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An der 55. Runde des Internationalen Jugendwettbewerbs jugend creativ beteiligten sich 230.000 Kinder und Jugendliche deutschlandweit. Dieses Mal lautete das Motto „Echt digital“. In ihren Wettbewerbsbeiträgen in den Kategorien Bildgestaltung, Kurzfilm und Quiz setzten sich die jungen Nachwuchskünstlerinnen und Nachwuchskünstler damit auseinander, wie die Digitalisierung ihr Leben beeinflusst. Bewertet wurden die eingereichten Arbeiten jeweils nach Altersgruppen.

Mitte Mai 2025 wählte die Bundesjury die besten Bilder und Kurzfilme Deutschlands. „Die jungen Talente haben uns mit ihrem differenzierten Blick auf die digitale Welt begeistert. Ihre Bilder und Filme spiegeln die Ambivalenz des Themas wider – von der Faszination für neue Möglichkeiten bis hin zur kritischen Betrachtung des digitalen Alltags“, sagt die Bundesjuryvorsitzende Anja Mohr, Professorin für Bildende Kunst und ihre Didaktik und Leiterin des Institutes für Kunstpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Im Interview mit „Profil“ geht die Bundesjuryvorsitzende darauf ein, dass bereits Grundschüler einen kritischen Blick auf die Digitalisierung haben und warum die Bundespreisträgerakademie ein besonderer Ort für die künstlerische Weiterentwicklung junger Menschen ist. Zudem verrät die Bundesjuryvorsitzende, welcher eingereichte Beitrag sie persönlich besonders begeisterte.
 

Welche Bedeutung hat der Wettbewerb jugend creativ sowohl für jüngere Grundschüler als auch für Jugendliche, die eine weiterführende Schule besuchen?

Anja Mohr: Kinder und Jugendliche lernen, sich künstlerisch und kreativ auszudrücken. Bei der Ausschreibung des Wettbewerbs erhalten Lehrkräfte zudem Konzepte, wie sie das Thema didaktisch und altersgerecht aufgreifen können. So findet im Klassenverband eine gemeinsame Auseinandersetzung mit einem aktuellen sozialen und gesellschaftsrelevanten Thema statt. Die Gewinne stellen überdies einen Anreiz dar, sich an einem Kunst-Wettbewerb zu beteiligen. Und für manche junge Künstlerinnen und Künstler ist dies wegweisend für die eigene künstlerische Zukunft. Es gibt einige ehemalige Teilnehmende, die später einen künstlerischen Weg eingeschlagen haben.


230.000 Kinder und Jugendliche haben sich deutschlandweit in verschiedenen Kategorien beteiligt. Das ist eine enorme Resonanz. Woran liegt es, dass das Interesse an der Teilnahme so groß ist?

Mohr: Viele Lehrkräfte binden den Wettbewerb Jahr für Jahr in ihren Unterricht mit ein. jugend creativ gehört für sie ganz selbstverständlich zum Jahres-Rhythmus dazu. Die Resonanz der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist daher so groß, da sie – neben den Informationen, die es in den Zweigstellen der Volks- und Raiffeisenbanken dazu gibt – von dem Wettbewerb auch in der Schule erfahren. Zudem wird bei der Themenfindung sehr auf die gesellschaftliche Relevanz geachtet. Das spornt an, mitzumachen.

Zur Themenfindung des Internationalen Jugendwettbewerbs

Der Wettbewerb jugend creativ ist seit seiner ersten Auflage im Jahr 1970 eine Gemeinschaftsinitiative von Genossenschaftsbanken aus mehreren Ländern. Heute findet der Internationale Wettbewerb neben Deutschland auch in Frankreich, Italien (Südtirol), Luxemburg, Österreich und in der Schweiz statt. „Daher geht es der Arbeitsgruppe, die für die Themenentwicklung zuständig ist, darum, ein Thema zu finden, das für alle Länder passend ist“, sagt Christiane Dörken, Head of Sponsoring und CSR beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). „Die Themen werden mit mehreren Jahren Vorlauf entwickelt und auch in Schulen getestet“, fährt Dörken fort. Das Thema „Echt digital“ beispielsweise sei schon weit vor der Corona-Pandemie angedacht worden, dessen Bedeutung wurde damit aber nochmals bestätigt. „Jahr für Jahr versuchen wir ein Thema zu entwickeln, das die öffentliche Debatte aufgreift, aber auch eine geeignete Aufgabenstellung für Kinder und Jugendliche darstellt“, sagt Dörken.

Wie setzt sich die Bundesjury zusammen?

Mohr: Bei der Zusammensetzung der Bundesjury achten wir darauf, eine möglichst große Diversität zu erreichen. Also gehören zur Jury ebenso Professoren wie Lehrkräfte aus der Schule. Hinzu kommen Vertreterinnen und Vertreter von Verlagen und Filmschaffende. Zur Jury gehört auch ein Museumsleiter, der selbst einmal bei jugend creativ gewonnen hat. Und besonders bereichernd ist der Austausch mit einem Preisträger oder einer Preisträgerin aus der vorherigen Wettbewerbsrunde, die zu unserem Team dazustoßen und ihren ganz eigenen, jungen Blick jeweils mitbringen.

Die Bewertung

Die Bewertung der Wettbewerbsbeiträge erfolgt durch fachkundige Jurys aus erfahrenen Kunstpädagogen, Medienexperten, Filmemachern und Künstlern – zunächst auf Ortsebene, dann auf Landes- und Bundesebene. Im Bereich Bildgestaltung werden sogar internationale Preisträger gekürt.

Bundesjury Bildgestaltung 2025

Zur Bundesjury Bildgestaltung gehörten in diesem Jahr neben der Juryvorsitzenden Prof. Dr. Anja Mohr: Janina Arlt, Oberstudienrätin für Kunst und Deutsch in Hamburg und Kulturbeauftragte am Gymnasium Eppendorf; Sebastian Baden, Direktor Schirn Kunsthalle Frankfurt; Lisa Beck, Bundespreisträgerin des 54. Internationale Jugendwettbewerbs; Prof. Andreas Brenne, Professor für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik, Universität Potsdam, Lehramt Kunst; Dr. Mareile Herbst, Programmleitung AutumnusVerlag; Lisa Moll, ehemalige jugend creativ-Bundespreisträgerin, freischaffende Künstlerin und Musikerin; Anika Preissler, Redaktion Grundschule Kunst, Fachzeitschrift des Friedrich Verlags; Agnes Sonntag, Redaktion Dein SPIEGEL; Dr. Florence Thurmes, Generaldirektorin Kunstsammlungen Chemnitz und Prof. Dr. Kirsten Winderlich, Professorin für Ästhetische Bildung in der Kindheit, Leiterin der grund_schule der künste an der Universität der Künste Berlin.

Bundesjury Kurzfilm 2025

Zur Bundesjury Kurzfilm 2025 gehörten neben der Juryvorsitzenden Prof. Dr. Anja Mohr: Esra Akkaya, Vorstandsmitglied bi'bak/Sinema Transtopia; Philipp Aubel, Projektleiter Junge Filmszene im Bundesverband Jugend und Film (BJF) in Frankfurt/Main; Tamara Denić, Regisseurin und Gewinnerin des Studenten-Oscars in der Sparte „Narrative/Erzählung“; Fabio Magnifico, Regisseur, Filmproduzent, Medienpädagoge, Universität Bielefeld und Universität Köln; Lea Schütte, Kulturelle Bildnerin mit Schwerpunkt Filmbildung & Vermittlung; Poutiaire Lionel Somé, Regisseur Film und Theater und Enrique Thum, Bundespreisträger des 54. Internationalen Jugendwettbewerbs.

Wie herausfordernd ist es für die Jury, unter all den eingereichten Werken eine Auswahl zu treffen?

Mohr: Ich sage immer: Wenn es nicht eine schwierige Entscheidung wäre, dann wäre die Jury falsch zusammengesetzt. Manchmal ist es so, dass man sich selbst schnell für ein Gewinnerbild entscheidet, dennoch gehört dann eine längere Diskussion, in der die anderen Jurymitglieder ihre Sicht äußern, zur Entscheidungsfindung mit dazu. Letztlich stimmen wir demokratisch ab. Der Prozess der Entscheidungsfindung ist immer spannend, da jedes Mitglied selbstverständlich eigene Kriterien für die Beurteilung miteinbringt, abhängig vom jeweiligen Hintergrund.

Wie sehr spielte das Alter der jungen Künstler und Künstlerinnen bei der Gestaltung des Themas „Echt digital“ eine Rolle? Ist die Sicht auf Digitalisierung bei Älteren kritischer als bei Jüngeren?

Mohr: Auch Grundschülerinnen und Grundschüler können die Digitalisierung kritisch beäugen. Themen wie eine neue Art der Kommunikation oder ein Gefühl der Isolation spielen auch in ihrem Alter schon eine Rolle, spätestens seit der Corona-Pandemie. Oft ging es ihnen bei der Gestaltung ihrer Werke daher um soziale und kommunikative Komponenten. Der Spannungsbogen, wie das Thema aufgegriffen wurde, war groß – ganz unabhängig vom Alter. Ältere thematisierten Fake News oder den Einfluss von Sozialen Medien auf ihr Leben, andere sahen wiederum den positiven Nutzen von Künstlicher Intelligenz in der Medizin. Die Komplexität war groß, es ploppten immer wieder verschiedenen Ebenen auf.

Gibt es ein Kunstwerk, das einen besonderen Eindruck bei Ihnen hinterlassen hat?

Ich denke da zum Beispiel an das Bild „Cat-fisch“: Die junge Künstlerin zeigt sich selbst in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme mit einer Zahnlücke und verstrubbelten Haaren. Daneben hält sie in Farbe ihr Handy mit einer perfekten Aufnahme von sich selbst. Mich hat das sehr berührt, wie das Mädchen mit dieser bildnerisch zweiten Ebene das Thema der manipulierten Darstellung gelöst hat. Ebenso hat mich das Bild eines Säuglings beeindruckt, der von mehreren Personen umgeben ist, die alle ein technisches Gerät in der Hand halten. Es gibt keine Wertschätzung der realen Situation. Mit dem Handy in der Hand gehen sie alle auf Distanz zu dem Kind in der Mitte.

jugend creativ steht sinnbildlich für die Genossenschaftsidee

Die Idee hinter dem Wettbewerb ist es, junge Menschen zu fördern, betont Cornelia Schulz, Pressesprecherin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): „Der Internationale Jugendwettbewerb wird von den Volksbanken und Raiffeisenbanken in Europa ausgeschrieben. Zwar werden im Rahmen des Wettbewerbs Materialien an Schulen ausgegeben, doch auch abseits des Schulbetriebs ist es Kindern und Jugendlichen möglich, am Wettbewerb jugend creativ teilzunehmen. Ziel des Internationalen Wettbewerbs ist es, die Kreativität junger Menschen anzuregen und ihnen eine Plattform zu geben, in Bildern und Kurzfilmen eigene Sichtweisen zu einem aktuellen Thema darzustellen. Dabei sind sie zur Eigeninitiative aufgerufen – ganz nach den genossenschaftlichen Prinzipien.“

Der Internationale Jugendwettbewerb ist nur ein Beispiel für das vielfältige gesellschaftliche Engagement der Volks- und Raiffeisenbanken. „Diese sind Veranstalter des Wettbewerbs und stellen den Kontakt zu den Schulen her“, ergänzt Christiane Dörken, Head of Sponsoring und CSR beim BVR. Die Werke können bei den veranstaltenden Volks- und Raiffeisenbanken eingereicht werden, Kurzfilme werden über ein Videoportal hochgeladen. Die besten regionalen Arbeiten werden zunächst an die bayernweite Jury weitergegeben. Von der Landesebene geht es für überzeugende Werke dann zur deutschlandweiten Prämierung durch die Bundesjury. Junge Talente haben in der Kategorie Bildgestaltung darüber hinaus sogar die Möglichkeit, sich mit den besten Künstlerinnen und Künstlern aus Frankreich, Luxemburg, Italien, Österreich und der Schweiz zu messen.

Bei jugend creativ gibt es nicht nur Sachpreise zu gewinnen. Die Preisträgerinnen und Preisträger dürfen an der Bundespreisträgerakademie teilnehmen.

Mohr: Das stimmt, unsere Akademie ist etwas Besonders für die besten Filmemacher und Bildgestalter und bietet einen idealen Ort, um sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Unser Ansatz ist, dass die jungen Talente eine Woche lang in kreatives Schaffen abtauchen und sich in den verschiedenen Werkstätten, ob das mit Graffiti oder einem Trickfilm ist, auf vielfältigste Weise mit Kunst beschäftigen können. Die Teilnehmenden arbeiten in festen Gruppen, der kreative Prozess in den Werkstätten, angeleitet von Künstlern und Pädagogen, ist intensiv. Während Ältere es auch einmal genießen, nur für sich über mehrere Stunden hinweg abzutauchen, bieten wir jüngeren Teilnehmenden eine breite Palette an künstlerischen Aktivitäten und sind natürlich immer an ihrer Seite, wenn sie sich künstlerisch ausleben. Und anders als in der Schule mit meist nur zwei Schulstunden Kunst in der Woche gibt es in der Akademie die Möglichkeit der längeren, freien Gestaltung. Doch neben dem Fachlichen geht es während der Akademie-Woche auch darum, gemeinsam die Freizeit zu gestalten, zusammen zu essen und Zeit miteinander zu verbringen.

Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb: Gibt es schon ein neues Thema für die nächste Wettbewerbsrunde?

Mohr: Gerade haben wir das Thema für die kommende Wettbewerbsrunde verkündet. Es lautet: Ozeane und Meere. Ich bin mir sicher, dass auch dies wieder ein sehr spannendes Thema darstellt, da ähnlich wie bei der Digitalisierung eine differenzierte und kritische Auseinandersetzung möglich ist. Es kann um nachdenkliche Aspekte wie die Erwärmung der Meere infolge des Klimawandels gehen, aber auch um die Wahrnehmung von Ozeanen und Meeren als magische und faszinierende Orte. Damit werden wir bestimmt wieder eine Ambivalenz in den eingereichten Kunstwerken zu sehen bekommen.

Statement der der Vorsitzenden der bayerischen Jury, Barbara Lutz-Sterzenbach:

„Die Bedeutung des Jugendwettbewerbs jugend creativ ist enorm. Besonders vor dem Hintergrund, dass der Kunst-Unterricht im Verhältnis zu anderen Schulfächern in der Stundentafel einen zunehmend marginalen Rang einnimmt. Ein Wettbewerb wie dieser, der nicht nur regional, sondern auch bundesweit und dann sogar noch über die Landesgrenze hinaus stattfindet, regt Kinder und Jugendliche zum künstlerischen Arbeiten an. Das fördert die persönliche Entwicklung junger Menschen. Der Wettbewerb betont die Bedeutsamkeit des Bildermachens und regt zur kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen an. Ob es um Nachhaltigkeit, ein Miteinander oder Digitalisierung geht – Kinder und Jugendliche können so aus ihrer Perspektive und mit ihrer eigenen Welterfahrung ein Thema künstlerisch bearbeiten.

In diesem Jahr war ich von der vielseitigen Umsetzung des Wettbewerbsmotto „Echt digital“ überaus positiv überrascht. Auffallend dabei war, wie oft Jugendliche ihre emotionale Belastung durch die Digitalisierung hervorgehoben haben. Sie zeigten in ihren Werken, wie häufig sie sich in ihrer Privatheit bedroht fühlen, wie sie darunter leiden, einem Schönheitsideal zu entsprechen, Stereotypen bedienen zu müssen und wie zwischenmenschliche Beziehungen durch Digitalisierung negativ beeinflusst sind. Einige jüngere Kinder dagegen gingen mit dem Thema sehr witzig und spielerisch um.

Die diesjährige Wettbewerbsrunde von jugend creativ zeigte einmal mehr, welches Potenzial der Wettbewerb hat. Er fördert das künstlerische Arbeiten, das ist enorm wichtig und regt sowohl Kinder als auch Jugendliche dazu an, in ihrem Werk Lösungen zu entwickeln und zu finden. Die Kunst fördert die Fähigkeit, kreativ zu denken. Und wer mit seinem Kunstwerk Erfolg hat, erfährt als Teilnehmender eine Form der ganz besonderen Freude und Anerkennung. Eine wertvolle Erfahrung für heranwachsende Menschen.“

Barbara Lutz-Sterzenbach ist Professorin für Kunstpädagogik und Visual Literacy an der Universität Passau und Vorsitzende der Landesjury Bayern von „jugend creativ“.

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