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Kryptowerte wie Bitcoin & Co. bequem kaufen und verkaufen, sobald man im OnlineBanking der Volksbanken und Raiffeisenbanken eingeloggt ist? Noch ist das Zukunftsmusik, doch abwegig ist die Idee keinesfalls. „Wir bauen gerade ein neues Blockchain-Kompetenzcenter auf. Dort wollen wir unter anderem prüfen, ob wir den Handel mit Kryptowerten in die VR Banking App integrieren können“, berichtet Tobias Niermann vom genossenschaftlichen IT-Dienstleister Atruvia (bisher Fiducia & GAD). Niermann verantwortet bei Atruvia die Vertriebswege der Zukunft. Der Atruvia-Vorstand hat grünes Licht für das Blockchain-Kompetenzcenter gegeben, nun macht ein Cross-divisionales Team um Janin Damm, Tobias Niermann und Christopher Weßels sich daran, dieses mit Leben zu füllen.

Mögliches Geschäftsmodell für Volksbanken und Raiffeisenbanken

Bisher steht noch nicht fest, welche regulatorischen Hürden zu nehmen wären und wie genau das Geschäftsmodell aussehen könnte, doch für die Volksbanken und Raiffeisenbanken könnten Dienstleistungen rund um Kryptowerte durchaus interessant werden, findet Niermann. Er kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die Banken sowohl die digitale Geldbörse („Wallet“) und den dazugehörigen privaten Schlüssel („Seed“) als auch die gehaltenen Kryptowerte im Auftrag des Kunden treuhänderisch verwahren.

„Ein Depot für Kryptowerte könnte in der Vermögensübersicht des Online- und MobileBankings genauso gehandhabt werden wie ein traditionelles Depot“, sagt Janin Damm. Damm ist bei Atruvia Solution Manager Privatkunde und verantwortet die Themen rund um den Vermögensaufbau. Der Kunde hätte eine konsolidierte Sicht, müsste sich nicht groß umstellen und könnte seine Kryptowerte im OnlineBanking so verwalten, wie er es zum Beispiel von seinen Fonds kennt. Zusätzlich wären sein Wallet und der private Schlüssel im OnlineBanking sicher verwahrt.

Durch die neue Technologie ergeben sich neue Geschäftsmodelle und neue Ertragsquellen für die Banken. Beispielsweise könnten die Volksbanken und Raiffeisenbanken durch den Handel und die Verwahrung der Kryptowerte neue Erträge generieren, schlägt Niermann vor. Im Grunde genommen würde der Handel mit Kryptowerten auf der Anwenderebene gar nicht so viel anders ablaufen als das traditionelle Geschäft, denn auch bei Bitcoin zahlt man zum Beispiel Transaktionsgebühren. Es sei ein Irrtum, dass auf der Blockchain-Technologie basierende Transaktionen kostenlos seien.

Anwendungsfälle auf Blockchain-Basis gesucht

Abgesehen von diesen sehr naheliegenden Anwendungsfällen prüft Atruvia in einer Art Blockchain-Inkubator weitere Möglichkeiten, wo diese Technologie in Bankanwendungen zum Einsatz kommen könnte. „Auch wenn Blockchain nicht alles revolutionieren wird, so hat sie doch das Potenzial, vor allem die Kommunikation zwischen Systemen auf Protokoll-Ebene zu verändern, indem sie für effiziente, verbindliche Prozesse sorgt“, sagt Technologie-Experte Christopher Weßels. Er verantwortet bei Atruvia seit August 2021 die Themen Immobilie, Investition & Finanzierung. So ließen sich möglicherweise Prozesse nicht nur im Wertpapierhandel effizienter gestalten. „Da liegt es nun auch an uns, die passenden Anwendungsfälle zu finden und auf Nutzertauglichkeit zu prüfen.“

In einem früheren Feldversuch entwickelte Atruvia zum Beispiel zusammen mit der DZ Bank und Primärbanken einen Prototyp für einen Marktplatz plus Abwicklungsplattform für Konsortialkredite auf Blockchain-Basis. „Das war ein voll funktionsfähiger Prototyp, den wir in einem dreimonatigen Projekt erstellt haben“, berichtet Weßels. Banken, die für eine Finanzierung auf der Suche nach Konsortialpartnern waren, konnten das Angebot auf der Plattform platzieren. Sobald eine andere Bank das Angebot angenommen hatte, wurden die Vertragsdaten fälschungssicher in der Blockchain hinterlegt. „Die Idee war, über diese Plattform dritte Banken in das Konsortialgeschäft einzubinden. Die Blockchain sollte für alle Partner eine sofortige Verbindlichkeit schaffen“, erklärt Weßels. Letztendlich setzte sich das Konzept jedoch nicht durch. „Die Blockchain vereinfacht technische Prozesse und schafft ein verbindliches Datenaustausch-Format, aber in diesem Fall entstand Vertrauen zwischen den Vertragspartnern nicht durch die Blockchain-Technologie, sondern durch Verträge. Und das kann man auch anders lösen“, sagt Weßels.

Es könne aber sein, dass das ursprüngliche Konzept der Blockchain, also die fälschungssichere Verknüpfung von Datenblöcken, auch auf andere Anwendungen Einfluss hat. „Nehmen Sie zum Beispiel ein modernes elektronisches Kassensystem mit einer sogenannten technischen Sicherheitseinrichtung: Dort werden alle Vorgänge über eine verschlüsselte digitale Signatur lückenlos so miteinander verknüpft, dass nachträgliche Manipulationen einzelner Einträge sofort entdeckt werden können. Genau betrachtet nimmt diese Technik also Anleihen an der Blockchain-Technologie“, sagt Weßels. Janin Damm ergänzt: „Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Wir aus dem Atruvia Kompetenzcenter freuen uns deshalb im engen Austausch mit der DZ Bank und anderen Verbundpartnern der FinanzGruppe darüber, der Frage nachzugehen, welche Potenziale für neue Geschäftsmodelle sich darüber hinaus nachhaltig ergeben können und wie wir diese mit Blick auf unsere Kunden bestmöglich umsetzen.“

So alt wie der ICE

1991 fuhren die ersten ICE durch Deutschland. Die Blockchain ist genauso alt: Im selben Jahr schufen die beiden Forscher Stuart Haber und W. Scott Stornetta die Grundlagen für eine kryptografisch abgesicherte Verkettung einzelner Blöcke, die die Basis für die heutige Blockchain bilden. Den Durchbruch erzielte die Technologie aber erst 2008. Damals beschrieb Satoshi Nakamoto, ein Pseudonym für eine Person oder Personengruppe, im Rahmen eines Whitepapers zum Bitcoin das Konzept der Blockchain als dezentrale Datenbank.

Abwicklungsschnittstelle für elektronische Wertpapiere

Die DZ Bank setzt sich auch in anderen Projekten mit der Blockchain auseinander. Im März 2021 hat das Kreditinstitut an einem Projekt unter Federführung der Deutschen Börse, der Deutschen Bundesbank und der Finanzagentur des Bunds teilgenommen. Konkret ging es darum, eine Abwicklungsschnittstelle für elektronische Wertpapiere zu entwickeln und zu testen. Dazu hat die Finanzagentur eine zehnjährige Bundesanleihe in vollständig digitaler Form auf einem von der Deutschen Börse betriebenen Blockchain-Netzwerk begeben und bei den teilnehmenden Banken platziert. Zu diesen zählte neben der DZ Bank weitere fünf Kreditinstitute: Barclays, Citibank, Commerzbank, Goldman Sachs und Société Générale.

Bei dem Test haben die Projektpartner eine technische Verknüpfung zwischen dem Wertpapiertransfer auf dem Blockchain-Netzwerk und dem traditionellen Zahlungstransfer zwischen den jeweiligen Target2-Konten im Eurosystem erstellt. Dazu muss man wissen, dass die Blockchain auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) funktioniert. Ein Distributed Ledger ist ein öffentliches und dezentral geführtes Kontobuch, welches die Transaktionen zwischen den Nutzern aufzeichnet. Bei Transaktionen mit DLT-Systemen wechseln üblicherweise keine Werte oder Gelder den Besitzer, sondern sogenannte Token, also die auf Blockchain basierende Währung.

Bei dem Verfahren, an dem die DZ Bank beteiligt war, wurde jedoch eine Schnittstelle geschaffen, die zwischen dem DLT und dem konventionellen Zahlungsverkehr vermittelt und auf diese Weise die Zahlung auslöst – eine sogenannte Triggerlösung. „Das Projekt hat somit eine Brücke zwischen der Blockchain-Welt und der des konventionellen Zahlungsverkehrs zwischen Banken gebaut, die für eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten nutzbar ist“, sagt Holger Meffert, Leiter Wertpapiermanagement bei der DZ Bank. Als Beispiel führt er die Schuldschein-Plattform Finledger auf. Die Triggerlösung könnte somit ein wichtiger Baustein zur Abwicklung der großvolumigen Zahlungen zwischen den institutionellen Partnern der Plattform werden, betont Meffert. Zumindest bis der digitale Euro kommt: Dessen Einführung würde die Triggerlösung überflüssig machen.

Auch bei einem weiteren Pilotprojekt Ende April war die DZ Bank dabei und hat eng mit Union Investment zusammengearbeitet. Dabei hat die Europäische Investitionsbank (EIB) eine Anleihe über die Ethereum-Blockchain ausgegeben. „Die EIB-Transaktion könnte sich in zwei, drei Jahren als Standard für großvolumige Transaktionen etablieren“, sagt Meffert. Die Vorteile der Technologie liegen für ihn auf der Hand: Es bräuchte keinen Zentralverwahrer in der heutigen Form, manuelle sowie fehleranfällige Prozesse würden eliminiert und die Transaktionen würden schneller ablaufen. Es ist also zu erwarten, dass die Blockchain-Technologie in Zukunft in immer mehr Prozessen zum Einsatz kommt.

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