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Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben die Menschen in Deutschland mehr Geld auf die hohe Kante gelegt als in den Jahren zuvor. Sparten sie 2019 durchschnittlich 145 Euro im Monat, waren es Anfang 2022 schon 170 Euro, wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) herausgefunden hat. Die Haushalte erreichten in den vergangenen zwei Pandemiejahren eine stark überdurchschnittliche Sparquote – gemeint ist das gesparte Geld im Verhältnis zum Einkommen – von 16,4 Prozent (2020) und 15,1 Prozent (2021) – gegenüber zehn bis elf Prozent in den Jahren zuvor.

Trendwende eingeläutet

Die Inflation sowie die Zinswende haben diese Entwicklung jedoch jäh gestoppt. Nach dem Zuwachs in den Pandemiejahren legen die Menschen nun wieder weniger Geld zurück. Bereits im ersten Halbjahr 2022 ist die Sparquote deutlich auf 12,2 Prozent gesunken. Zusätzlich schlagen im kommenden Herbst und Winter die Kostensteigerungen im Energiebereich voll durch. Der BVR rechnet damit, dass die Sparquote für das Gesamtjahr 2022 auf einen einstelligen Wert zwischen neun und zehn Prozent zurückgeht. Das wäre der niedrigste Stand seit 2014. „Die hohe Inflation entzieht den Verbrauchern Kaufkraft, dadurch sinkt die Sparfähigkeit“, kommentiert BVR-Vorstand Andreas Martin. Besonders herausfordernd ist die Situation für Menschen mit geringem Einkommen. Da sie mehr Geld als früher für Lebensmittel, Miete und Mobilität ausgeben müssen, haben sie nur begrenzte Möglichkeiten, Ersparnisse aufzubauen.

GfK: Konsumklima abgestürzt

Die Menschen in Deutschland sparen nicht nur weniger, sondern geben auch weniger Geld für neue Anschaffungen aus. Laut der aktuellen Konsumklimastudie des Marktforschungsinstituts GfK befindet sich die Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Sinkflug. Für Oktober prognostiziert die GfK ein Konsumklima von -42,5 Punkten. Das sind 5,7 Punkte weniger als im September. Wesentlich dafür ist der starke Rückgang der Einkommenserwartung. Dieser Indikator liegt bei knapp -67,7 Punkten und damit auf einem Allzeittief. Seit Beginn der Erhebung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991 wurde kein niedrigerer Wert gemessen.

Zurückhaltung bei Einmalanlagen

Wie sich das Sparverhalten in der Praxis ändert, beobachtet Giovanni Gay, Geschäftsführer der Union Investment Privatfonds GmbH. „Wir stellen fest, dass die Menschen vor allem bei der Einmalanlage eines festen Betrags – beispielsweise 10.000 Euro – aktuell sehr zurückhaltend sind. Diese Verhaltensweise ist nicht neu, sondern tritt bei Krisensituationen regelmäßig auf“, erklärt er.

„Spar-Gen“ ist fest verankert

Für das „Anlegerbarometer“ befragt Union Investment regelmäßig die Menschen zu ihrem Spar- und Finanzverhalten. Laut der aktuellen Studie erwarten fast 40 Prozent der Deutschen, dass sich ihre finanzielle Situation verschlechtert. Im Vorquartal waren es zehn Prozentpunkte weniger. „Das ist schon eine bemerkenswerte hohe Zahl und zeigt, dass die Menschen mit viel Ungewissheit in die Zukunft blicken“, kommentiert Gay. Positiv stimmt ihn, dass der Spareifer der Menschen ungebrochen ist. Knapp drei Viertel der Menschen besitzen eine Geldanlage, in die sie regelmäßig einzahlen. „Das Spar-Gen ist in der Bevölkerung fest verankert. Wir erwarten, dass sie auch in schwierigen Zeiten weiterhin Geld auf die hohe Kante legen – sofern das für sie möglich ist“, betont Gay.

Aufgrund der Inflation und des Zinsanstiegs überdenkt jeder Dritte seine Geldanlage, hat Union Investment herausgefunden. Besonders interessant für Banken: Für 43 Prozent der Befragten ist ein Beratungsgespräch in einem Kreditinstitut eine wichtige Möglichkeit, um sich über die aktuelle Anlagesituation zu informieren. Damit ergeben sich Vertriebspotentiale. Auch Gay rät Verbraucherinnen und Verbrauchern dazu, sich von Fachleuten beraten zu lassen. „Wer darüber nachdenkt, seine Geldanlage neu zu strukturieren, sollte am besten bei einem individuellen Beratungsgespräch herausfinden, welche Lösung die passende ist. Professionelle Unterstützung ist in diesem Bereich sehr wichtig. Gemeinsam lässt sich gut definieren, welches Sparziel verfolgt werden soll oder wie lange der Anlagehorizont ist.“

Immobilien sind die beliebteste Anlageform

Obwohl viele Banken wieder positive Zinsen auf das klassische Sparbuch oder Tages- und Festgeld zahlen, bleiben diese Formen der Geldanlage wenig attraktiv. Nur 14 Prozent der Menschen setzen auf das Sparbuch, hat Union Investment herausgefunden. Weitaus beliebter ist die Geldanlage in Immobilien (72 Prozent), die Betriebsrente (60 Prozent), Investmentfonds (48 Prozent) und Aktien (46 Prozent). Jüngere Menschen interessieren sich noch stärker für die beiden letztgenannten Anlageformen. Auch Gay bekräftigt, dass es sich lohnen kann, am Aktienmarkt einzusteigen. „Dabei empfehlen wir, das Geld nicht auf einmal zu investieren, sondern monatlich. Auf diese Weise umschifft man das Risiko, zu einem schlechten Zeitpunkt investiert zu haben“, erklärt der Union-Investment-Experte.

Größere Anschaffungen werden zurückgestellt

Auch das Marktforschungsunternehmen Kantar hat in einer repräsentativen Studie herausgefunden, dass viele Menschen in Deutschland ihr Finanzverhalten ändern oder ändern möchten. Bereits jeder Vierte hat eine größere Anschaffung zurückgestellt. Den Sparbetrag beziehungsweise die Rücklagen reduzieren 14 Prozent der Menschen, sechs Prozent planen dies in den kommenden Monaten. Zwölf Prozent der Befragten überzieht das Girokonto oder nimmt einen Dispokredit in Anspruch, drei Prozent werden dies künftig tun. Und einen Immobilienkauf beziehungsweise eine Renovierung haben bereits sieben Prozent der Menschen, die das geplant haben, zurückgestellt.

Menschen vertrauen Finanzdienstleistern

Zudem hat Kantar gefragt, wie sich die Inflation konkret auf das Finanzverhalten der Menschen auswirkt. Positiv für Banken: Mehr als 80 Prozent vertrauen in unsicheren Zeiten auf bewährte Finanzdienstleister. Und über die Hälfte der Befragten erwartet, dass ihre Kreditinstitute aktiv auf sie zukommen und beispielsweise zu einem Beratungsgespräch einladen. Es gibt jedoch auch eine nicht zu unterschätzende Wechselstimmung: 23 Prozent der Menschen vergleicht verstärkt die Angebote von verschiedenen Finanzdienstleistern. Und eine ebenso große Anzahl der Befragten ist bereit, bei einem attraktiven Angebot die eigene Bank oder Sparkasse zu wechseln.

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