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Hansalim: Aus Südkorea für Südkorea

Jeong Gi-Man ist ein Mann der Tradition. Die Technik, mit der er Sardellen aus dem Meer rund um die südkoreanische Insel Jejudo fischt, ist Jahrhunderte alt. Dazu spannt er ein großes Netz auf Bambuspfähle, die in den Meeresboden eingeschlagen sind. Die Flut spült die kleinen Fische in das trichterförmige Netz. Bei Ebbe muss Jeong die zappelnden Sardellen nur noch mit einem Kescher abfischen. Die auf diese Weise gefangenen Sardellen heißen in Südkorea Jukbang Myeolchi und gelten als Delikatesse.

Die Konkurrenz ist hart: Immer mehr Fischer fangen die Sardellen mit riesigen Netzen von Booten aus. Das bringt einen größeren Ertrag, geht einfacher und schneller. Deshalb ist Jeong seit einigen Jahren Mitglied der Genossenschaft Hansalim. Die nimmt seine Sardellen zu einem Fixpreis ab. „Auf diese Weise erhalten die Fischer ein sicheres Einkommen und können weiter ihre traditionellen und umweltschonenden Fangmethoden anwenden. Ohne die Genossenschaft würden solche Techniken langsam aussterben“, sagt Petra Wähning. Die Kommunikations- und Marketingexpertin hat sich für den Dokumentarfilm „Zeit für Utopien“ die Arbeit der südkoreanischen Genossenschaft vor Ort zeigen lassen.

Jeong und weitere Fischer von der Insel Jejudo gehören zu den rund 2.400 landwirtschaftlichen Mitgliedsbetrieben von Hansalim. Die Genossenschaft vertreibt ihre Produkte an etwa 650.000 Mitglieder – zu denen nicht nur die Produzenten, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher gehören. Rechnet man die zugehörigen Haushalte mit ein, dann versorgt Hansalim etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen in Südkorea. Zum Angebot zählen mehr als 2.000 Produkte wie Reis, Soja, Brot, Fleisch, Obst oder eben Sardellen. Diese stammen allesamt von heimischen Landwirten, die Genossenschaft importiert und exportiert nichts.

Die Geschichte von Hansalim reicht ins Jahr 1986 zurück. Damals schlossen sich einige Bauern zusammen, um ihre pestizid-freien Produkte gemeinsam in Seoul zu vertreiben. Die Hauptstadt ist Zentrum einer der größten Metropolregionen der Welt, fast jeder zweite Südkoreaner lebt dort. „Das Prinzip der Genossenschaft von damals ist bis heute gleichgeblieben: Die Bauern sorgen für gesunde, saisonale, regionale und ökologische oder zumindest pestizidfreie Lebensmittel. Und im Gegenzug sichern ihnen die Verbraucher ein gutes und faires Einkommen“, sagt Wähning.

Das Erfolgsrezept: Es gibt keine Zwischenhändler. Die Genossenschaft vermarktet die Produkte in über 220 eigenen Supermärkten, liefert sie direkt an die Mitglieder oder vertreibt sie vor Ort. Auf diese Weise gehen bis zu 70 Prozent der Erträge an die Landwirte, 30 Prozent behält die Genossenschaft ein, um die laufenden Kosten zu decken und Infrastruktur wie Fabriken bereitzustellen. Wähning: „Durch dieses Modell können die Bauern von der Arbeit leben und ihre Produkte dennoch zu konkurrenzfähigen Preisen verkaufen.“ Auch die finanziellen Hürden für Verbraucher, um Mitglied der Genossenschaft zu werden, sind gering: Ein Anteil kostet rund 22 Euro, dazu kommt ein Mitgliedsbeitrag von etwa zwei Euro. Wer nicht Mitglied in der Genossenschaft ist, kann zwar ebenfalls in den Supermärkten von Hansalim einkaufen, zahlt aber zehn Prozent mehr.

Trotz der Erfolge muss sich Hansalim anstrengen, um auch in Zukunft am Markt zu bestehen. Die Menschen leben zunehmend alleine und kochen weniger. Auch die alltäglichen oder familiären Berührungspunkte mit Landwirten schwinden. Als Reaktion hat die Genossenschaft ihre Öffentlichkeitsarbeit intensiviert, sie organisiert Kochkurse und lädt die Stadtbewohner ein, die Arbeit der Bauern vor Ort kennenzulernen. „Hansalim lebt davon, dass sich die Erzeuger und Verbraucher als Familie verstehen. Es ist eine Dauer-Aufgabe, beiden Seiten die Vorteile dieses Modells deutlich zu machen und die gegenseitige Wertschätzung hochzuhalten“, sagt Wähning. Solange das gelingt, können auch die Fischer der Insel Jejudo weiter Sardellen mit ihrer jahrhundertealten Technik fangen.

Railcoop: Eine Genossenschaft treibt die Mobilitätswende in Frankreich voran

Das französische Eisenbahnnetz ist traditionell auf die Hauptstadt Paris ausgerichtet. Wer zum Beispiel mit dem Zug von Lyon nach Bordeaux reisen will, muss mit dem TGV über Paris fahren und dafür 500 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Eine andere Verbindung gibt es nicht. Früher bot die SNCF auch Direktverbindungen zwischen Lyon und Bordeaux an, doch diese wurden immer unattraktiver und 2014 schließlich ganz eingestellt.

In diese Lücke will eine französische Genossenschaft springen: Railcoop. Die Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs in Frankreich erlaubt es Wettbewerbern seit Ende 2020, in Konkurrenz zur SNCF eigene Züge zu fahren. „Railcoop hat sich zum Ziel gesetzt, Bahndienstleistungen auf nicht mehr ausreichend genutzten Strecken zum Nutzen von Bürgern, Unternehmen und unterversorgten Gebieten anzubieten“, erklärt Railcoop-Präsident Dominique Guerrée. Das notwendige Kapital von 1,5 Millionen Euro, um Personenverkehr auf dem französischen Schienennetz betreiben zu dürfen, hatte Railcoop in kurzer Zeit zusammen.

Im Juni 2022 sollen die ersten Railcoop-Züge zwischen Lyon und Bordeaux rollen, geplant sind täglich drei Direktverbindungen in jeder Richtung mit vorerst gebrauchten Dieseltriebwagen des Typs X72500. „Die Wiedereröffnung der 2014 stillgelegten Direktverbindung ist unser erstes Großprojekt und bietet eine Alternative zum obligatorischen Umweg über Paris. In der Tat ist man derzeit gezwungen, über Paris zu fahren, wenn man mit dem Zug von Bordeaux nach Lyon will, was nicht sehr logisch ist“, sagt Guerrée.

Die Verbindung Lyon-Bordeaux soll dabei nur der Anfang sein. Für 2023 hat die Genossenschaft bei den Behörden weitere Strecken angemeldet, die viele französische Städte abseits der Hauptverkehrsachsen wieder miteinander verknüpfen sollen, zum Beispiel auf den Verbindungen Toulouse-Rennes oder Lyon-Thionville. Außerdem plant die Genossenschaft ein Netz von Güterzugverbindungen, um die strukturschwachen Regionen im Herzen Frankreichs wieder auf der Schiene mit den Logistikzentren des Lands zu verbinden.

Railcoop sieht großes Potenzial für seine Dienste: So erwartet die Genossenschaft, dass der Verkehr bis 2050 um 34 Prozent zunehmen wird. „Anstatt neue Infrastrukturen zu schaffen, warum nicht das bestehende, nur schwach ausgelastete Schienennetz nutzen? 90 Prozent der Franzosen leben derzeit weniger als zehn Kilometer von einem Bahnhof entfernt. Dennoch werden 30 Prozent der bestehenden Bahnhöfe nicht bedient und das derzeitige Netz konzentriert sich auf die großen Städte und die von Paris ausgehenden Achsen. Außerdem ist die Nutzung des Schienengüterverkehrs in Frankreich nach wie vor viel geringer als in anderen europäischen Ländern“, sagt Guerrée.

„90 Prozent der Franzosen leben weniger als zehn Kilometer von einem Bahnhof entfernt. Dennoch werden 30 Prozent der bestehenden Bahnhöfe nicht bedient.“

Dominique Guerrée, Präsident der französischen Eisenbahngenossenschaft Railcoop.

Die Genossenschaft sieht sich als Vorreiter einer nachhaltigen Mobilitätswende. „Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung ist der Zug ein wesentliches Bindeglied im laufenden ökologischen Wandel und zudem eines der sichersten Verkehrsmittel. Der Personenverkehr auf der Schiene benötigt weniger als ein Zwölftel der Energie, die für den Transport einer Person oder einer Tonne Güter auf der Straße erforderlich ist“, sagt Guerrée. Der Ausbau der Bahn schütze indirekt auch die Artenvielfalt, denn durch die Nutzung vorhandener Infrastruktur werden viel weniger Flächen versiegelt, als wenn neue Straßen gebaut werden müssen, um den prognostizierten Verkehrszuwachs aufzunehmen.

Die Rechtsform einer „Genossenschaft von kollektivem Interesse“ (SCIC) nach französischem Recht ist für die Pläne von Railcoop ideal geeignet, findet Guerrée. „Diese demokratische Organisation ermöglicht den Zusammenschluss vieler Akteure bei der Gestaltung des Projekts: Bürger, Unternehmen und sogar Gemeinden und Behörden können sich beteiligen. Arbeitskreise bringen Mitglieder und Ideen zusammen. Sie machen sich Gedanken über Strecken, die Railcoop betreiben kann, über Möglichkeiten, Züge und Fahrräder zu kombinieren, und über viele andere Themen mehr. So entsteht eine kollektive Intelligenz im Interesse aller. In der Tat macht diese Zusammenarbeit das Wesen der Genossenschaft aus.“

Noch stehen die Pläne von Railcoop nur auf dem Papier. Doch mehr als 8.200 Mitglieder und der Fortschritt der Planungen machen deutlich, dass das Interesse an einer ökologischen Verkehrswende sowie attraktiven Zugverbindungen quer durch das Land hoch ist. Sollte Railcoop mit seinen Zugverbindungen Erfolg haben, dann ließe sich mit Fug und Recht sagen: Die Mobilitätswende in Frankreich wird von einer Genossenschaft mit vorangetrieben. Railcoop-Präsident Dominique Guerrée glaubt jedenfalls fest daran. „Das Abenteuer Railcoop hat gerade erst begonnen“, sagt er.

Im Nachtzug von Brüssel nach Prag

Auch von den Niederlanden aus fahren künftig Züge einer Genossenschaft: Die niederländische Genossenschaft „European Sleeper“ will ab April 2022 einen Nachtzug von Brüssel über Amsterdam und Berlin nach Prag auf die Schiene bringen. Die Züge sollen vom Kooperationspartner RegioJet aus Tschechien betrieben werden. Das Eisenbahnunternehmen mit seinen kanariengelb lackierten Zügen hat sich in Osteuropa als Anbieter von privaten Fernzugverbindungen einen Namen gemacht.

Royal FloraHolland: Blumen für die ganze Welt

Ob Rosen zum Geburtstag, eine Yucca-Palme für das Wohnzimmer oder ein Tomatenstrauch für den Garten: Wer Blumen oder Pflanzen kauft, hat häufig von den Leistungen einer Genossenschaft profitiert: der Royal FloraHolland. Das Unternehmen wickelt über 30 Prozent des weltweiten Blumenhandels ab und sorgt dafür, dass pro Jahr bis zu zwölf Milliarden Pflanzen und Blumen die Besitzer wechseln. „Wir sind ein Business-to-Business-Dienstleister und mit einem Umsatz von 4,7 Milliarden Euro der größte Blumen-Marktplatz der Welt“, sagt Unternehmenssprecher Michel van Schie.

Der Großteil der Blumen und Pflanzen wird in Aalsmeer gehandelt. Der Ort liegt rund 20 Kilometer südlich von Amsterdam und in Nähe des Flughafens Schiphol. Die dortigen Versteigerungshallen, die „Wall Street für Blumen“, sind ein Superlativ für sich: Sie umfassen eine Grundfläche von einer Million Quadratmeter und gelten als sechstgrößtes Bauwerk der Welt. Tag für Tag werden zehntausende Blumen und Pflanzen angeliefert und versteigert. Anschließend verpacken und verschicken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die grüne Ware überall in die Welt. Alles muss schnell gehen, schließlich soll keine Rose oder Tulpe welk in Brüssel, Barcelona oder Buenos Aires ankommen.

Das Hauptziel der 1914 gegründeten Genossenschaft: „Wir wollen für unsere Mitglieder, 3.750 Gärtnerbetriebe, davon 600 aus dem Ausland, eine optimale Preisgestaltung bei minimalen Kosten erzielen“, sagt van Schie. Dazu veranstaltet die Genossenschaft Auktionen, die rückwärts ablaufen. Zum Start der Versteigerung liegt der Preis für Blumen bei 100 Cent. Jede Sekunde geht der Preis nach unten. Das führt zu Nervenkitzel bei den Käufern: Einerseits können sie bares Geld sparen, wenn sie möglichst lange warten, andererseits gehen sie im schlimmsten Fall leer aus. Passt der Preis, halten die Käufer die Uhr an und geben bekannt, wie viele Boxen à 200 Blumen sie abnehmen möchten. In den meisten Fällen müssen es mindestens zwei Boxen sein. Damit ist das Geschäft besiegelt und die Uhr startet von vorn. Ein Mitarbeiter schafft rund 1.500 Auktionen pro Stunde.

Die Versteigerungen finden noch immer vor Ort statt, doch zunehmend wandert das Geschäft in die digitalen Kanäle ab. Schon länger können die Käufer online auf die Blumen bieten. Zudem baut die Genossenschaft derzeit eine digitale Plattform namens Floriday auf. Dort können Gärtner und Käufer direkt miteinander handeln. Ziel von Royal FloraHolland ist es, Floriday als führende Plattform für das Business-to-Business-Geschäft der Zierpflanzenbranche zu etablieren. In Zukunft werden die Blumen, mit denen man sich selbst oder anderen Menschen analog eine Freude macht, also komplett digital gehandelt.

Les Salines de Guérande: Neuer Schwung für ein traditionsreiches Handwerk

Gezeiten, Wind und Sonne – mehr braucht es nicht, um eines der kostbarsten Lebensmittel der Welt zu produzieren: Salz. In der Bucht von Guérande, einem malerischen Städtchen in der südlichen Bretagne unweit der Loire-Mündung, reihen sich die nördlichsten Salzgärten Europas auf über 2.000 Hektar bis zum Horizont. Im Sommer sieht man immer irgendwo einen Salzbauern, in Frankreich „Paludier“ genannt, bei der Ernte. In Handarbeit streichen sie das Salz mit langstieligen Schiebern aus den Kristallisationsbecken und transportieren es mit Schubkarren zur Zwischenlagerung an den Rand der Saline, wo es in großen weißen Haufen auf den endgültigen Abtransport wartet.

Doch so romantisch der Anblick ist, so hart ist die Arbeit der Paludiers. Bis vor wenigen Jahrzehnten schien es so, als könnten sie gegen das Salz der internationalen Konkurrenz nichts ausrichten, das in Bergwerken und am Mittelmeer in industriellem Maßstab gewonnen wird. Viele Salzgärten wurden aufgelassen, in den 1980er Jahren sollten an ihrer Stelle Hotels und andere touristische Infrastruktur entstehen.

Es kam anders. Die verbliebenen Salzbauern schlossen sich Anfang der 1970er Jahre zu einer Solidargemeinschaft zusammen. Ihr Ziel war es, die verbliebenen Salzgärten zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften, den Beruf des Paludiers zu professionalisieren, eine Marke für das in Guérande produzierte Salz zu schaffen und sich dadurch neue Absatzmärkte zu erschließen. 1988 gründeten die Salzbauern die landwirtschaftliche Genossenschaft „Les Salines de Guérande“, wenige Jahre später kam die Handelsgesellschaft „Le Guérandais“ hinzu – damit war der Grundstein für die heutige Marke gelegt.

Mit der Genossenschaft im Rücken ging es schnell bergauf für die Salzbauern. 1997 gelang es „Les Salines de Guérande“ erstmals, ihr Salz zu 100 Prozent selbst zu vertreiben und sich unabhängig von landwirtschaftlichen Handelsunternehmen zu machen. Anfang der 2000er Jahre wurde die „Terre de Sel“ („Welt des Salzes“) eröffnet, ein touristisches Empfangszentrum mit Museum, Verkaufsladen und Schauraum, wo den Besucherinnen und Besuchern die Besonderheiten der handwerklichen Salzherstellung in den Salzgärten von Guérande auf zahlreichen Schautafeln und Mitmachstationen nähergebracht werden.

Heute hat das „Sel de Guérande“ einen ausgezeichneten Ruf – nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch in der französischen Spitzengastronomie, was sich wiederum positiv auf die Marke auswirkt. Mittlerweile vertreibt die Genossenschaft ihre Produkte in 55 Ländern weltweit. Die Produktionskapazität liegt bei 13.000 Tonnen pro Jahr, der Jahresumsatz beläuft sich auf 25 Millionen Euro. 75 Angestellte stehen bei der Genossenschaft in Lohn und Brot. Neben der innovativen Markenstrategie und dem starken Vertrieb ist aber immer noch die Solidarität der 220 Salzbauern mit ausschlaggebend für den Erfolg der Genossenschaft.

Sie sind dazu verpflichtet, ihre Ernte komplett der Genossenschaft zur Verfügung zu stellen. Je nach Witterung kann die Erntemenge dabei zwischen 100 Kilogramm und drei Tonnen Salz pro Kristallisationsbecken und Saison schwanken. Aus diesem Grund hat die Genossenschaft umfangreiche Lagerkapazitäten aufgebaut, um die naturbedingten Ertragsschwankungen jederzeit ausgleichen zu können. Den Salzbauern garantiert die Genossenschaft unabhängig vom Ernteerfolg einen festen Salzpreis für die jeweilige Qualität. Diesen Ankaufpreis legen die Mitglieder jährlich selbst fest. So verfügen die Salzbauern über stabile Einkünfte und können anständig von ihrer Arbeit leben.

Laurent Seriat ist stolz darauf, was die Salzbauern gemeinsam alles erreicht haben. „Anfang der 1980er Jahre trug die Solidargemeinschaft dazu bei, die Salzgärten und ihr Ökosystem zu erhalten, indem sie den Salzbauern eine wirtschaftliche Perspektive eröffnete. Durch die Wiederbelebung und Professionalisierung einer Jahrtausende alten Handwerkstradition haben wir es geschafft, dass die Genossenschaftsmitglieder heute wieder von der Produktion des ,weißen Golds‘ leben können“, sagt der Generaldirektor von „Les Salines de Guérande“. Damit sichere die Genossenschaft indirekt auch den Lebensunterhalt von mehr als 700 Menschen in der Region.

Übrigens hat auch Guérande selbst von der Bekanntheit der Genossenschaft und ihrer Salzprodukte profitiert. Die Stadt mit ihrem mittelalterlichen Kern und der weitgehend erhaltenen Stadtmauer mauserte sich in den vergangenen 20 Jahren von einem verschlafenen Örtchen zu einer beliebten Touristenattraktion. Generaldirektor Seriat weiß, woher das kommt. „Mit der Bekanntheit ihrer Marke ,Le Guérandais‘ in der ganzen Welt und ihrer touristischen Stätte ,Terre de Sel‘ hat die Genossenschaft dazu beigetragen, dass Besucher aus aller Welt die Salzgärten und ihre Umgebung für sich entdecken, einschließlich der Stadt Guérande, die heute eine der meistbesuchten Städte im Nordwesten Frankreichs ist.“

Resonate: Eine Gemeinschaft aus Künstlern und Musikliebhabern

Mit weltweit 356 Millionen Nutzerinnen und Nutzern und einem Marktanteil von rund 33 Prozent ist Spotify der mit Abstand beliebteste Musikstreaming-Dienst. Rund 9,5 Milliarden Euro möchte das schwedische Unternehmen in diesem Jahr umsetzen. Was gut für Spotify ist, ist jedoch nicht zwangsläufig gut für die Musiker: Laut Branchenexperten erhalten die Künstlerinnen und Künstler im Durchschnitt deutlich weniger als einen Cent pro Stream. Nur bei Musikern wie Drake oder Ed Sheeran, deren Songs milliardenfach gehört werden, kommt so eine ordentliche Summe zusammen.

Die 2016 vom Berliner Software-Entwickler Peter Harris gegründete Genossenschaft Resonate mit Sitz in Irland möchte das ändern. Dazu bietet sie ihren Mitgliedern, die einen Jahresbeitrag von fünf Euro zahlen, das Modell Stream2own an. Das Prinzip: Einen Song erstmals zu hören kostet 0,002 Euro. Das zweite Mal schlägt mit 0,004 Euro zu Buche, das dritte Mal mit 0,008 Euro, das vierte Mal mit 0,016 Euro und so weiter. Beim neunten Hören zahlen die Musikfreunde abschließend 0,512 Euro und haben den Song für insgesamt 1,022 Euro gekauft. Nun können sie ihn ohne weitere Kosten beliebig oft hören. Der große Vorteil liegt laut Gründer Harris darin, dass die Mitglieder kein Abo mit festen Preisen abschließen, sondern nur für die Musik bezahlen, die sie tatsächlich hören. Auch die Künstler sollen profitieren: Da Resonate 70 Prozent der Einnahmen ausschüttet, verdienen sie nach Angaben der Genossenschaft deutlich mehr Geld als auf anderen Musikstreaming-Plattformen.

Bisher hat Resonate mehr als 10.000 Abonnentinnen und Abonnenten gewonnen. Diese können aus einem Angebot von rund 1.400 Musikern wählen. Zum Vergleich: Bei Spotify soll es „Millionen an Künstlern“ geben. Es sieht also nicht danach aus, dass Resonate das Musikstreaming revolutioniert. Das Beispiel zeigt jedoch, dass Genossenschaften auch für das Plattform-Geschäft im digitalen Zeitalter interessant sind. Ein weiteres Beispiel ist das von mehreren engagierten Gastgebern gegründete Fairbnb. Die Genossenschaft aus dem italienischen Bologna möchte im Gegensatz zum Marktführer Airbnb die Profite in der Gemeinschaft halten und gleichzeitig gemeinnützige Projekte vor Ort unterstützen.

SCOP-TI: Tee mit Kampfgeist

„Das außergewöhnlichste Produkt, das wir anbieten, ist der Tee ,Von Nord bis Süd‘. Darauf sind wir besonders stolz“, erzählt Olivier Leberquier, Präsident der Arbeitergenossenschaft für Tee SCOP-TI aus der französischen Provence. Das Getränk enthält Aromen von Zitrone, Äpfeln und mediterranen Oliven. Die Idee zu diesem besonderen Geschmack ist eng verknüpft mit der Geschichte der Genossenschaft, die Kräutertees und schwarze Tees mit heimischen Zutaten produziert.

Bereits 1997 hatte der multinationale Lebensmittelkonzern Unilever seine Produktionsstätte für Tee im nordfranzösischen Le Havre geschlossen, um die Produktion in der Fabrik im südfranzösischen Gémenos bei Marseille zu konzentrieren. Die Mitarbeiter in Le Havre bekamen von Unilever ein Jobangebot in Gémenos. 2010 beschloss der Konzern dann, auch den Standort Gémenos zu schließen und die Produktion der Teemarken Eléphant und Lipton an kostengünstigere Standorte zu verlagern. Doch Unilever hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerechnet: Diese kämpften mit aller Macht um ihre Arbeitsplätze und besetzten die Fabrik fast vier Jahre lang. „Eine juristische Schlacht von 1.336 Tagen“, wie Leberquier erklärt. Die Bilder der demonstrierenden Mitarbeiter, die Banner mit Che Guevara hochhielten, gingen durch die nationalen Medien. Schließlich hatten die Mitarbeiter eine Idee: „Wir wollten die Arbeitsplätze unbedingt retten und die Alternative zur Schließung der Fabrik war die Gründung einer Genossenschaft der Arbeiter und Angestellten. Ein nicht kapitalistisches Modell“, sagt Leberquier.

Unilever ließ sich darauf ein und überließ den Ex-Mitarbeitern für einen Euro die Fabrik und zahlte jedem von ihnen eine Abfindung. Der Kampf um die Fabrik prägt die Genossenschaft bis heute. Die Eigenmarke „1.336“ steht für die Anzahl der Tage der Besetzung und damit für den „Kampf, der zur Gründung von SCOP-TI führte“, wie Leberquier erläutert. Der Tee „Von Nord bis Süd“ symbolisiert hingegen die Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am früheren Standort Le Havre. „Aus dem Norden und dem Süden kommend, feiern die Mitglieder mit diesem Produkt die Schönheit eines großen Kampfes und einer soliden Freundschaft“, sagt Leberquier.

Heute hat die Genossenschaft 58 Mitglieder, davon 46 Angestellte. Sie produziert pro Jahr etwa 210 Tonnen Tee, etwa 80 Prozent davon für französische Supermärkte wie Leclerc oder Intermarché. Obwohl SCOP-TI mit seinen Tees in Frankreich nur auf einen Marktanteil von 0,4 Prozent kommt, sind die Mitglieder stolz auf das, was sie erreicht haben. Die Genossenschaft setzt auf Bio und heimische Produktion: „Wir verwenden nur natürliche Aromen, keine Chemie und wir möchten die Herstellung von Kräutern und Heilpflanzen auf französischem Boden fördern“, führt Leberquier aus. Aus ökologischen Gründen, aber auch, um die Qualität der Aromen zu gewährleisten, setzt SCOP-TI auf kurze Lieferwege. So kommen zum Beispiel Lindenblüten aus dem provenzalischen Département Drôme. Die Eigenmarke „1.336“ bietet ausschließlich Bioprodukte.

Offenbar schmeckt der Kampfgeist aus der Tasse: 2020 konnte die Genossenschaft mit einem Gesamtumsatz von 4,26 Millionen Euro erstmals Gewinn erzielen.

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