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Frage der EZB zu den Folgen ihrer Niedrigzinspolitik:

„Mit unserer Geldpolitik wollen wir dafür sorgen, dass der Euro im Zeitverlauf seinen Wert behält. Damit wir unsere Geldpolitik so wirkungsvoll wie möglich gestalten, interessieren uns Ihre Erwartungen und Sorgen im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung. (…) Wie wirken sich die niedrigen Zinsen und die Geldpolitik ganz allgemein auf Sie/Ihre Organisation, deren Mitglieder und die Wirtschaft insgesamt aus?“

Dazu meine ich: „Das unverändert niedrige Zinsumfeld birgt langfristig Risiken. Die grundlegenden Risiken sind schon seit Langem bekannt – werden dadurch aber nicht weniger drängend. Niedrigzinsen befördern gefährliche Staatsüberschuldungen, weil sich Staaten derzeit Geld quasi zum Nulltarif beschaffen können. Dies kann dringend benötigte strukturelle Reformen in den EU-Staaten verzögern. Die größte Gefahr besteht jedoch darin, dass Finanzmärkte bei stark überschuldeten Ländern das Vertrauen in deren langfristige Zahlungsfähigkeit verlieren. Dann drohen diesen Staaten hohe Zinszahlungen und schlussendlich eine Schuldenkrise, in der die Staaten ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können.

Aufgrund von fehlenden Anlagemöglichkeiten im Niedrigzinsumfeld steht auch die Altersvorsorge auf wackeligen Beinen. In den letzten Jahren ist es schwieriger geworden, rentierliche und dennoch sicherere Anlagemöglichkeiten für die Altersvorsorge zu finden, was besonders Pensionsfonds und Versicherungen belastet. Demgegenüber steigen die Preise weiter an – wenn auch zuletzt etwas moderater. Das angesparte Vermögen kann für das Alter nicht ausreichend verzinst werden.

Die Niedrigzinspolitik schafft zudem sogenannte Zombie-Firmen, die nur aufgrund des niedrigen Zinsumfelds überleben. Obwohl deren Geschäftsmodell längst überholt oder nicht überlebensfähig ist, bewahrt Liquidität zum Nulltarif solche Unternehmen vor dem Ausscheiden aus dem Markt. Zwar ist das Problem einer fehlenden Marktbereinigung hierzulande geringer als im weltweiten oder europaweiten Vergleich. Dennoch gehen Schätzungen davon aus, dass das Risiko, das von solchen Unternehmen auf die Volkswirtschaft ausgeht, in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen ist. Der aktuelle geldpolitische Kurs ist also mit enormen Nebenwirkungen verbunden.“

Frage der EZB zur Gewichtung „grüner“ Geldpolitik:

„Die Hauptaufgabe der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet. Ist die Stabilität der Preise sichergestellt, besteht die Aufgabe der EZB darin, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union zu unterstützen. Das bedeutet unter anderem, auf die nachhaltige Entwicklung Europas hinzuwirken. Diese soll auf einem ausgewogenen Wirtschaftswachstum basieren und auf einer sozialen Marktwirtschaft, die in hohem Maße wettbewerbsfähig ist und auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt. Außerdem sollen der Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität einen hohen Stellenwert haben.  Sollte die EZB Ihrer Meinung nach mehr oder weniger Gewicht auf diese anderen Gesichtspunkte legen und warum?“

Dazu meine ich: „Klima- und Umweltschutz sind aus meiner Sicht keine Ziele der Notenbank – auch wenn die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde das bei jeder Gelegenheit propagiert. Die Vermischung von Klima- und Geldpolitik führt dazu, dass das primäre Ziel der Notenbank – die Preisstabilität in der Eurozone – in den Hintergrund tritt. So könnte die EZB beispielweise eine Beendigung der Ankaufprogramme als Teil der expansiven Geldpolitik herauszögern, um mit ihren Anleihekäufen die Finanzierung grüner Investitionen weiter anzukurbeln. Ein Rückzug der EZB aus kohlestoffintensiven Assetklassen, wie er jetzt von Befürwortern einer grüneren EZB gefordert wird, könnte außerdem zu plötzlichen Marktverwerfungen führen. Umwelt- und Klimaschutz gehören in die Hände der politischen Entscheidungsträger und nicht in die der Notenbanker.

Statt auf den Klimaschutz sollte die EZB verstärkt auf die Finanzstabilität achten. Die unkonventionellen geldpolitischen Instrumente des letzten Jahrzehnts haben in einzelnen Vermögensmärkten zu Preisübertreibungen geführt. Insbesondere bei Immobilien und an den Anleihemärkten droht eine Blasenbildung. Daran ändert auch die Corona-Krise nichts. Denn die jüngsten geldpolitischen Maßnahmen waren als unmittelbare Krisenreaktion zwar nötig, langfristig können sie aber die beschriebenen Nebenwirkungen verstärken. 

Diesen Nebenwirkungen versucht die EZB bisher entgegenzuwirken, indem sie höhere Eigenkapitalanforderungen für systemweite Risiken bei Banken vorschreibt oder die Immobilienfinanzierung durch aufsichtliche Maßnahmen künstlich einschränkt. Doch werden diese Instrumente alleine nicht zielführend sein.“

Frage der EZB zur Kommunikation ihrer Geldpolitik:

„Uns ist bewusst, dass es für Entscheidungen rund um das Ausgeben, Sparen oder Anlegen von Geld beziehungsweise für die Kreditaufnahme hilfreich ist, zu wissen, wie die Geldpolitik funktioniert. Wir möchten gerne wissen, wie gut es uns bislang gelungen ist, unsere Maßnahmen und deren Hintergrund zu erklären. Was können wir tun, damit Sie unsere Entscheidungen und deren Folgen für Sie besser verstehen?“

Dazu meine ich: Eine klare Kommunikation der EZB stärkt das Vertrauen in die Notenbank und verbessert die Wirkung der Geldpolitik. Zu einer besseren Kommunikation der Geldpolitik gehört aber auch, dass die EZB ihre Maßnahmen regelmäßig überprüft. Dazu könnte die Notenbank beispielsweise mithilfe einer regelmäßigen „Review“ überprüfen, ob die einmal eingeführten geldpolitischen Instrumente effizient sind und die ursprünglich gewünschte Wirkung entfalten. Dazu zählt zum Beispiel die Verhinderung von Deflationsrisiken.

Bei einer solchen „Review“ der Instrumente kann sich die EZB an den Anforderungen orientieren, die der Europäische Gerichtshof für die Anleihekaufprogramme der Notenbank aufgestellt hat. Danach soll das gewählte geldpolitische Instrument im Rahmen des Mandats der EZB liegen, das Verhältnismäßigkeitsprinzip respektieren und nicht zur monetären Finanzierung des Staatsdefizits herhalten. Mit einem solchen Überprüfungsprozess kann die Notenbank darlegen, ob die getroffenen Maßnahmen diese Anforderungen weiterhin erfüllen.

Ziel einer Review ist es nicht, die Unabhängigkeit der Notenbank infrage zu stellen, sondern im Gegenteil die Legitimität der Geldpolitik zu verbessern. Eine regelmäßige Instrumenten-Review reduziert zudem das Risiko nachträglicher Rechtsstreitigkeiten und gewährt mehr Planungssicherheit für Marktakteure wie die genossenschaftlichen Regionalbanken.

Eine Review sollte insbesondere für das jüngste beschlossene Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) durchgeführt werden. Mit dem PEPP hat die EZB ihre Anleihenkäufe erneut stark ausgeweitet. Bisher ist nicht klar, unter welchen Bedingungen oder zu welchem Zeitpunkt die Notenbank das Programm wieder beenden wird. Es steht lediglich eine Obergrenze von derzeit 1,35 Billionen Euro fest, deren Anhebung sich die EZB vorbehält. Damit könnte das PEPP fortgeführt werden, obwohl es wirtschaftlich nicht mehr geboten ist. Das gilt besonders für den Fall, wenn diverse Konjunkturpakete ihre Wirkung entfalten und der Bedarf an geldpolitischer Nachfragestimulation zurückgeht. Um eine solche Review umzusetzen, ist die nun anstehende Strategie-Überprüfung der richtige Zeitpunkt. Jetzt kommt es darauf an, dass die Zentralbank die Chance nutzt und im Frankfurter EZB-Tower endlich ein Umdenken stattfindet.“


Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

EZB will Bürgern zuhören

Im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung will die Europäische Zentralbank auch den Bürgern zuhören. Dazu hat sie auf ihrer Webseite eine Umfrage auch in deutscher Sprache online gestellt. Nach einer kurzen Registrierung per E-Mail können die Bürger Fragen beantworten wie „Was bedeutet Preisstabilität für Sie?“ oder „Welche Erwartungen und Sorgen haben Sie in Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung?“. Die Bürgerumfrage läuft noch bis Ende August.

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