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Mehr als 300 Energiegenossenschaften sind Mitglied im Genossenschaftsverband Bayern (GVB). Sie bauen Wärmenetze, Photovoltaikanlagen und beteiligen Bürgerinnen und Bürger vor Ort an ihrer Energieversorgung.

Immer wieder jedoch haben die oft kleinen Energiegenossenschaften mit Problemen zu kämpfen. Hohe Investitionskosten, bürokratischer Aufwand und Konkurrenz zu milliardenschweren Energieunternehmen machen ihnen das Leben schwer. Eine mögliche Lösung: Sich mit anderen Energiegenossenschaften zusammenschließen. Ein Beispiel dafür sind die BürgerEnergie Niederbayern (BEN eG) und die Bürger-Energie-Genossenschaft im Landkreis Kelheim eG (Bengel-KEH), die im Juli 2024 fusioniert haben.

Thomas Kaindl ist seit der Gründung im Vorstand der BürgerEnergie Niederbayern eG (BEN eG). Die BEN eG wurde 2012 gegründet und hat heute 1.700 Mitglieder. Sie betreibt Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen und Dächern mit einer Gesamtleistung von 35 Megawatt. Darüber hinaus ist sie auch in der Nahwärmeversorgung, in der E-Mobilität und bei der Herstellung von grünem Wasserstoff tätig.

Thomas Kaindl, Vorstandsvorsitzender der BEN eG, erinnert sich noch an die Gründung der Energiegenossenschaft, damals in der Gemeinde Essenbach. Vor 13 Jahren sei es ihnen darum gegangen, die Energiewende vor Ort voranzubringen. Aus allen Gruppierungen der Gesellschaft hätten sich Menschen zusammengefunden, ganze 380 Mitglieder zählte die eG zur Gründung. Über die Jahre gab es mehrere Verschmelzungen für die Essenbacher Energiegenossenschaft, es folgte die Umbenennung in BürgerEnergie Niederbayern. Und vergangenes Jahr dann die Fusion mit der Genossenschaft im Landkreis Kelheim.

Auch bei der Gründung der Kelheimer Genossenschaft Bengel-KEH sei man von großem Optimismus getragen gewesen, erzählt Frank Dietzel, langjähriger Vorstand und heute Aufsichtsrat der BEN eG: „Vor dem Hintergrund des Reaktorunfalls von Fukushima hatten wir großen Zulauf mit unserer Vision: regenerative Energieerzeugung in unserer Region.“ Es habe Anfang der 2010er Jahre eine ganze Welle an Gründungen gegeben. Und es habe sich gezeigt, wie sich Visionen in Realität umwandeln könnten. Zuletzt habe die Genossenschaft im Landkreis Kelheim aber ihren Zweck nicht mehr erfüllen können, da sie seit zehn Jahren kein neues Projekt mehr umgesetzt habe und damit nicht mehr ihrer Satzung entsprechend die Energiewende vorantreiben konnte. Der Knackpunkt hierbei: Alle Vorstände waren ehrenamtlich tätig und seien beruflich eingespannt gewesen.

Frank Dietzel hat 2011 die Bürger-Energie-Genossenschaft im Landkreis Kelheim eG (Bengel-KEH) mitgegründet und war dort als ehrenamtlicher Vorstand tätig. Heute ist er im Aufsichtsrat der BEN eG.

Es ging bei der Fusion unter anderem darum zu verhindern, berichtet Kaindl, dass Energiegenossenschaften ein schlechtes Bild nach außen abgäben und als sterbendes Modell wahrgenommen würden. Dies berichtet auch der heute im Aufsichtsrat der BEN eG tätige Dietzel. Nach einigen Initiativprojekten habe man es einfach nicht mehr geschafft, aus eigener Kraft neue Projekte umzusetzen. Vorstand und Aufsichtsrat waren alle ehrenamtlich tätig, da habe es an operativer Masse gefehlt. Genehmigungsverfahren für neue Anlagen seien immer schwieriger geworden. Auch wenn die Erkenntnis, dass eine Fusion ein richtiger Schritt sein soll, eine Zeit lang gebraucht hat, bezeichnet Dietzel sie im Nachhinein als richtig.

„Eine Auflösung hätte der Energiewende nicht geholfen und unseren Mitgliedern keine Perspektive geboten“, sagt Dietzel. Dennoch sei es verständlich, dass so lange gewartet wurde. Man habe das Problem erkannt, aber schließlich keinen wirtschaftlichen Druck gehabt. „Es ist immer schwer, die Komfortzone zu verlassen und etwas selbst Aufgebautes herzugeben.“

„Es ist dasselbe Problem wie bei Sportvereinen: Irgendwann findet sich keiner mehr, der ein Amt übernimmt oder es macht irgendjemand, damit es überhaupt weitergeht, der aber nicht mit vollem Engagement dabei sein kann“, berichtet Thomas Kaindl. „Urlaub, Familie – rein mit ehrenamtlichem Engagement kann man eine Energiegenossenschaft nur noch sehr schwer voranbringen. Das Thema werden wir in den nächsten Jahren noch häufiger sehen.“

Die Projektentwicklung und die Genehmigung einer Anlage seien in den vergangenen Jahren deutlich komplexer geworden und nähmen heute etwa drei bis fünf Jahre in Anspruch. Deshalb müssen auch die Projektverantwortlichen in der Genossenschaft technologisch viel tiefer in den Themen drin sein. „Kleine Energiegenossenschaften schaffen das nicht, weder finanziell noch von der Manpower her“, betont Dietzel. Für sie sei die Fusion daher ein logischer Schritt gewesen.

Da die Bengel-KEH eine enorm solide Bilanz gehabt habe, habe das Projektrisiko der Fusion eher bei der BürgerEnergie Niederbayern gelegen, so Vorstand Kaindl. Doch der Schritt habe sich ausgezahlt, man werde bald eine Anlage der Bengel-KEH erweitern können und damit auch zeigen, dass die Genossenschaft die Energiewende mit frischem Wind vorantreibe. In einem aktuell schwierigen politischen Umfeld sei gerade die regionale Nähe dafür ausschlaggebend gewesen.

„Es ist wichtig, dass die Leute an ihren Anlagen vorbeifahren können.“

Frank Dietzel Bürger-Energie-Genossenschaft im Landkreis Kelheim 

Man habe die Verschmelzung gut über die Bühne gebracht, bestätigt auch Dietzel. Die beiden Energiegenossenschaften hätten sich gegenseitig vorgestellt und die Mitglieder gut informiert, sodass auch gewisse Kontroversen schnell ausgeräumt werden konnten. Im Endeffekt habe sich für die Mitglieder kein wesentlicher Unterschied ergeben. „Für uns hat sich regional eigentlich gar nichts geändert. Es ist auch wichtig, dass die Leute an ihren Anlagen vorbeifahren können. Das unterscheidet uns von irgendeiner Beteiligungsgesellschaft, bei der man Anteile an einem Windrad an der Nordsee kaufen kann. Der genossenschaftliche Gedanke ist ja, dass wir vor Ort unseren Strom produzieren“, sagt Dietzel.

Schwierigkeiten, die Mitglieder der Genossenschaft von der Fusion zu überzeugen, habe es auch auf Seiten der BEN eG kaum gegeben, berichtet Kaindl. Schließlich wurde auf der Vertreterversammlung einstimmig zugestimmt.

Bürokratischer Aufwand erfordert Professionalisierung

Was das generelle Umfeld für Energiegenossenschaften angeht, sieht der Vorstand von der BürgerEnergie Niederbayern eG einige Herausforderungen und Hindernisse, insbesondere für kleinere Energiegenossenschaften: Der Strommarkt seit enorm anspruchsvoll geworden, bei Abschaltungen der Anlagen aufgrund des überlasteten Stromnetzes sei es sehr schwierig, die dafür vorgesehenen Abfindungen zu erhalten. „Wir haben zwei, drei Jahre auf unser Geld gewartet. Da ging es um einen sechsstelligen Betrag. Eine Mitarbeiterin und unsere Werkstudentin waren mehrere Monate lang damit beschäftigt, Abrechnungen zu prüfen.“ Dann wiederum habe es sogar Anrufe vom Postboten gegeben: „Wir haben 50 Briefe mit neuen Abrechnungen an einem Tag bekommen und der Briefkasten ist übergequollen“, berichtet Kaindl.

Vor diesem Hintergrund sei eine gewisse Größe einer Genossenschaft wichtig, um all dem bürokratischen Aufwand Herr zu werden. Dieser erfordere zudem eine Professionalisierung und nach Möglichkeit hauptamtlich Beschäftigte. „Wir wollen nicht unendlich groß wachsen, aber eine gewisse Größe ist sinnvoll, damit man nicht allein auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist, weil einfach zu viele Themen zu bearbeiten sind“, sagt Kaindl. Zudem müsse man es sich leisten können, 24 Monate auf sein Geld zu warten. Dietzel ergänzt: „Du kannst das nicht am Küchentisch mit drei Freunden nebenbei machen.“

Beim Blick in die Zukunft ist Dietzel trotz allem optimistisch. „Ich möchte nicht über die unsichere Gesetzeslage jammern. Es ist nur so, dass vieles, was lange einfach und klar war, jetzt nicht mehr so ist.“ Entscheidend sei eine Professionalisierung von Energiegenossenschaften, es könne keine One-Man-Show sein. Eine gewisse Größe sei eine wichtige Voraussetzung für langfristigen Erfolg. Und diesen sieht er bei seiner in der BürgerEnergie Niederbayern eG aufgegangenen Genossenschaft gesichert.

Kaindl warnt allerdings davor, Fusionen als Allheilmittel zu betrachten. Die Frage bei Zusammenschlüssen sei immer, ob es sich um gleichberechtige Partner handle. Außerdem habe es in seinem Fall gut ein Jahr gedauert, nach der Fusion Verträge zu vereinheitlichen, Software und Systeme zu harmonisieren. Hinzu kommen hohe Notarkosten für die Fusion. „Wenn die Verschmelzung am Ende deren Gewinne auffrisst, werden die Mitglieder sagen: Nein, das machen wir nicht.“ Grundsätzlich rechne er aber mit weiteren Fusionen von Energiegenossenschaften. Daher rate er auch Interessenten einer Neugründung, zu schauen, ob es in der Region schon eine Energiegenossenschaft gebe, die ein richtiger Partner wäre.

Denn bei allen Schwierigkeiten ist Kaindl von der Rechtsform Genossenschaft für Energieprojekte weiterhin überzeugt. Das Geschäftsmodell sei nicht mit dem einer GmbH oder Aktiengesellschaft vergleichbar. Und Nachrangdarlehen bei Windrädern seien keine echte Bürgerbeteiligung. Für ihn ist klar: „Nur eine Genossenschaft sichert echte Bürgerbeteiligung.“

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