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Die wichtigsten Informationen

  • Der Raiffeisentag im Jahr 1985 fand auf dem alten Messegelände in München statt, es kamen rund 4.500 Besucher. Festredner war der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß.
  • In seinem Vortrag ging Strauß auf verschiedene Themen wie die Steuer-, Arbeitsmarkt- und Agrarpolitik sowie die Rolle der parlamentarischen Demokratie ein. Ebenso lobte er die Genossenschaften als unerlässliches, tragendes und belebendes Element in der bayerischen Wirtschaft.
  • Anschließend äußerte sich Hellmut Horlacher (Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Raiffeisenverbands) unverblümt zur politische Lage. Die Maßnahmen der sozial-liberale Koalition hätten zu einer hohen Arbeitslosigkeit geführt und die Wirtschaft geschädigt.

Ortswechsel vorerst verschoben: Am 16. Juli 2020 sollte der 121. Verbandstag des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) erstmals im Paulaner-Festsaal auf dem Nockherberg in München stattfinden. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, Programm und Ablauf waren fix. Dann kamen die Corona-Beschränkungen – und Verbandsrat sowie Vorstand des GVB entschieden sich schweren Herzens, die Veranstaltung abzusagen. „Die Absage ist sehr bedauerlich, aber eine virtuelle Durchführung wäre dem Zweck der Veranstaltung nicht gerecht geworden. Auch eine Verschiebung des Verbandstags wäre wegen des Vorbereitungsaufwands und der Größe der Veranstaltung ausgesprochen schwierig gewesen. Nun freuen wir uns darauf, das Fest der bayerischen Genossenschaften im kommendem Jahr wieder zu feiern – natürlich auf dem Nockherberg“, sagt GVB-Präsident Jürgen Gros.

Ein Fest der bayerischen Genossenschaften war auch der Bayerische Raiffeisentag am 18. Juli 1985. Damals kamen rund 4.500 Besucher auf dem alten Messegelände in München zusammen. Einer der Gründe für den großen Andrang: Als Festredner trat der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß auf. An Stelle eines Berichts über den abgesagten Verbandstag 2020 blickt „Profil“ auf den Raiffeisentag 1985 zurück.

Zukunftsangst, Selbstmitleid und Kleinmut überwinden

Das „Bayerische Raiffeisenblatt“ fasst den Vortrag von Franz Josef Strauß wie folgt zusammen: „In großen Zügen legte der Ministerpräsident Aufgaben und Ziele der Bayerischen Staatsregierung dar; freimütig und offen sprach er über die schwierigen und zähen Verhandlungen mit der Bundesregierung in zahlreichen steuerpolitischen und agrarpolitischen Fragen und verwies schließlich auf die von Bayern erreichten Erfolge und Vergünstigungen, die eine vernünftige Arbeitsmarkt- und Investitionspolitik ermöglichen. Die derzeit weit verbreitete pessimistische Auffassung, dass die parlamentarische Demokratie in einer Krise steckt, wird von Strauß nicht geteilt. Er rief vielmehr dazu auf, Zukunftsangst, Selbstmitleid und Kleinmut zu überwinden und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Hoffnung zu schaffen. Mehr denn je kommt es seiner Meinung nach darauf an, künftig eine Politik der geschichtlichen Erfahrung, der wirtschaftlichen Vernunft und der persönlichen Glaubwürdigkeit zu betreiben und dem Bürger auch verständlich zu machen.“ Der erste Teil der Rede lässt sich auf YouTube anhören.

Vieles von dem, was Strauß in seiner Rede anspricht, ist auch 35 Jahre später noch aktuell. Beispielsweise bezeichnet der ehemalige Ministerpräsident die Genossenschaften als unerlässliches, tragendes und belebendes Element in der bayerischen Wirtschaft. Zudem würdigt er die Bedeutung der Unternehmen für die mittelständische Wirtschaft. „Mit der Sicherung der selbstständigen Existenzen tragen die Genossenschaften auch zu einem breit gestreuten Eigentum an Produktionsmitteln bei, was für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unerlässlich ist.“

Lebensqualität für den ländlichen Raum

Eine weitere Parallele zu heute ist die Zukunft des ländlichen Raums. Dieser soll lebenswert und attraktiv bleiben, bekräftigt Strauß. Um die Lebensqualität zu fördern, stelle die Staatsregierung entsprechende Gelder für die Dorferneuerung zur Verfügung, so der Ministerpräsident. Zudem erwähnt Strauß die Agrarpolitik. Sein erklärtes Ziel sei es, sich für den Erhalt der Strukturen in der Landwirtschaft einzusetzen. „Unser Leitbild ist und bleibt der bäuerliche Familienbetrieb“, sagte der damalige Ministerpräsident auf dem Bayerischen Raiffeisentag 1985.

Gleichzeitig erwähnt Strauß in seiner Rede einige damals wichtige Themen, die einem heutigen Betrachter sehr fern erscheinen. Zwei Beispiele:

  • Strauß sorgt sich um die Lage der Bauwirtschaft. Es sei höchste Zeit, wirtschaftliche Impulse für die Branche zu setzen. Die bayerische Staatsregierung habe sich erfolgreich für Erleichterungen eingesetzt, als Beispiel nennt er die Verkürzung der Abschreibungsdauer für Betriebsgebäude.
  • Die Leistungsfähigkeit vieler junger Menschen sieht Strauß durch eine „kulturrevolutionäre Entwicklung“ bedroht. Der herrschende „Kultur- und Zivilisationspessimismus“ habe diese verführt, die Zukunft in düsteren Farben zu malen und in der Forderung nach Leistung nur den Ruf nach Ausbeutung zu sehen. Strauß: „Es ist nun nicht mehr eine Aufgabe nur der Politik, sondern eine Aufgabe unserer ganzen Gesellschaft und aller Bürger, in unserem Volke wieder Optimismus zu verbreiten, Zukunftshoffnung zu wahren und Vertrauen zu schaffen.“

Nach Strauß ergriff Hellmut Horlacher, Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Raiffeisenverbands, das Wort. Unverblümt äußerte er seine Sicht auf die damalige politische Lage: Die Politik der sozial-liberalen Koalition unter den Kanzlern Willy Brandt (1969 bis 1974) und Helmut Schmidt (1974 bis 1982) habe zu einer hohen Arbeitslosigkeit geführt und die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit geschädigt. Die Arbeitslosen seien unversehens zu einem Problem der Regierung unter Helmut Kohl geworden, der 1982 ins Kanzleramt eingezogen war. Dessen wirtschaftspolitische Kursänderung schaffe nun die Voraussetzungen für eine bessere wirtschaftliche Zukunft, erklärte Horlacher.

Ebenso sprach der Vorstandsvorsitzende über die Geschäftszahlen der bayerischen Genossenschaften: Horlacher attestierte den Banken eine überdurchschnittliche Entwicklung. Sie unterhielten Geschäftsbeziehungen zu 46 Prozent der bayerischen Bevölkerung. Zudem hätten die Raiffeisenbanken 1984 rund 370 Millionen D-Mark im Bankenbereich sowie etwa 180 Millionen D-Mark im Warenbereich investiert. „Modernste Technik steht heute hinter dem Tresen, die wettbewerbsfähig macht und die Wettbewerbsfähigkeit erhält“, sagte Horlacher. Dass Genossenschaften in ihre Zukunft investieren und sich erfolgreich am Markt behaupten – diese Aussage hätte sicherlich auch auf dem GVB-Verbandstag 2020 getroffen werden können.

Erinnerungen an die Bayerischen Raiffeisentage in den 1980er-Jahren

Gunter Flügel gehört zu den dienstältesten Mitarbeitern des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). 1984 trat er in den Bayerischen Raiffeisenverband ein, zusammen mit dem Bayerischen Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) die Vorgängerorganisation des heutigen GVB. Zu Beginn seiner Karriere arbeitete Flügel in der Personalabteilung und organisierte gemeinsam mit den damaligen Kollegen den jährlichen Raiffeisentag. Er erinnert sich: „Ein zentraler Unterschied zum heutigen Verbandstag war sicherlich die Zahl der Teilnehmer. Damals gab es noch deutlich mehr Raiffeisenbanken und dementsprechend ein größeres Publikum. 4.000 bis 5.000 Besucher waren normal. Die Organisation der Veranstaltung war somit eine große Herausforderung, vor allem, da sich die Teilnehmer damals noch per Fax oder Brief angemeldet haben. Am eigentlichen Tag gab es dann – aufgeteilt nach Regierungsbezirken – Anmeldestationen. Dort haben sich die Gäste registriert und Essensmarken erhalten, eine für mittags und eine für abends. Einlösen konnten sie diese neben der Messehalle im Pschorr- sowie im Hacker-Keller. Mancher hat auch nur die Essensmarken abgeholt und ist direkt in den Biergarten verschwunden. Das war aber natürlich die Ausnahme. Ein weiterer Unterschied: Im Anschluss an den Raiffeisentag fanden die Hauptversammlungen der Bayerischen Raiffeisen-Zentralbank sowie der BayWa statt. Auf diese Weise haben die Veranstaltungen gut und gerne den ganzen Tag gedauert.“

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