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In einer Notenpresse werden 20-Euro-Scheine gedruckt (Symbolbild der Deutschen Bundesbank).

Aktuell erleben die Banken in Deutschland und der Eurozone eine Zinswende der Superlative, neben den Leitzinsen der EZB auch abzulesen am Swap-Satz für zehn Jahre. Dieser Referenzzinssatz zeigt an, welche Zinssätze Banken für bestimmte Laufzeiten zu zahlen bereit sind. Im Oktober 2020 erzielte der zehnjährige Swap-Satz mit -0,29 Prozent einen Negativrekord. Das hatte es vorher noch nie gegeben. Von Oktober 2021 bis Oktober 2022 schoss der Swap-Satz für zehn Jahre dann um ganze drei Prozentpunkte auf aktuell knapp über drei Prozent nach oben – der stärkste Anstieg innerhalb von zwölf Monaten seit mindestens 50 Jahren. Wenn man bedenkt, dass ein Zinsanstieg von 2,0 Prozentpunkten für Banken allgemein als Stressszenario gilt, kommt der Anstieg um drei Prozentpunkte in dieser kurzen Zeit einem Erdbeben gleich. Bei Inflationsraten um die zehn Prozent dürfte die dynamische Entwicklung der Zinsen noch nicht zu Ende sein.

Was bedeutet dies für die Volksbanken und Raiffeisenbanken? Hier sollten die Kreditgenossenschaften zwei Betrachtungszeiträume unterscheiden. Erstens die taktische Dimension der nächsten Monate, insbesondere bis zum nächsten Jahresabschluss, und zweitens die strategische Dimension, ebenfalls beginnend ab heute, aber mit einem längeren Fokus.

Taktische Dimension

In der taktischen Dimension gilt es, die Folgen des Zinsanstiegs zu beherrschen. Hier gibt es kein Patentrezept, da jede Bank anders aufgestellt ist. Deshalb muss jedes Institut die eigenen Gegebenheiten intensiv betrachten und auf dieser Grundlage entscheiden. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat seine Mitgliedsbanken in Rundschreiben und Live-Streams bereits über verschiedene Szenarien und Lösungsmöglichkeiten informiert. Wichtig ist, in der taktischen Dimension ebenso wie in der strategischen Dimension in verschiedenen Szenarien zu denken und die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen.

Strategische Dimension

Bedeutsamer ist, bei aller Eilbedürftigkeit der taktischen Dimension, die strategische Dimension der Entwicklungen nicht außer Acht zu lassen. Auf was sollten sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken einstellen?

Aus dem Übel wird ein Segen
Die Phase der Negativzinsen ist vorbei, das bedeutet im Umkehrschluss, dass aus dem einstigen Übel der Einlagen nun eine Ertragschance wird. Mit Einlagen lässt sich wieder Geld verdienen. Die wesentlichen Aspekte sollten die Banken im Rahmen einer Produktstrategie festlegen. Diese Produktstrategie sollte nicht nur vertriebliche, sondern auch steuerungstechnische Aspekte verbinden.

Weniger Wertpapiergeschäft
In Zeiten der Unsicherheit und volatiler Kapitalmärkte wird das Zugpferd des Vermittlungsgeschäfts, die Vermittlung von Kundengeldern in Wertpapierfonds, an Zugkraft verlieren. Verbraucher werden vermutlich wieder stärker in Bankprodukte investieren. Die Provisionsspanne gerät unter Druck.

Weniger Kreditnachfrage, mehr Wettbewerb
Die Kreditnachfrage bricht ein, weil sich viele Investitionen sowohl im privaten wie im gewerblichen Bereich nicht mehr rechnen. Im Umkehrschluss wird der Wettbewerb um die guten Adressen weiter zunehmen. Hier sollte auf eine adäquate Bepreisung geachtet werden, die alle Kosten inklusive der Kapitalkosten und die notwendige Eigenkapitalthesaurierung berücksichtigt.  Dies steht auch im Einklang mit den geplanten Anforderungen der siebten MaRisk-Novelle.

Weniger Erträge aus der Fristentransformation
Die Erträge aus der Fristentransformation, also aus der Umwandlung von kürzer laufenden Einlagen in länger laufende Kredite oder Kapitalanlagen, werden wohl weiter zurückgehen. Die Zinsstrukturkurve ist derzeit sehr flach, tageweise war sie sogar invers. Eine flache Zinsstrukturkurve liegt vor, wenn der kurzfristige und der langfristige Zinssatz auf ähnlichem Niveau liegen. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, das durch die Fristentransformation eingegangene Zinsänderungsrisiko mit einem adäquaten Ertrag zu verbinden. Auch in Zukunft ist mit einer flachen beziehungsweise inversen Zinsstrukturkurve zu rechnen.

Alternative Geschäftsfelder, insbesondere Immobilieninvestments, stehen auf dem Prüfstand
Viele Investoren stellen ihre Immobilienprojekte wegen der stark gestiegenen Baukosten und sinkender Renditeaussichten auf den Prüfstand. Davor sind auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei eigenen Immobilieninvestments nicht gefeit. Die Gestehungskosten sind zweifellos deutlich gestiegen und die Spielräume für Mieterhöhungen aufgrund der mit aller Macht heranrollenden Rezession beschränkt. Dies wirkt sich negativ auf die Mietrendite aus. Diese sind aber auch deshalb nicht mehr so lukrativ, weil vergleichbare langlaufende Wertpapiere nun deutlich höher rentieren. Es bleibt lediglich noch die Hoffnung auf Wertsteigerungen der Immobilieninvestments. Auch bei vorhandenen Immobilieninvestments schneiden die Renditen gegenüber vergleichbaren, langlaufenden Wertpapieren entsprechend schlechter ab.

Hinzu kommt, dass durch den Bewertungsaufwand der Kapitalanlagen Eigenkapital verzehrt wurde und im Kreditrisikostandardansatz (KSA) betriebsfremde Immobilien mit einem Risikofaktor von 100 Prozent anzusetzen sind. Dies führt zu einer entsprechenden Belastung der Eigenmittel, während das eine oder andere mittlerweile höher rentierende Wertpapier gegebenenfalls deutlich weniger Eigenkapital verbraucht. Zusätzlich fallen in der Regel für die Verwaltung der Immobilieninvestments mehr Sach- oder Personalkosten an als für ein alternatives Wertpapierinvestment.

Die Entscheidung für oder gegen Immobilieninvestments fußt bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Regel auf einer langfristigen Strategie, die auch Szenarien mit steigenden Zinsen umfasst, auch wenn das historische Ausmaß des aktuellen Zinsanstiegs so nicht vorhersehbar war. Der GVB empfiehlt deshalb, die aktuelle Situation ganz generell zum Anlass zu nehmen, die eigene Immobilienstrategie zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Für die übrigen Bereiche alternativer Investments gilt dasselbe.

Risikofrüherkennung
Die Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland stehen auf Krise. Das wird sich auch auf die Kreditrisiken auswirken. Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken gilt es nun, ihre Kreditvergabepolitik an die strategischen Planungen anzupassen und mit diesen Risiken professionell umzugehen. Ein elementarer Aspekt ist die Risikofrüherkennung. Hierzu gehört nach Überzeugung des GVB das regelmäßige Überprüfen des Kreditbestands auf der Basis von Kriterien, die aus der Entwicklung des geschäftlichen Umfelds abgeleitet werden. Dazu gehört auch, abgestufte Maßnahmen festzulegen, damit bei der Identifikation auffälliger Kredite angemessen reagiert werden kann.

Fazit

Auch wenn die Bewältigung der Zinswende alle Banken vor gewaltige Aufgaben stellt, so befinden sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern doch in einer sehr guten Ausgangsposition, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Bei einer geschickten Anpassung ihrer Strategie an die geänderten Rahmenbedingungen können sie aus einem Moment der Stärke agieren und auch künftig der Stabilitätsanker in der deutschen Bankenlandschaft sein.

Um diese Position zu halten, sollten die Kreditgenossenschaften zeitnah ihre Geschäftsstrategie überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dazu gehört auch, die Allokation des immer knapper werdenden Eigenkapitals und die Risikotragfähigkeit zu überprüfen. Von ähnlicher Wichtigkeit ist es, die Risiken aktiv zu steuern. Noch nie haben dies die Rahmenbedingungen mehr erfordert als in der jetzigen Zeit.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit neue Erträge aus dem Einlagenbereich die Rückgänge in anderen Bereichen ausgleichen können. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird es für die Banken noch viel wichtiger, Transparenz über die Ertragsquellen des Hauses zu haben, um daraus richtige Schlüsse auch für die Kostenseite zu ziehen. Eine Geschäftsfeldrechnung und eine Geschäftsfeldplanung sind hierbei ebenso unerlässlich wie eine hinreichende Produktstrategie, die neben vertrieblichen Themen auch Aspekte der Steuerung und Preisfindung abhandelt.

Unterstützungsleistungen des GVB

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken dabei, die Zinswende zu managen, die eigenen Strategien zu überprüfen und sich gegebenenfalls neu zu positionieren. Neben einer zentralen Informationsseite zum Zinsanstieg bietet der Verband verschiedene Werkzeuge und Beratungsleistungen an.

Zentrale Informationsseite
Alle zuständigen Bereiche und Organisationseinheiten des GVB arbeiten intensiv zusammen, um den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken alle Informationen und Unterstützungsleistungen zum Zinsanstieg gebündelt zur Verfügung zu stellen. Dazu hat der Verband im GVB-Mitgliederportal eine eigene Themenseite „Zinsanstieg“ eingerichtet. Dort finden die Banken nicht nur alle aktuellen Meldungen zum Thema, sondern auch die dazugehörigen Dokumente sowie alle Ansprechpartner. Ebenso werden auf der Themenseite Terminhinweise zu Seminaren und Webinaren rund um den Zinsanstieg eingestellt. Banken, die werktäglich per E-Mail über neue Meldungen informiert werden wollen, können sich eine Benachrichtigung mit dem Schlagwort „Zinsanstieg“ einrichten.

Werkzeuge
Der GVB bietet seinen Mitgliedern eine ganze Reihe von Softwareanwendungen und Werkzeugen, die auch bei der Bewältigung des Zinsanstiegs hervorragende Dienste leisten.

  • VR Bankreport: Mit diesem Tool können sich die Banken mit anderen Kreditgenossenschaften vergleichen und dadurch ihren individuellen Status quo analysieren. Die Vergleichszahlen stellt der GVB anonymisiert zur Verfügung. Bei der Beurteilung der Eigenkapitalausstattung ist die halbjährlich vom GVB für alle Mitgliedsbanken erstellte Sonderauswertung „Eigenkapital-Benchmarking“ sehr hilfreich.
  • VR SGF Analyse: Mit diesem Tool haben die Banken ihre strategischen Geschäftsfelder (SGF) genau im Blick. Die Anwendung ermöglicht die Geschäftsfeldrechnung im Kundengeschäft und eine Profitabilitätsbetrachtung der Kundengeschäftsfelder, jeweils mit Vergleichszahlen.
  • Geschäftsfeldrechnung für übergeordnete bankfremde Geschäftsfelder:  Diese Leistung bietet die GVB EDV-Service GmbH mit dem Hersbrucker Jahresabschlussprogramm an.
  • VR SGF Planer: Mit dieser Anwendung wird die Geschäftsfeldplanung im Kundengeschäft erleichtert.
  • Eigenkapitalplanung im VR SGF Planer: Innerhalb der Anwendung können die Banken ihre Eigenkapitalausstattung in verschiedenen Szenarien simulieren sowie die bankfremden Geschäftsfelder planen.
  • GVB-Vorlage Produktstrategie: Diese Leistung wird vom GVB gerade entwickelt. Sie soll den Volksbanken und Raiffeisenbanken Muster für eine individuell passende Produktstrategie liefern.

Beratungsleistungen

  • VR Review und VR BusinessPlan: Mit diesen beiden Leistungen hilft der GVB den Banken, ihre strategische Positionierung zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten. Nachgelagert bietet der GVB eine auf den individuellen Bedarf der Bank abgestimmte Umsetzungsbegleitung.
  • VR Risikomanagement Audit: Diese Leistung umfasst die Inventur der Risiken inklusive einer Beurteilungshilfe für die Risikoinventurvergleichserhebung sowie die Überprüfung der Risikomessmethoden, einen Parametercheck und die Kapitalplanung. Daraus werden dann passende Risikostrategien beziehungsweise Teilrisikostrategien abgeleitet.
  • Beratungsleistung zur Produktstrategie: Diese Leistung befindet sich analog zur GVB-Vorlage Produktstrategie noch in Entwicklung.
  • Telefonische Unterstützung: Die verschiedenen Fachabteilungen des GVB helfen bei telefonischen Anfragen zum Zinsanstieg gerne weiter. Die Kontaktdaten aller Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden sich auf der Themenseite Zinsanstieg im GVB-Mitgliederportal.


Carlo Seitz ist Leiter Prüfungsnahe Betreuung beim Genossenschaftsverband Bayern. Er ist unter cseitz(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3600 erreichbar.

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