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Alexander Radwan über die Diskussion zum Ankauf von „grünen“ Anleihen durch die EZB:

„Zentralbanken werden politisiert und im Kampf gegen den Klimawandel instrumentalisiert. Das bisherige Mandat der Geldwertstabilität und Marktneutralität droht aufgegeben zu werden. Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarktentwicklung waren bisher zu Recht nicht im Fokus. Jetzt fordern Stimmen, dass die EZB ihre Investitionen verstärkt für den Kauf von grünen Anleihen nutzt.“

Dazu meine ich: „Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde will die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf mehr Nachhaltigkeit trimmen. Daraus machte sie bei ihrem Antritt keinen Hehl. Auch der bevorzugte Ankauf von „grünen“ Anleihen steht im Raum. Wenn die EZB jedoch Anleihen aufkauft anhand von Kriterien, die nicht mit ihren zentralen Aufgaben als Währungshüterin zusammenhängen, dann widerspricht sie einem ihrer wichtigsten Grundsätze: der Marktneutralität.

Wir sollten an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und der klaren Trennung der Geldpolitik von gesellschaftspolitischen Fragen festhalten. Die EZB erreicht schon heute kaum ihr angestrebtes Inflationsziel von unter, aber nahe zwei Prozent. Wenn nun noch der Auftrag der Nachhaltigkeit auf die Agenda rückt, besteht die Gefahr, dass die Zentralbank ihre eigentliche Mission weiter aus den Augen verliert.“

Alexander Radwan zur möglichen Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts:

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt droht weiter ausgehöhlt zu werden. Der neue zuständige italienische EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, Paolo Gentiloni, hat eine Überarbeitung angekündigt. Um den Mitgliedstaaten den Green Deal schmackhaft zu machen, könnten nationale Investitionen in die ESG-Ziele aus den Defiziten herausgerechnet werden. Dies wird umso wahrscheinlicher, wenn der EU-Haushalt nicht so signifikant wächst, wie es sich die EU-Kommission wünscht. Die Verschuldungsspirale der Staaten würde wieder steigen und die gemeinsame Währung aufgeweicht werden. Fehlinvestitionen sind absehbar.“

Dazu meine ich: „Auch hier trifft Alexander Radwan genau den richtigen Punkt. Die Schuldenkrise von 2010 ist in den Haushalten noch nicht überall verdaut, und schon öffnet man die Tür für neue Schuldenmacherei. Natürlich lassen sich staatliche Investitionen in den „Green Deal“ leichter finanzieren, wenn dies außerhalb der Haushaltsregeln möglich ist. Aber das ist dem Ziel, die EU nachhaltig zu machen, nicht unbedingt zuträglich. Zu groß scheint die Gefahr, dass EU-Staaten die Option nutzen, um die Ausgabenseite ihrer Haushalte zu optimieren. Eine Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist problematisch, auch für den Green Deal. Gerade in Zeiten, in denen das „Projekt Europa“ immer wieder infrage gestellt wird, sollte den Europa-Gegnern nicht mit der leichtfertigen Aufweichung bestehender Regeln in die Hände gespielt werden.

Davon abgesehen sind die Überlegungen zur gesonderten Behandlung von „Green-Deal-Investitionen“ im Hinblick auf Haftungsfragen höchst bedenklich. Sollten einige EU-Staaten in die von Radwan angesprochene Verschuldungsspirale rutschen und aus dieser ohne Hilfe nur noch schwer herausgelangen, dann ist der Schritt zur Vergemeinschaftung von Schulden nicht mehr weit. Staaten, die solide gewirtschaftet haben, müssen für die expansive Ausgabenpolitik anderer aufkommen – ob dies langfristig den Erfolg des „Green Deals“ gewährleistet, wage ich zu bezweifeln.“

Alexander Radwan zu ESG-Zielen in der Bankenregulierung:

„ESG-Ziele (Anmerkung der Redaktion: Ziele, die sich auf ökologische und soziale Aspekte sowie Aspekte guter Unternehmensführung beziehen) sollen in die Regulierung von Banken und Kapitalmärkten einbezogen werden. Auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene wird intensiv an Vorgaben gearbeitet. NGOs und Umweltverbände nehmen vermehrt Einfluss, und die Regulierung wird zunehmend politisiert. Gesellschaftspolitische Entscheidungen werden von den Parlamenten in intransparente Expertengruppen verlagert. Es stellt sich immer weniger die Frage, ob das Risiko von Krediten oder Investments hoch oder niedrig ist, sondern ob sie gut oder böse sind. Blasenbildungen wie 2008 werden wahrscheinlicher.“

Dazu meine ich: „Wenn es um die Verankerung von ökologischen Aspekten im Wirtschaftssektor geht, sollten Akteure mit ins Boot geholt werden, die sich seit Jahren bereits damit befassen. Klar ist aber auch, dass ein ausbalancierter, demokratischer Prozess notwendig ist, der allen Beteiligten ausreichend Gehör verschafft.

Ein aktuelles Beispiel ist die Regelung zur Taxonomie: Erst kürzlich haben sich EU-Parlament und Rat auf einen Kriterienkatalog für grüne Wirtschaftsaktivitäten geeinigt. Das Regelwerk wird immensen Einfluss auf Berichtspflichten von Unternehmen haben. Dennoch wurden bislang nur Eckpfeiler definiert und wichtige technische Details an eine Expertengruppe delegiert. Hier müssen unbedingt Vertreter der Realwirtschaft eingebunden werden, denn nur sie können beurteilen, welche Regeln praktikabel sind und somit keine Gefahr für Wachstum und Beschäftigung darstellen. Auch sorgt ein demokratischer Prozess dafür, dass Entscheidungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen gefällt werden.

Wenn wir anfangen, Investments nach „gut“ oder „böse“ zu bewerten, tritt die Betrachtung des Risikos in den Hintergrund. Beim Anleger könnte der Eindruck entstehen, „gute“ Investitionen seien stets sicherer als andere Alternativen. Damit steigt die Gefahr von Klumpenrisiken. Der Ausfall eines ganzen Sektors hätte dann verheerende Folgen für die Finanzmarktstabilität. Dass nicht jedes ökologisch gute Investment auch eine sichere Anlageform ist, hat beispielsweise die Insolvenz des Windparkbetreibers Prokon 2014 schmerzlich verdeutlicht. Deshalb dürfen politisch gewollte Ziele nicht auf Kosten der Stabilität des Finanzmarkts erreicht werden.“

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

Fundstelle

  • „So hätte Ludwig Erhard das Klima gerettet“, Gastkommentar von Alexander Radwan in der Wirtschaftswoche Nr. 6 vom 31. Januar 2020. Der Beitrag kann auf der Webseite von Alexander Radwan bei den Presseberichten eingesehen werden.
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