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Die gute Nachricht zuerst: Der Anteil von Frauen mit Führungsverantwortung steigt bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die weniger gute Nachricht: Bis Frauen und Männer in Führungspositionen annähernd gleichgestellt sind, müssen die Genossenschaftsbanken noch einen sehr weiten Weg gehen. Wie die ersten Schritte gelingen können, darum ging es Ende Juni 2025 bei der Veranstaltung „Impulse WACHSTUM: Frauen stärken. Vielfalt fördern. Zukunft gestalten“ im Tagungszentrum Beilngries der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG). Ziel war es, neue Impulse für eine moderne und chancengerechte Unternehmens- und Führungskultur zu vermitteln. „Es geht nicht nur um Frauenförderung, sondern um die Förderung von Vielfalt und Diversität in den Unternehmen“, betonte Martina Stutz, Stabsleiterin Nachhaltigkeit beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB), eingangs der Veranstaltung.

Je höher das Wohlbefinden, desto besser die Performance

Wie wichtig Vielfalt und das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeitenden – unabhängig vom Geschlecht – für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sind, erläuterte Tanja Langenfeld. Unternehmen, die in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden investieren, seien auch überdurchschnittlich erfolgreich. Als Beleg führte sie die Studie „Workplace Wellbeing and Firm Performance“ des Wellbeing Research Centre der Universität Oxford ins Feld, die bei börsennotierten US-Unternehmen einen „Wellbeing-Score“ ermittelt und diesen mit bekannten Aktienindizes wie dem S&P 500 ins Verhältnis setzt. „Je höher das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, desto besser die Bewertung, der Profit, die Performance und der Aktienkurs“, fasste Langenfeld die Studie zusammen.

Sozialisierung bremst die Karriere

Die Marktforscherin und Wirtschaftspsychologin Hilda-Simone von Walcke-Schuldt forscht unter anderem zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihr Thema: „Warum finden wir keine Frauen für Führungspositionen und wie können wir das ändern?“ Die wichtigste Barriere, die Frauen auf dem Karriereweg behindert, sei die Sozialisierung. „Die Männer sorgen für das Einkommen, die Frauen erledigen die Hausarbeit und kümmern sich um die Kinder“, beschrieb sie das gängige Klischee, das aber noch immer in vielen Köpfen verankert sei – und in vielen Fällen auch gelebte Realität.

Um diese Barriere zu überwinden, brauche es in erster Linie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Fehlende Kita- und Hortplätze sowie die begrenzte Zahl von Teilzeitstellen würden es Frauen schwer machen, im Beruf Karriere zu machen. Dazu komme eine emotionale Barriere: Frauen hätten immer noch Angst, als „Rabenmutter“ angesehen zu werden, wenn sie zum Beispiel ihr Kind erst spät aus der Kita abholen. Führung sei zudem immer noch männlich konnotiert, zum Beispiel in der Stellenbeschreibung. Dort werde immer noch häufiger Durchsetzungsfähigkeit verlangt als Empathie. Um sich in einer Männerwelt durchzusetzen, fehle vielen Frauen aufgrund ihrer Sozialisierung noch das Selbstbewusstsein, so von Walcke-Schuldt.

Anerkennung aktiv einfordern: „Es steht dir zu“

Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, müsse man die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Dazu gehörten flexible Arbeitszeiten, Mentoring-Programme oder die Möglichkeit, Führungspositionen in Teilzeit zu übernehmen. Zudem sollten weibliche Kompetenzen für Führungspositionen verlangt und etabliert werden. Frauen mit Karrierewunsch riet sie, die eigene Karriere selbstbestimmt und selbstverständlich anzugehen und sich nicht selbst in Frage zu stellen. „Lass dir nicht den Rabenmutterstempel aufdrücken“, riet die Wirtschaftspsychologin. Zudem sei es wichtig, Beförderungen, mehr Gehalt oder mehr Anerkennung aktiv einzufordern: „Es steht dir zu!“

Frauen sollten zudem bewusst ihre weiblichen Stärken in ihre Führungsrolle einbringen und eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die definiert sei durch Zuhören, Verständnis, positive Feedbackkultur und Ermutigung. Frauen, die schon Karriere gemacht haben, hätten zudem fast immer einen Ausgleich wie Sport oder Meditation, an dem sie auch in stressigen Situationen festhielten. Der wichtigste Rat der Wirtschaftspsychologin für Frauen mit Führungsambitionen lautet jedoch: „Habe Spaß bei dem, was du tust.“

Leistung bringen, aber Spaß dabei haben

Spaß war auch ein wichtiger Faktor in der Karriere von Pia Weinkamm, Vorständin der Volksbank Raiffeisenbank Würzburg. In einer Podiumsrunde diskutierte sie mit Kerstin Holzner, Teamleiterin Immobilien und Energie bei der VR-Bank Rottal-Inn, sowie Jessica Wille, Personalentwicklerin bei der meine Volksbank Raiffeisenbank mit Sitz in Rosenheim, zum Thema „Karriere, Kultur, Quote – Wie gelingt Gleichstellung wirklich?“. Weinkamm ist nicht nur Vorständin der VR-Bank Würzburg, sondern auch alleinerziehende Mutter eines Sohnes. „Es gab Herausforderungen in meiner Karriere, aber ich habe sie nicht so wahrgenommen. Ich habe immer Spaß am Job gehabt, mir wurden Möglichkeiten geboten und ich habe sie genutzt“, betonte sie. Genauso wichtig sei es aber, Leistung zu zeigen. „Karriere machen ist nun mal anstrengend. Auch ein Mann wird nicht Bankvorstand, wenn er sich nicht anstrengt.“ Die Verbindung von Spaß und Leistung sei der Erfolgsfaktor. Das gab sie auch als Tipp an die Teilnehmerinnen weiter: „Zeigt Leistung und habt Spaß dabei.“

Verständnis für unterschiedliche Bedürfnisse fehlt noch

Bei der VR-Bank Rottal-Inn gibt es ein Mentoring-Programm, auf das sich dieses Jahr gleich viele Frauen und Männer beworben haben. Kerstin Holzner freut das. Um die Gleichstellung von Frauen und Männern in Unternehmen stärker voranzutreiben, brauche es aber noch ein generelles Umdenken. „Das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse im Job von Frauen und Männern muss noch wachsen“, findet Holzner. Bei der VR-Bank Rottal-Inn sei in dieser Hinsicht schon einiges in Bewegung geraten. „Unser Vorstand steht hinter dem Mentoring-Programm und fördert talentierte Frauen.“ Zwei junge Mütter in Teilzeit teilten sich neuerdings eine Führungsstelle. „Die machen das großartig“, findet Holzner. Ihr Rat an junge Frauen mit Karrierewunsch: „Bleibt hartnäckig und verliert nicht den Mut, wenn es mal nicht so läuft wie gewünscht.“

Unterschiedliche Perspektiven zulassen

Bei der meine Volksbank Raiffeisenbank steht das Förderprogramm für junge Talente ebenfalls beiden Geschlechtern offen. „Unser Ziel ist es, in die Mitarbeiterbindung zu investieren und die Unternehmenskultur so zu gestalten, dass unterschiedliche Perspektiven zugelassen werden. Es geht nur miteinander“, begründete Jessica Wille, warum sich die Bank gegen ein reines Frauenförderprogramm entschieden hat. Ihr hätten viele Menschen dabei geholfen, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden. Jungen Kollegen und insbesondere Kolleginnen, die Karriere machen wollen, riet sie: „Seid mutig und denkt laut. Man muss nicht alles können, aber man darf alles wollen.“

Vertrauenspersonen helfen bei Problemen

Katharina Kuhn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Raiffeisenbank im Oberland, berichtete über das Frauennetzwerk WoMen der Kreditgenossenschaft. Verschiedene Veranstaltungen zu Digital Detox, souveränem Auftreten oder verbaler Selbstverteidigung würden den Frauen helfen, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Für eine positive Unternehmenskultur und einen guten Umgang zwischen Kolleginnen und Kollegen sei es hilfreich, Vertrauenspersonen zu etablieren, an die sich Mitarbeitende bei Problemen wenden können, ohne gleich Konsequenzen befürchten zu müssen. Wenn es passt, nehmen an den Veranstaltungen des WoMen-Frauennetzwerk der Raiffeisenbank im Oberland auch Kollegen teil. „Es ist immer gut, in den Netzwerken die Haltung des Gegenübers zu verstehen, um den Austausch zu stärken und Schwarz-Weiß-Denken zu vermeiden“, meint Kuhn.

Frauen in der Bank sichtbarer machen

Dieser Ansicht waren auch Julia Bühl und Melanie Schruff von der Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Bühl ist stellvertretende Abteilungsleiterin Personalmanagement und -entwicklung, Schruff Leiterin des Bereichs VR Regional, zu dem die Geschäftsstellen und das KundenDialogCenter der Bank gehören. Auch in der Volksbank Raiffeisenbank Dachau gibt es ein Frauennetzwerk. „Es war uns eine Herzensangelegenheit, Frauen in der Bank zu pushen und sie sichtbarer zu machen“, sagte Schruff. In Workshops und in einem fünfteiligen Podcast versuchen die beiden Frauen, Vorurteile abzubauen und Themen anzusprechen, die ihre Kolleginnen beschäftigen, etwa zu Selbstmarketing und gelungener Kommunikation. Bei der Besetzung von Führungspositionen würden Männer immer noch Männer nachziehen. Aufgrund des Fachkräftemangels sei es aber ein großes Problem, wenn Frauen, die eigentlich bestens für eine Führungsposition geeignet wären, nicht berücksichtigt werden oder sich gar nicht erst bewerben. „Das ist ein großes Problem im Recruiting. Um das zu ändern, müssen wir auch die Kultur im Unternehmen ändern“, meinte Julia Bühl.

Unternehmen könnten an vielen Stellschrauben drehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und damit möglicherweise auch Frauen dazu zu bewegen, früher aus der Elternzeit wieder in den Job zu wechseln, meinte Schruff. Bei der Volksbank Raiffeisenbank Dachau sei der Wechsel in den Mutterschutz beziehungsweise die Elternzeit lange Zeit ein eher technischer Prozess gewesen. „Die Frauen haben ihre Karten und ihren Laptop abgegeben, und das war es dann“, berichtete Schruff. Die Frauen seien damit aber nicht glücklich gewesen. Eine werdende Mutter habe gemeint, der Vorgang fühle sich an wie bei einer Kündigung, sie gehe aber nur in Elternzeit.

Das führte bei Melanie Schruff zu einem Umdenken. Gemeinsam mit Julia Bühl überlegte sie, wie man den Prozess besser gestalten und den Kontakt zu Müttern – und auch Vätern – in Elternzeit halten könne. „Wir haben nun ein Elterncafé. Zwei Mal im Jahr werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Elternzeit zu einem Treffen eingeladen. Dort informieren wir sie über die neuesten Entwicklungen in der Bank, damit sie auf dem Laufenden sind“, berichtet Schruff. Mittlerweile rufe sie auch Mütter und Väter in Elternzeit an und frage, ob diese zurück in die Bank kommen wollen, wenn eine Stelle offen ist. Das werde fast immer wertgeschätzt. Schruff warb dafür, beim Thema Familie die Männer nicht zu vergessen. Die liefen in dieser Hinsicht häufig unter dem Radar. „Manchmal bekommen wir erst sehr spät mit, dass Kollegen Vater werden“, sagt Julia Bühl. „Deshalb verschicken wir jetzt Elternzeitanträge auch an Männer, sobald wir von der Schwangerschaft ihrer Partnerin erfahren. Auch das ist ein Schritt zu mehr Gleichberechtigung“, sagt Bühl.

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