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Nachhaltiges Wirtschaften ist für die bayerischen Genossenschaften tägliches Geschäft. Ihr Streben war schon immer, durch vorausschauendes Handeln langfristigen Mitgliedernutzen zu schaffen. Und doch hat das Thema in den vergangenen Jahren eine völlig neue Dynamik bekommen, der sich auch die Genossenschaften nicht entziehen können. Politik und Regulatoren erhöhen den Druck auf die Wirtschaft, nachhaltiges Engagement zu dokumentieren und Nachhaltigkeitsrisiken entlang der Lieferkette stärker zu berücksichtigen. Zwei aktuelle Beispiele: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) plant, die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) von Banken mit der bevorstehenden Novelle erstmals um Anforderungen an das Management von Nachhaltigkeitsrisiken zu erweitern. Und auf europäischer Ebene will die EU deutlich mehr Unternehmen als bisher verpflichten, über ihre Nachhaltigkeit Bericht zu erstatten.

VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg: Zukunftsfest aufstellen

Die politischen Vorgaben werden auch auf dem Schreibtisch von Manuela Seeholzer landen, sobald sie spruchreif sind. Langweilig wird ihr bis dahin nicht. „Wir wollen nicht nur die Regulatorik erfüllen, sondern Nachhaltigkeit vorleben und damit ein Zeichen setzen. In unserer Managementstrategie spielt das Thema eine wesentliche Rolle“, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin der VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg. Nachhaltiges Engagement sei für den Vorstand ein wichtiger Baustein, um die VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg zukunftsfest aufzustellen.

Der Vorstand hat ihre Stelle neu geschaffen, Seeholzer trat ihr Amt im Februar 2022 an. Vorher war sie Anlageberaterin bei der VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg. „Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe. Ich behalte den Überblick über alle Themen und koordiniere die Stellen in der Bank, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Wenn es passt, bringe ich einzelne Fachbereiche zusammen. Außerdem schaue ich, was sich beim Thema Nachhaltigkeit so alles tut und was davon für die Bank interessant ist“, beschreibt Seeholzer ihre Aufgaben. Sie gehört zum Vorstandsstab und arbeitet eng mit dem für Nachhaltigkeit zuständigen Vorstand Konrad Hallhuber zusammen.

„Nachhaltigkeit“ gehört neben „Nähe“, „Vertrauen“, „Leistungsstärke“ und „Qualität“ zu den fünf ausformulierten Werten der VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg: „Als starker Finanzpartner und Arbeitgeber übernehmen wir wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung in unserer Region und setzen uns bewusst für eine lebenswerte Zukunft ein.“ Worte allein helfen jedoch wenig, um eine Bank nachhaltig zu machen, das weiß auch Manuela Seeholzer. Deshalb zählt es zu den Aufgaben der Nachhaltigkeitsmanagerin, die vielen Einzelmaßnahmen in ein Gesamtkonzept zu bringen. „Wir haben querbeet durch die Bank schon viel angestoßen, aber es fehlt noch eine durchgängige Struktur“, sagt sie. So bezieht die Bank Ökostrom von der Energiegenossenschaft Fünfseenland und erzeugt in der Niederlassung Herrsching eignen Strom mit einer PV-Anlage, der Fuhrpark besteht teilweise aus Elektrofahrzeugen, und 80 Prozent der Eigenanlagen sind mittlerweile als nachhaltig eingestuft, um nur einige Beispiele zu nennen.

2021 startete eine Projektgruppe mit dem Ziel, den Gedanken der Nachhaltigkeit noch stärker in die Bank zu tragen. Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen überlegten mit externer Begleitung, welche Möglichkeiten es dafür gibt. Da kam das Nachhaltigkeitscockpit des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sehr gelegen. Das Nachhaltigkeitscockpit unterstützt die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei ihrer Selbsteinschätzung, wie nachhaltig sie bereits wirtschaften. Kernstück ist der sogenannte Reifegradfächer mit sechs Reifegradstufen: (0) Abwarten, (1) Reagieren, (2) Systematisieren, (3) Positionieren, (4) Vorreiten, (5) Verwandeln/Revolutionieren. „Bei der Analyse unseres Ist-Zustands sind wir auf Stufe 1 gekommen, wir wollen aber mindestens Stufe 3 erreichen, wo möglich sogar Stufe 4“, erklärt Seeholzer.

Das Nachhaltigkeitscockpit des BVR

Am 25. November 2020 hat der Verbandsrat des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) das Nachhaltigkeitsleitbild der genossenschaftlichen FinanzGruppe „Nachhaltig wirtschaften für Menschen, Umwelt und Regionen“ verabschiedet. Es stellt den Fixpunkt für die Nachhaltigkeitsarbeit in den Volksbanken und Raiffeisenbanken dar. Zur Umsetzung des Leitbilds entwickelte der BVR zusammen mit den Regional- und Spartenverbänden den Leitfaden „Nachhaltig Wirtschaften – Analyse, Positionen, Strategien für Genossenschaftsbanken“ (im BVR Extranet).

Dreh- und Angelpunkt des Leitfadens ist das so genannte Nachhaltigkeitscockpit des BVR. Es soll die Banken in die Lage versetzen, ihre bisherige Nachhaltigkeitsarbeit kompakt und zügig zu analysieren sowie ein Zielbild zu definieren. Für jedes Handlungsfeld zeigt das Cockpit sechs verschiedene Ambitions- und Reifegradstufen von null bis fünf auf. Daraus lassen sich konkrete Umsetzungsmaßnahmen ableiten. Bei der Ausarbeitung wurde Wert darauf gelegt, dass alle Banken unabhängig von ihrer Ist-Situation und ihren Ambitionen mit dem Instrument arbeiten können. Weitere Informationen dazu gibt es im BVR-Extranet und im Nachhaltigkeitsportal der genossenschaftlichen Finanzgruppe.

Die VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg nutzte das Nachhaltigkeitscockpit, um in fünf Arbeitsgruppen abzuklopfen, wo die Bank zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. „Wir haben zum Beispiel mit Hilfe von DG Nexolution unseren CO2-Fußabdruck ermittelt. Nun haben wir eine konkrete Zahl und sind zu dem Schluss gekommen, unseren CO2-Fußabdruck deutlich zu reduzieren. Bis 2035 soll unsere Bank klimaneutral werden“, sagt Seeholzer.

Kleine Maßnahme, große Wirkung

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg dürfen im Büro kostenlos Kaffee trinken. Um den nachhaltigen Konsum zu unterstützen, bezieht die Bank fair gehandelten Biokaffee von einer regionalen Rösterei, die auch Kunde der Bank ist. „Das mag eine Kleinigkeit sein, aber mit großer Wirkung, denn alleine mit dieser Maßnahme zahlen wir auf elf von 17 UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung ein, darunter nachhaltiger Konsum und Produktion, keine Armut, kein Hunger, menschenwürdige Arbeit und weniger Ungleichheiten“, sagt Nachhaltigkeitsmanagerin Manuela Seeholzer.

Ziel sei es, den Energieverbrauch zu reduzieren und Emissionen zu vermeiden. „Die Kompensation von CO2 steht nicht im Vordergrund“, betont die Nachhaltigkeitsmanagerin. Dafür werden alle Liegenschaften der Bank Zug um Zug überprüft auf Sanierungsmöglichkeiten, Heizungen ausgetauscht und, wo es geht, Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach installiert. In der Tiefgarage in Herrsching sollen bald zehn weitere Ladesäulen für Elektrofahrzeuge entstehen. Bis alles umgesetzt ist, werden aber noch Jahre vergehen, kündigt Seeholzer an. „Das muss ja alles für die Bank auch wirtschaftlich tragbar sein.“ Weil auch die Mobilität ein CO2-Treiber ist, setzt die Bank auf alternative Angebote. „Wir arbeiten zum Beispiel an einem Mitfahrportal. Dazu haben sich mehrere Unternehmen in der Region zusammengeschlossen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam in die Arbeit fahren können“, kündigt Seeholzer an. Außerdem plant die VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg, im Anlagebereich eigene nachhaltige Produkte zu gestalten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Aufbau eines Datenmanagements, um Nachhaltigkeitsinformationen zu erfassen. „Wir brauchen diese Daten im Kreditgeschäft, aber auch zur Eigenkontrolle, zum Beispiel für den Nachhaltigkeitsbericht. Außerdem ist absehbar, dass die Aufsicht bestimmte Informationen von den Banken einfordert. Dafür wollen wir uns rüsten“, sagt Seeholzer. Daten zur Nachhaltigkeit werden für das Kreditgeschäft in Zukunft eine strategische Rolle spielen, betont die Nachhaltigkeitsmanagerin. „Das ist noch ein dunkles Feld, aber wir wollen auch nicht warten, bis uns die Regulatorik vorschreibt, welche Daten wir erfassen müssen.“ Dafür habe das Thema zu viel Potenzial. „Die Kunden erwarten von ihrer Bank, dass sie kompetent zu nachhaltigen Investitionen beraten werden, damit sie eine Entscheidung treffen können. Da dürfen wir sie nicht enttäuschen“, mahnt Seeholzer.

Nachhaltigkeitsforum am 8. März 2023

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) laden Führungskräfte und Nachhaltigkeitsverantwortliche bayerischer Genossenschaften für Mittwoch, 8. März 2023, zum Nachhaltigkeitsforum in das ABG Tagungszentrum in Beilngries ein. Der GVB wird über das nachhaltige Engagement in der genossenschaftlichen Finanzgruppe und die Umsetzung in den Primärbanken berichten. Außerdem sind Praxisvorträge etwa der Volksbank Raiffeisenbank Dachau zu E-Mobilität oder der VR-Bank Landsberg-Ammersee zur lokalen Energieversorgung geplant. Die UNO INO eG wird über Wahrheit und Mythen beim Klimawandel sprechen. Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite der ABG.

VR-Bank Bad Kissingen: Schritt für Schritt nachhaltiger aufstellen

Auch die VR-Bank Bad Kissingen arbeitet Schritt für Schritt daran, sich nachhaltiger aufzustellen. Das Thema wegzuschieben sei schon lange keine Option mehr, ist Vorstand Jürgen Klubertanz überzeugt. „Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Die Bedeutung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik wird noch zunehmen. Deshalb beschäftigen wir uns mit dem Thema und tragen es in unsere Bank“, sagt Klubertanz. Auch persönlich hält es der Vorstand für wichtig, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren und Flagge zu zeigen. „Man kann nicht Veränderung wollen und selbst nichts dafür tun. Wenn jeder nur wartet und hofft, dass jemand anderes aktiv wird, wartet man lange.“

Aktuell ist die VR-Bank Bad Kissingen dabei, mit vielen kleinen Lösungen ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Der Fuhrpark wird auf Elektrofahrzeuge umgestellt, die Mitarbeiter können über die Bank ein Jobrad beziehen und um den Papierverbrauch zu reduzieren, scannt die Bank Dokumente ein und speichert sie digital. „Dadurch konnten wir auch die Kurierfahrten zwischen unseren Geschäftsstellen reduzieren“, berichtet Klubertanz. Wo es gesetzlich zulässig ist, unterschreiben die Kunden digital auf einem sogenannten Penpad. Um den Energieverbrauch der Geschäftsstellen zu reduzieren, hat die Bank beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) ein Energie-Audit in Auftrag gegeben. Viele Filialen sind bereits auf Ökostrom umgestellt, weitere sollen folgen. „Es ist aktuell gar nicht so einfach, neue Ökostrom-Verträge zu bekommen, aber wir arbeiten laufend daran“, berichtet der Vorstand.

Intern treibt eine elfköpfige Projektgruppe die Transformation zu einer nachhaltigen Bank voran. Um ein möglichst breites Spektrum an Wissen und Erfahrung einzubringen, gehören der Projektgruppe Frauen und Männer unterschiedlichen Alters sowie aus unterschiedlichen Bereichen an. Alle vier Wochen trifft sich die Gruppe, um Projekte und das weitere Vorgehen zu besprechen. Jede Aufgabe ist dabei mit Zuständigkeiten und Zeithorizont in einer Projektdatenbank hinterlegt. „So halten wir das Thema ständig präsent“, sagt Klubertanz. Die VR-Bank Bad Kissingen orientiert sich dabei ebenfalls am Nachhaltigkeitscockpit des BVR und lässt sich vom GVB bei der Projektarbeit begleiten.

Schon jetzt fragt die VR-Bank Bad Kissingen bei Kreditengagements Nachhaltigkeitsdaten ab, obwohl diese aufsichtlich noch gar nicht vorgeschrieben sind. Dazu gehört bei Immobilien der Energieausweis oder ob diese in einer Überschwemmungszone liegen. Dazu gibt es das „Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“ (ZÜRS) des Gesamtverbands der Versicherer. „Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, die Erfassung und Auswertung von Daten zur Nachhaltigkeit in der genossenschaftlichen Finanzgruppe intelligent zu lösen“, sagt Klubertanz. Denn diese Daten spielten für die Kreditvergabe eine immer stärkere Rolle. „Eine Immobilie lässt sich besser verwerten, wenn sie energetisch auf dem neuesten Stand ist. Es wäre also denkbar, in den Kreditkonditionen darauf einzugehen. Aber dafür müssen wir den Zustand der Immobilie kennen“, gibt der Vorstand ein Beispiel.

In Kundengesprächen sprechen die Beraterinnen und Berater das Thema Nachhaltigkeit aktiv an. „Bei einer vernünftigen Beratung gehört das einfach dazu“, sagt Klubertanz. Abgesehen von den Vertriebschancen könne es der Bank sogar zum Nachteil gereichen, wenn Nachhaltigkeit in den Gesprächen keine Rolle spielt. „Die Kunden erwarten das. Wenn wir das nicht ansprechen, würde uns das als Malus ausgelegt“, sagt Klubertanz. Aber auch außerhalb der eigentlichen Beratung müsse die Bank immer häufiger Rechenschaft ablegen, inwiefern sie sich nachhaltig engagiert. „Dann heißt es: Was macht ihr? Welche Projekte unterstützt ihr?“, berichtet Klubertanz. „Deswegen ist es wichtig, Fortschritte und Erfolge beim nachhaltigen Engagement auch zu kommunizieren, damit die Kunden und Mitglieder abgeholt werden“, sagt der Vorstand.

ZWF-Webinar „Nachhaltige Girokontomodelle“

Wie kann ein Girokonto nachhaltig werden? Was erwarten Kundinnen und Kunden? In einem Webinar diskutiert der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Kantar das Für und Wider nachhaltiger Kontomodelle. Ziel der Veranstaltung ist es, einen Einblick in den Transformationsprozess zur nachhaltigen Gesamtbank mit Schwerpunkt auf Girokontomodelle zu geben. Die digitale Veranstaltung findet am Donnerstag, 16. Februar 2023, von 14 bis ca. 16 Uhr statt. Sie richtet sich an Vorstände, Vertriebsleiter, Organisationsleiter und Nachhaltigkeitsmanager bayerischer Volksbanken und Raiffeisenbanken. Für Mitgliedsbanken des Zentralen Werbefonds Bayerischer Genossenschaftsbanken (ZWF) ist das Webinar kostenfrei. Weitere Informationen und Anmeldung über das GVB-Mitgliederportal.

UNO INO eG: An Nachhaltigkeit heranrobben

Chiara Kühn gehört im Team der UNO INO eG der jungen Generation an. Die Genossenschaft aus Nürnberg hilft Unternehmen dabei, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten und diese zu kommunizieren. Die Beraterin macht den Genossenschaften Mut, das Thema anzugehen. „Es ist komplex, aber es ist ein Zukunftsthema. Alle Stakeholder-Gruppen fordern Nachhaltigkeit, auf Dauer kommt dem kein Unternehmen mehr aus“, sagt Kühn. Genossenschaften sollten sich jedoch nicht von der Komplexität einschüchtern lassen. „Am besten ist es, sich auf das Thema einzulassen und sich langsam an die Herausforderungen heranzurobben.“

Genossenschaften wirtschafteten schon aus ihrer Tradition heraus nachhaltig. Das sei ein guter Startpunkt, um erstmal den Status Quo zu analysieren: Was bedeutet Nachhaltigkeit für mich? Wo bin ich schon gut? Was macht die Konkurrenz? Wo kann ich schnell besser werden? Welche Punkte brauchen mehr Zeit? „Wenn ich diese Fragen für mich aufgedröselt habe, ergibt sich meistens schon eine Struktur, wie ich das Thema Nachhaltigkeit angehen kann. Und es wird ersichtlich, dass nachhaltiges Wirtschaften doch nicht so komplex ist wie gedacht“, sagt Kühn. Aus der Analyse lasse sich dann auch eine Nachhaltigkeitsstrategie ableiten. Die Kernfrage sei: Was ist mein Ziel und wie gelange ich dorthin?

Eines sei auf jeden Fall klar: „Die Regulatorik kommt schneller, als man schauen kann. Und wenn es nicht die Regulatorik ist, dann sind es die Kunden, die nachhaltige Produkte fordern“, sagt Kühn. Könnten Unternehmen nicht liefern, würden sich die Kunden schnell abwenden und andere Angebote nutzen. „Der Aufbau einer glaubhaften und gelebten Nachhaltigkeitsstrategie benötigt Zeit. Deshalb lieber früh anfangen, um später nicht von der Entwicklung überrollt zu werden“, sagt Kühn. Wichtig sei dabei, dass sich die Unternehmensstrategie und die Nachhaltigkeitsstrategie nicht widersprechen. „Wenn das nicht harmoniert, wirkt das schnell unglaubwürdig und die Unternehmen setzen sich dem Vorwurf des Green Washings aus“, sagt Kühn. Außerdem falle es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in solchen Fällen häufig schwer zu verstehen, wofür sie eigentlich arbeiten.

Die UNO INO eG versuche deshalb, Unternehmen die Angst zu nehmen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Kühn formuliert es als Appell: „Nachhaltigkeit sichert den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Fangen Sie Schritt für Schritt an. Dafür benötigen Sie auch keine externe Unterstützung.“ Es helfe auch, sich im persönlichen oder unternehmerischen Umfeld zum Thema auszutauschen und gemeinschaftlich daran zu arbeiten. Jeder kleine Schritt sei wertvoll. „Wenn viele im Kleinen anpacken, können wir gemeinsam Großes erreichen“, sagt Kühn. Friedrich Wilhelm Raiffeisen hätte dazu gesagt: „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele.“

Kantar: Nachhaltigkeit bei den Verbrauchern in Deutschland „top of mind“

31 Prozent der Deutschen nennen spontan den Klimawandel und Umweltprobleme als etwas, über das sie sich aktuell große Sorgen machen. Das berichtet das Marktforschungsunternehmen Kantar mit Sitz in München. Noch mehr Gedanken machten sich die Deutschen nur noch wegen des Kriegs in der Ukraine und der wirtschaftlichen Lage beziehungsweise der Inflation, so Kantar (Quelle: Kantar’s Global Issues Monitor, Oktober 2022).

Nachhaltigkeit ist bei den Verbrauchern in Deutschland „top of mind“, sagt Kantar: Laut dem Kantar’s Sustainability Sector Index 2022 würden 94 Prozent der Deutschen gerne einen nachhaltigeren Lebensstil führen, nicht nur was ökologische, sondern auch was soziale Aspekte betrifft. Immerhin 35 Prozent seien bereit, dafür auch Geld und Zeit zu investieren. Bei vielen stünden aber Sparbemühungen (55 Prozent) und Alltagsaufgaben (41 Prozent) einem nachhaltigeren Handeln entgegen. Zudem falle es der Mehrheit (55 Prozent) schwer, ohne großen Rechercheaufwand zu beurteilen, wie nachhaltig ein Produkt oder eine Dienstleistung ist, so Kantar.

Konsumenten wünschen sich Unterstützung

Die Konsumenten wünschen sich laut Kantar deshalb Unterstützung von Unternehmen. Sie möchten befähigt werden, sich nachhaltiger zu verhalten. Dabei seien die Erwartungen je Branche unterschiedlich: Bei den Finanzdienstleistungen stünden etwa Armut, die wachsende ökonomische Ungleichheit, aber auch der CO2-Fußabdruck im Fokus der Kunden.

Hier ist es laut Kantar für Versicherungen und Banken am dringlichsten Maßnahmen zu ergreifen, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Für Finanzdienstleister sei es wichtig, Nachhaltigkeit allumfassend zu berücksichtigen. Zum einen gehe es natürlich darum, Produkte nachhaltig zu gestalten und diese in das bestehende Produktportfolio zu integrieren. Zum anderen spiele aber auch das Engagement für Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Unternehmen selbst eine wichtige Rolle. Aspekte wie CO2-Bilanz, Elektromobilität, aber auch Betrugsprävention und Chancengleichheit liegen den Kunden am Herzen und können bei der Wahl des Finanzdienstleisters ausschlaggebend sein, so Kantar.

Menschen in Deutschland sind sehr kritisch

Allerdings sind die Menschen in Deutschland laut Kantar auch sehr kritisch. 56 Prozent unterstellen Unternehmen, dass sie sich nur aus kommerziellen Gründen in sozialen Fragen engagieren. Nur 22 Prozent haben noch nie falsche oder irreführende Informationen über nachhaltige Maßnahmen von Unternehmen, also Greenwashing, gesehen oder gehört. Kommunikation mit nachhaltigen Botschaften sollte also immer ehrlich und transparent sein, schlussfolgert das Marktforschungsunternehmen.

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