Marketing 2030: Die Genossenschaftliche Finanzgruppe arbeitet an einem Marketing-Zielbild für 2030. Wo steht das Projekt und wo gibt es schon Ergebnisse?
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- Prof. Marko Sarstedt, LMU München: „Die Welt ändert sich schneller als jede Strategie. Diese Erfahrung mussten viele Unternehmen auch im Marketing machen.“
- Florian Rohrmüller, Volksbank Raiffeisenbank Dachau: „Als Genossenschaft bekennen wir uns zu unserer Region. Mit unseren Marketing-Aktionen unterstreichen wir das.“
- VR-NetWorld: KI-Suche im Netz – ein Markt im Umbruch
Für Professor Marko Sarstedt ist Marketing vor allem Beziehungsarbeit. „Wenn die Verbindung zum Kunden langfristig halten soll, muss ich sie dauerhaft pflegen. Das ist wie bei einer gut geführten Ehe. Es gibt Höhen und Tiefen, aber die Beziehung hält“, sagt der Leiter des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Wert einer Kundenbeziehung entstehe durch Dauerhaftigkeit, nicht durch eine Einmaltransaktion.
Das sei an sich nichts Neues, meint der Professor. „Im Kern verfolgt Marketing heute die gleichen Ziele wie früher: Es geht darum, die Kunden und deren Bedürfnisse wirklich zu verstehen und für sie maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.“ Was sich aber geändert habe, seien die Wege, um diese Ziele zu erreichen. „Alles ist digitaler und dadurch schneller geworden, wir verfügen über eine viel größere Preistransparenz als früher, und auch die Kundenerwartungen haben sich verändert.“ Kunden seien ungeduldiger geworden, die Aufmerksamkeitsspanne habe sich stark verkürzt.
Einfache, schnelle und bequeme Lösungen
Prof. Marko Sarstedt ist Leiter des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Vor allem junge Menschen seien durch die digitale Welt geprägt, die auf einfache, schnelle und bequeme Lösungen setze. Dating-Apps seien ein gutes Beispiel dafür. „Wir sind zu einer Swipe-Gesellschaft geworden. Menschen fällen in Sekundenbruchteilen durch Wischen ihr Urteil, ob sie die Person kennenlernen wollen, die sie in der App sehen.“ Dieses Verhaltensmuster zeige exemplarisch, wie vor allem junge Leute heute Entscheidungen treffen: schnell und intuitiv. Daraus erwachse aber auch eine neue Erwartungshaltung an Produkte und Dienstleistungen: „Wenn die Dating-App so einfach funktioniert, dann möchte ich, dass es beim Zahlungsverkehr genauso ist“, gibt Sarstedt ein Beispiel.
Die Welt ändert sich schneller als jede Strategie
Diese Transformation des Nutzungsverhaltens sei zwar vorhersehbar gewesen, aber für viele Unternehmen in der Schnelle dann doch unerwartet gewesen. „Die Welt ändert sich schneller als jede Strategie. Diese Erfahrung mussten viele Unternehmen machen.“ Schnelligkeit bei der Entwicklung von maßgeschneiderten Angeboten sei deshalb das Gebot der Stunde. Doch die gehöre nicht unbedingt zu den Stärken Deutschlands, meint Sarstedt. Fintechs hätten Banken viel Geschäft weggenommen, genauso wie die deutsche Autoindustrie aktuell mit Absatzeinbrüchen zu kämpfen habe. „Die deutschen Autobauer haben sich bis vor kurzem als Ingenieure verstanden und Autos wie vor 20 Jahren gebaut – solide und mit vielen PS. Moderne Elektrofahrzeuge sind hingegen vernetzt und bieten ein ganz anderes Level an Komfort und Autonomie. Es geht primär nicht mehr nur um Fortbewegung, sondern um Komfort und Entertainment.“ Übertragen auf das Marketing und die Produktgestaltung heiße das: „Es ist nicht damit getan, alte Produkte neu zu verpacken, sondern Unternehmen müssen genau schauen, welche Bedürfnisse die heutigen Kunden wirklich haben.“
Digitalisierung und KI bieten enorme Chancen
Auf der anderen Seite böten Digitalisierung und neuerdings Künstliche Intelligenz aber auch enorme Chancen für das Marketing, ist Sarstedt überzeugt. „Digitale Kanäle ermöglichen ganz neue Interaktionen mit den Kunden, etwa über Chatbots auf der Webseite, die einfache Anfragen sofort beantworten können. Im Beschwerde- und Qualitätsmanagement lassen sich Kundenreaktionen mit Hilfe von KI in Echtzeit auswerten und proaktiv ansprechen. Im besten Fall lässt sich das Problem dadurch aus der Welt schaffen, bevor der Kunde seinen Ärger mit anderen teilt.“
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Personas könne man mittlerweile analysieren, ob eine Marketingkampagne bei der gewünschten Zielgruppe funktioniere. Unter Personas versteht man im Marketing eine fiktive Person, der für die jeweilige Zielgruppe typische Eigenschaften zugeschrieben werden. Auch bei der Generierung von Kundenkontakten („Leads“) könne KI helfen, indem sie passende Profile und Kanäle vorschlage. „Da gibt es viele Start-ups, die sich auf solche Anwendungen spezialisiert haben und die wirklich gut darin sind“, sagt Sarstedt.
Den Einwand, dass solche Tools möglicherweise gegen Datenschutzvorschriften verstoßen, lässt Sarstedt nicht gelten. „Diese Anwendungen benötigen nicht unbedingt interne Kundendaten, sondern sie arbeiten mit eigenen Datenbanken und Statistiken.“ Sarstedt appelliert an die Unternehmen, sich mit solchen Anwendungen auseinanderzusetzen und sie einfach mal auszuprobieren. „Was kann denn schon groß passieren? Im schlimmsten Fall hat man etwas Geld in den Sand gesetzt, im besten Fall läuft die Kampagne deutlich besser als vorher.“
Mitarbeitende zu Markenbotschaftern machen
Auch beim Auftritt von Unternehmen in den sozialen Medien plädiert der Professor für mehr Mut und Experimentierfreude. „Influencer-Marketing ist nicht mehr nur ein Trend, sondern fester Bestandteil im Marketing-Mix vieler Unternehmen. Authentisch auftretende Influencer sind gerade bei den jüngeren Generationen wichtige Vertrauenspersonen. Warum also nicht einen lokalen Influencer ansprechen, ob er oder sie offen für eine Zusammenarbeit ist? Da gibt es viel Potenzial“, sagt Sarstedt. Eine andere Möglichkeit sei es, Azubis und Mitarbeitende, die ein Faible für soziale Medien haben, zu Markenbotschaftern zu machen. „Die können dann auf Instagram & Co. den Followern ihren Betrieb und ihre Arbeit vorstellen – möglichst authentisch und gerne auf witzige Art und Weise.“ Dafür brauche es auch kein großes Budget. Wichtig sei nur, Mitarbeitende zu finden, die Lust darauf haben, sich und ihr Unternehmen in den sozialen Medien zu präsentieren. „Menschen erwarten in den sozialen Medien authentische Inhalte, die zu ihrem Lebensalltag passen. Und sie wollen schon auch eine Verbindung zu den Unternehmen haben, die sie aus ihrem persönlichen Umfeld kennen. Lokale Unternehmen haben also durchaus Chancen, trotz der Informationsflut in den sozialen Medien zu den Menschen durchzudringen, die sie erreichen wollen“, sagt Sarstedt.
Genossenschaften gehen mit der Zeit
Viele bayerische Genossenschaften beschäftigen sich bereits mit den Themen, die Professor Sarstedt angerissen hat. Sie sind erfolgreich auf Social Media vertreten wie die VR-Bank Isar-Vils (siehe Beitrag in dieser Ausgabe) oder die VR-Bank Main-Rhön (siehe Beitrag in „Profil“ 3/2025). Sie beschäftigen sich mit datenbasiertem Marketing und authentischen Content-Strategien (siehe Interview mit Stephanie Ammé von der VR Bank Augsburg-Ostallgäu in dieser Ausgabe). Ebenfalls ein Trendthema, das sehr schnell Fahrt aufnimmt: Suchmaschinenoptimierung für Soziale Medien und KI-Plattformen wie ChatGPT, Microsoft Copilot oder Gemini. Die VR-NetWorld bietet den bayerischen Genossenschaftsbanken dazu Unterstützung an (siehe Kasten am Textende). Aber auch die Mediaagentur OMD hat dazu Expertise. Sie unterstützt den Genossenschaftsverband Bayern (GVB) bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der Marketingkampagnen für die GVB-Mitgliedsbanken (siehe Interview mit Kathrin Franssen von OMD in dieser Ausgabe). Schließlich arbeitet auch die genossenschaftliche Finanzgruppe an einem einheitlichen Marketing-Zielbild für 2030 (Florian Kinast vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken stellt das Projekt in dieser Ausgabe vor). Der GVB schaltet nicht nur zentral Marketingkampagnen für die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken, sondern er bietet seinen Mitgliedern darüber hinaus zahlreiche Unterstützungsleistungen an (siehe Kasten sowie Beitrag zur GVB-Kampagnenplanung in dieser Ausgabe).
Genossenschaftliches Marketing bei der VR Bank Dachau
Die Volksbank Raiffeisenbank Dachau hat im Marketing schon viele Projekte erfolgreich auf den Weg gebracht:
- Sie hat ein eigenes Jugendmarktkonzept #GenerationZUKUNFT entwickelt (siehe dazu auch den Beitrag in „Profil“ 12/2022);
- die Mitgliedschaft ist ein zentrales Marketingthema der Volksbank Raiffeisenbank Dachau, Bankbotschafter aus den Reihen der Firmen- und Privatkunden werben dafür;
- die Bank betreibt seit zwölf Jahren eine eigene Vermögensverwaltung;
- außerdem bietet sie eine eigene Generationenberatung an;
- und zu guter Letzt betreibt sie einen sehr erfolgreichen Instagram-Kanal mit rund 4.600 Followern.
Dazu kommt seit dem Jahr 2010 die Reihe „Kunst und Bank“. Einmal im Jahr lädt die Volksbank Raiffeisenbank Dachau einen renommierten Künstler oder eine renommierte Künstlerin ein, ihre Werke in der Hauptstelle in Dachau auszustellen. 2016 zum Beispiel hieß der Künstler Georg Baselitz.
Bekenntnis zur Region auch im Marketing
Florian Rohrmüller, Pressesprecher der Volksbank Raiffeisenbank Dachau mit einem Faible für Marketing und Vertrieb. Foto: VR Bank Dachau
Warum macht die Bank das alles? „Weil wir uns als Genossenschaft zu unserer Region bekennen und die Menschen vor Ort fördern wollen. Mit unseren Marketing-Aktionen unterstreichen wir das“, sagt Florian Rohrmüller, Pressesprecher der Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Die Themen Marketing und Vertrieb liegen ihm besonders am Herzen. Gibt es so etwas wie ein genossenschaftliches Marketing? „Ich denke, ja“, sagt Rohrmüller. „Wir sind eine regionale Genossenschaftsbank, die sich über ihre Mitglieder definiert und diesen verpflichtet ist – und schon sind wir bei unserem Alleinstellungsmerkmal Mitgliedschaft und dem Prinzip der Genossenschaften. Hier ist es uns wichtig, Werte und Ziele einer Genossenschaftsbank herauszustellen – auch im Marketing.“
Mitgliedschaft als Anker im Marketing
Produkte und Dienstleistungen einer Genossenschaftsbank seien vergleichbar mit Angeboten anderer Bankengruppen, aber bei Merkmalen wie Fairness, Transparenz, dem Verzicht auf Gewinnmaximierung und insbesondere bei der Mitgliederförderung könnten sich die Kreditgenossenschaften von der Konkurrenz abheben, so Rohrmüller. Deshalb habe die Volksbank Raiffeisenbank Dachau eine eigene Webseite zur Mitgliedschaft mit individueller Bildsprache und dem Slogan „Gemeinsam erfolgreich sein – jetzt und in Zukunft“ kreiert. Auch in den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, Azubis und Praktikanten werde immer wieder das Alleinstellungsmerkmal Mitgliedschaft betont.
Eigene Bildsprache, hier zum Jugendmarktkonzept #GenerationZUKUNFT: Die Volksbank Raiffeisenbank Dachau setzt in ihren Kampagnen auf Motive mit eigenen Mitarbeitenden, Mitgliedern sowie Firmen- und Privatkunden. Das erhöht den Wiedererkennungswert und macht die Kampagnen authentisch. Foto: VR Bank Dachau
Eigene Bildsprache in allen Kampagnen
Die eigene Bildsprache zieht sich durch alle Kampagnen der Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Auf den Bildern sind ausschließlich echte Mitglieder, Privat- und Firmenkunden sowie Mitarbeitende zu sehen. Außerdem treten Firmen- und Privatkunden als „Bankbotschafter“ auf – so verdeutlicht die Bank ihre Verbundenheit mit der Region und sorgt gleichzeitig für Aufmerksamkeit. „Die Gesichter kennt man, die Menschen sprechen darüber“, berichtet Rohrmüller.
Der Marketingprofi formuliert eine „vorsichtige These“: Gerade, weil viele Bankprodukte austauschbar seien, sei Marketing die Königsdisziplin, um für Aufmerksamkeit in der Region zu sorgen und sich von den Wettbewerbern abzuheben. Die Kunst als Genossenschaftsbank sei dabei, modern und innovativ zu sein, ohne seine Wurzeln zu verraten. Und wie geht das bei der Volksbank Raiffeisenbank Dachau? Im Grunde müsse man das Marketing-Rad nicht neu erfinden, sagt Rohrmüller: Auf allen Kommunikationskanälen aktiv sein, mit lokalen Unternehmen, Vereinen und Initiativen kooperieren, regionale Veranstaltungen und Kulturprojekte sponsern, eigene Kundenevents organisieren. Der Unterschied liege im Fokus auf den genossenschaftlichen Werten und in der Umsetzung. „Marketing lebt von Leidenschaft und Kreativität. Je mehr die Mitarbeitenden davon mitbringen, desto besser das Ergebnis.“
VR-NetWorld: KI-Suche im Netz – ein Markt im Umbruch
Wer als Unternehmen im digitalen Raum nicht auffindbar ist, schwächt Kundenbindung und Vertrieb. Daher ist die Suche im Netz eines der zentralen Themen. Bisher dominiert Google mit seiner „klassischen“ Suchmaschine diesen Markt. Die digitale Suche steht jedoch vor einem tiefgreifenden Wandel: Künstliche Intelligenz (KI) verändert das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern bei der Suche nach Informationen im Netz.
Neue KI-Suchdienste drängen in den Markt, klassische Suchmaschinen erweitern ihre Funktionalität. Das führt zu veränderten Nutzungsgewohnheiten. Für Genossenschaftsbanken heißt das: Die Informationswege potenzieller Kundinnen und Kunden sind kürzer, Antworten prägnanter, Zugänge vielfältiger. Digitale Inhalte müssen deshalb nicht nur korrekt, sondern auch so gestaltet sein, dass KI-Systeme sie verarbeiten und darstellen können.
Antworten statt Trefferlisten
Traditionelle Suchergebnisse wie zum Beispiel die Trefferliste bei Google, die aus Links und kurzen Kommentaren besteht, weichen zunehmend kompakten Antworten: Informationen und Empfehlungen erscheinen direkt oben auf der Ergebnisliste oder werden in KI-generierten Oberflächen mittels Konversationen verfeinert. Nutzerinnen und Nutzer müssen so nicht mehr klicken, um an Informationen zu kommen. Diese „Zero-Click“-Situation bedeutet: Sichtbarkeit im Netz entsteht nicht mehr nur über steigenden Traffic, sondern über Präsenz in KI-Antworten und Markenkontext. Auch Banken müssen deshalb ihre Marke spürbar in diese Antwort-Logik integrieren. Es braucht Content, den KI versteht und nutzen kann.
Neue Messgrößen, neues Handeln
Im Zentrum stehen daher zunehmend Messgrößen wie „KI-Sichtbarkeit“ (wie oft eine Marke oder ein Inhalt in KI-Antworten erscheint) oder „Brand-Kontext-Match“ (wie stark eine Marke mit relevanten Themen verknüpft ist). Für den Finanzbereich gilt: Es reicht nicht mehr, „nur“ gefunden zu werden – es geht darum, korrekt eingebunden zu sein, angemessen dargestellt zu werden und mit positiven Attributen assoziiert zu werden.
Damit Inhalte in der neuen Welt der KI-Suche funktionieren, braucht es:
- eine klare und eindeutige Ausrichtung auf die Intention des/der Suchenden,
- verständlich formulierte Inhalte in normaler Sprache,
- strukturierte Daten, die KI auswerten kann,
- klare Markenattribute und Themenzuordnung,
- Marken-Präsenz in hochwertigen Medien und Plattformen,
- Qualitätssicherung und Aktualität als Standard.
VR-NetWorld als Partnerin
Die VR-NetWorld GmbH begleitet die genossenschaftlichen Banken bei der Ausarbeitung und Umsetzung dieser Strategien. Als Digital-Agentur bietet das Unternehmen von der Content-Gestaltung über die Markensteuerung bis zur Auffindbarkeit in KI-Antworten alle notwendigen Dienstleistungen.
Video zum Thema
In einer „NetInfo“-Onlinekonferenz hat die VR-NetWorld das Thema „KI in Search – Transparenz in einem dynamischen Markt“ aufgegriffen und ausführlich erläutert. Im ServicePortal der VR-NetWorld steht nach Anmeldung eine Aufzeichnung bereit.
Autor: Peter Jüde, VR-NetWorld
Weiterführende Links
- Die Webseite der Volksbank Raiffeisenbank Dachau
- Die Webseite der VR-NetWorld
- Das Institut für Marketing der LMU München
- Informationen zu Prof. Dr. Marko Sarstedt auf der Seite des Instituts für Marketing
- Informationen des GVB zu Marketing und Vertrieb für bayerische Volks- und Raiffeisenbanken gibt es im MuV-Manager