann doch keinem einfachen Erntehelfer 15 Euro die Stunde zahlen, wenn ich selbst für 5 Euro danebenstehe.“ Sowas rechne sich für landwirtschaftliche Produkte einfach nicht, meint Wüst.
Traubengeld und Zukunftstrends
Nur der GWF als größter Winzergenossenschaft in Franken ist es gelungen, dieses Jahr ungefähr 15 Prozent mehr Trauben zu ernten als im Vorjahr: „Wir haben es geschafft, eine überdurchschnittliche Erntemenge mit der gleichen Menge an Arbeitskräften einzufahren. Wir hatten keinen Frost und keinen Hagel, sondern eine gute Mischung aus Wärme und Wasser, sodass Menge und Qualität des Jahrgangs in Franken recht gut sind“, sagt Martin Deutsch. Trotzdem weiß der geschäftsführende Vorstand der GWF um die finanziellen Sorgen der Mitglieder: „Die Traubengelder bei den Mitgliedswinzern haben sich deutlich reduziert. Es ist wichtig für uns, diese wieder zu erhöhen, indem wir den Umsatz steigern und neue Segmente erschließen, weil die Winzer sonst nicht leben können. Nebenerwerbswinzer haben noch ein anderes Einkommen, trotzdem haben sie durch Kosten für Pflanzenschutz und Düngung mehr Ausgaben als Einnahmen“, erklärt Deutsch.
Der GWF-Vorstand sieht die Zukunft des Weins vor allem im alkoholfreien Bereich und bei Mischgetränken: „Noch ist der alkoholfreie Wein auf niedrigem Niveau, aber mit sehr großen Wachstumsraten. Beim Wein braucht es noch zwei, drei Jahre für die Geschmacksverbesserung. Beim Secco ist der Geschmack wegen der Kohlensäure schon akzeptiert und gut. Das ist ein Trend, auf den wir reagieren. Beim Thema Mischgetränke werden wir nächstes Jahr mit einer Weinschorle in drei Varianten in den Markt kommen, aber auch mit Mischgetränken mit Geschmack.“

Weingenuss bei der Winzergemeinschaft Franken eG: Vorstand Martin Deutsch sieht die Zukunft des Weins vor allem im alkoholfreien Bereich und bei Mischgetränken. Foto: GWF
Mehr Nachhaltigkeit und mehr Export
Frank Dietrich von den Winzern Sommerach sieht zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit als wichtigen Trend. „Wir pflanzen zum Teil Rebsorten, die überhaupt keinen Pflanzenschutz mehr brauchen. Da haben wir dieses Jahr die ersten Weine auf den Markt gebracht. Die waren innerhalb von acht Wochen ausverkauft. Gerade jüngere Leute konsumieren lieber nachhaltig statt traditionell.“
Mehr Nachhaltigkeit bedeutet allerdings auch mehr Handarbeit. Wer auf Insektizide und Kunstdünger verzichtet, muss mehr hacken, die Reben öfter auf Schädlinge prüfen und sich darum kümmern, dass das Beikraut – also dazu gesetzte Pflanzen, die die Reben schützen – ebenfalls wächst. Das bedeutet, weniger Zeit für andere Dinge und weniger Ertrag zu haben. Frank Dietrich ist trotzdem vom Ergebnis überzeugt: „Organische Düngung reduziert den Ertrag. Aber die Qualität der Trauben profitiert davon. Vielfältige Begrünungen zur Steigerung der Biodiversität bedeuten erst einmal höheren Aufwand, ziehen aber auch Nützlinge an. Wir verzichten kategorisch auf Herbizide und bearbeiten die Böden lieber mit der Hacke, das erhält die Böden gesund. Qualitativ ist nachhaltiger Weinbau in jedem Fall ein Vorteil. Wir haben das bei Vergleichen mit anderen Parzellen überprüft.“

Handlese bei den Winzern Sommerach: Die Genossenschaft setzt stark auf Nachhaltigkeit. Zum Teil werden bereits Rebsorten gepflanzt, die überhaupt keinen Pflanzenschutz mehr brauchen. Foto: Stefan Bausewein
Regionale Qualität auch über die Grenzen hinaus
Trotzdem ist die Mehrarbeit bei vielen Sommeracher Winzerfamilien aktuell ein heiß diskutiertes Thema, sagt Dietrich. Doch gerade die kleineren Betriebe, die traditionell schon seit Jahrhunderten auf Handarbeit setzen, wüssten, dass diese Mehrarbeit sich auszahlt.
Während die Sommeracher Winzergenossenschaft stärker auf Nachhaltigkeit in der Region setzt, will die Divino eG dieses Thema für den Export nutzen: „Wir werden ab dem Jahrgang 2025 ein Fair Choice zertifizierter Betrieb sein. Das ist einerseits für immer mehr Verbraucher und Exportpartner ein wichtiges Kriterium, zum Beispiel in Skandinavien. Andererseits ist es für uns eine Anerkennung unserer langjährigen Arbeit, weil wir schon immer selbstverständlich darauf achten, beim Weinbau die Natur zu schonen“, sagt Wüst.
Der Divino-Geschäftsführer Gerald sieht eine große Chancen im Export, wünscht sich aber ein paar Anpassungen bei den Regulierungen, damit deutsche Weine bessere Chancen auf dem internationalen Markt haben: „Leider gibt es in Deutschland starke Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu Weinen aus Italien, Spanien, Chile oder Südafrika. Wir haben die weltweit höchsten Energiepreise, die höchsten Lohnkosten, die höchsten Lohnnebenkosten, die meisten Urlaubstage, die höchsten Krankheitstage, die strengste Weinkontrolle, die höchsten Umweltauflagen, die strengsten Zertifizierungen und wahrscheinlich habe ich noch einiges vergessen. Ich finde all diese Dinge einzeln betrachtet richtig, aber wenn man sie alle zusammennimmt, ist das für uns Unternehmer sehr kostenintensiv und dies führt dazu, dass wir auf dem Weltmarkt wenig wettbewerbsfähig sind. Insbesondere, wenn es um landwirtschaftliche Produkte geht, die keine Patente oder technische Vorteile haben.“

Barriquekeller der Winzer Sommerach: Die Mitglieder der Genossenschaft unterstützen sich gegenseitig, zum Beispiel beim Düngen der Weingärten oder der Bearbeitung mit Maschinen. Foto: Karl Josef Hildenbrand
Genossenschaften federn Strukturwandel ab
Alle drei Genossenschaften sind vom Strukturwandel betroffen. Da sich der Weinbau teilweise nicht mehr rechnet, werden manche Flächen aufgegeben, wenn die Pacht ausläuft. Wo früher die nächste Generation gerne übernommen hat, zieht der Nachwuchs teilweise zum Studium oder für den Job weg: „Es ist eine Drittel-Drittel-Drittel-Geschichte. Ein Drittel hört auf. Ein Drittel macht weiter und bei einem Drittel übernehmen andere. Es wird in zehn Jahren sicher weniger Betriebe geben. Es wird größere Flächen geben und es wird so sein, dass wir als Genossenschaft wertvolle Flächen wie ein eigenes kleines Weingut weiterführen werden“, erklärt Martin Deutsch von der Winzergemeinschaft Franken.
In Sommerach greift die Genossenschaft deshalb Mitgliedern, die nebenher noch andere Berufe ausüben, unter die Arme. Mitgliedswinzer helfen anderen beim Düngen oder Verleihen Maschinen. Dass man Kräfte bündelt und gemeinsam auf große Herausforderungen antwortet, ist auch bei der Divino eG ein Thema: Raiffeisens Zitat „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ beschreibe die Genossenschaftsidee perfekt, sagt Gerald Wüst. „Das gilt besonders in schwierigen Zeiten, indem wir uns gemeinsam weiter unterstützen, qualifizieren und etwa unseren Export ausbauen. Da sind wir schon seit ein paar Jahren in einigen Ländern sehr erfolgreich. Gemeinsam kommen wir durch die Krise.“