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Herr Kroker, München führt ab September als erste Kommune in Deutschland eine Festpreisoption für Taxifahrten ein. Was heißt das konkret?

Thomas Kroker: Bisher konnten wir unseren Fahrgästen vor der Fahrt nicht genau sagen, wie viel diese kostet. Der finale Preis steht erst am Zielort fest, je nach Stand des Taxameters. Das ändert sich jetzt! Ab September können unsere Kundinnen und Kunden bei Vorbestellung, also wenn sie über die Taxi-App oder mit einem Anruf in unserer Zentrale ein Taxi buchen, einen Festpreis vereinbaren. Diesen Preis tippt der Fahrer ins Taxameter ein, sodass ihn die Kunden während der Fahrt sehen können. Alternativ gibt es selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit, statt dem Festpreis das Taxameter zu wählen.

„Die Fahrgäste können sicher sein, dass sie einen fairen Preis erhalten.“

Wie kommen die Preise zustande?

Kroker: Die Preise basieren auf dem Münchner Taxitarif. Insofern können die Fahrgäste sicher sein, dass sie einen fairen Preis erhalten. Das Stichwort heißt Tarifkorridor. Demnach dürfen die Festpreise maximal fünf Prozent unterhalb und höchstens 20 Prozent über diesem Tarif liegen. Sie sehen: Der Preis ist innerhalb des tariflichen Rahmens festgelegt und wird behördlich überwacht. Die Berechnungen der Fahrpreise führen wir übrigens nicht selbst durch, diese Aufgabe übernimmt eine Software.


Können Sie das an einem konkreten Beispiel deutlich machen?

Kroker: Der Münchner Taxitarif setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Erstens der Grundgebühr, die derzeit 5,50 Euro beträgt. Zweitens der Kilometerpreis, der aktuell bei 2,30 Euro liegt. Und drittens die Wartezeit pro Stunde, auch verkehrsbedingt, die derzeit mit 36 Euro zu Buche schlägt. Der neu eingeführte Festpreis orientiert sich am Grundpreis plus dem Kilometerpreis. Und mit dem Tarifkorridor können wir die voraussichtliche Wartezeit abbilden. In der Praxis bedeutet das folgendes: Der Fahrgast gibt bei der Bestellung den Abholort sowie das Ziel an. Nehmen wir an, diese Strecke kostet laut Grundgebühr und Kilometerpreis genau 20 Euro. Wenn es wenig Verkehr gibt, also beispielsweise Dienstag-Nacht um 1 Uhr oder am Sonntagmorgen um 6 Uhr, dann wird die Software in der Regel den Preis senken, maximal um fünf Prozent. Sie würden also beispielsweise 19 Euro zahlen. Und wenn viel Verkehr zu erwarten ist, beispielweise in der Hauptverkehrszeit, gibt es einen Aufschlag bis maximal 20 Prozent. Dann würde die Fahrt beispielsweise 24 Euro kosten.

Welche Vorteile haben die Fahrgäste durch die Festpreise?

Kroker: Der neue Tarif ist sehr verbraucherfreundlich, denn die Kundinnen und Kunden wissen vor der Fahrt, was sie zahlen müssen. Das Risiko, beispielsweise länger im Stau zu stehen, geht auf die Fahrer über. Unsere Fahrgäste können sich also entspannt zurücklehnen, da es preislich keinen Unterschied mehr macht, ob sie zwei Minuten, zehn Minuten oder 25 Minuten im Stau stehen.

„Wer am Taxistand oder an einem anderen Ort zusteigt, für den gilt nach wie vor ausschließlich das Taxameter.“

Können die Festpreise auch direkt am Taxistand vereinbart werden?

Kroker: Nein. Dieser Punkt ist sehr wichtig: Festpreise können nur per App oder per Telefon vereinbart werden. Wer am Taxistand oder an einem anderen Ort zusteigt, für den gilt nach wie vor ausschließlich das Taxameter. Diese Regelung hat der Gesetzgeber so festgelegt. Wir bewerten dieses Vorgehen als sehr sinnvoll und praktikabel, damit die Fahrt sofort losgehen kann.

Festpreise auf drei Strecken

Unabhängig von der neuen Regelung gibt es in München drei Strecken, auf denen Festpreise gelten. Dabei ist es unerheblich, ob die Fahrgäste das Taxi telefonisch beziehungsweise per App bestellen oder am Taxistand zusteigen. Auch die Verkehrslage spielt keine Rolle. Die Strecken und Preise im Überblick (jeweils in beide Richtungen. Stand: 1.9.2023):

  • Flughafen – Messe: 85 Euro,
  • Hauptbahnhof – Flughafen: 95 Euro,
  • Hautbahnhof – Messe: 39 Euro.

Warum gibt es weiterhin die Möglichkeit, auch bei Vorbestellungen auf das Taxameter zu setzen?

Kroker: Vor allem aus zwei Gründen ist das sinnvoll. Erstens gibt es Gäste, die erst während der Fahrt spontan entscheiden, wo es genau hingehen soll. Zweitens laufen Taxi-Bestellungen regelmäßig über Dritte ab, zum Beispiel die Rezeption im Hotel, das Sekretariat im Unternehmen oder den Service im Restaurant. Die wissen häufig nicht das Ziel der Fahrgäste. Und manchmal möchten auch die Fahrgäste erst dem Taxifahrer sagen, wo sie genau hinmöchten.

„Es gibt Phasen, in denen auf Münchens Straßen mehr sogenannte Mietwagen als echte Taxis im Einsatz sind.“

Unternehmen wie Uber sind gerade auch wegen der fixen Fahrpreise bei den Kundinnen und Kunden sehr populär. Erhoffen Sie sich durch die neue Regelung eine stärkere Position im Wettbewerb?

Kroker: Ja! Wir hoffen, dass wir die Kundinnen und Kunden zurückgewinnen können, die aufgrund der Festpreise zur Konkurrenz gewechselt sind. Mit der neuen Option des Tarifkorridors fällt eine wichtige Hürde im Wettbewerb und wir erhalten einen Mechanismus im harten Wettbewerb gegen den Wildwuchs an Betrieben. Diese bieten unter systematischer Umgehung elementarer Bestandteile des Personenbeförderungsgesetzes unter dem Deckmantel der sogenannten Mietwagen-Vermittlung seit etwa zehn Jahren taxiähnlichen Verkehr an und gefährden damit die Funktions- und Existenzfähigkeit des Taxigewerbes massiv. Es gibt Phasen, in denen auf Münchens Straßen mehr sogenannte Mietwagen als echte Taxis im Einsatz sind. Der größte Teil der Flotte ist nicht in München konzessioniert und zahlt dort keine Gewerbesteuer.

„Andere Städte beobachten natürlich genau, wie es in München läuft.“

Evaluieren Sie das Festpreismodell?

Kroker: Wir werden den neuen Tarifkorridor intensiv begleiten. Zentrale Fragen sind unter anderem: Wie kommt das Modell bei den Menschen an? Welche Rückmeldungen geben die Fahrer? Was für steuerliche und rechtliche Besonderheiten ergeben sich in der Praxis? Es ist geplant, Anfang 2024 einen Erfahrungsaustausch zu organisieren. Denn andere Städte beobachten natürlich genau, wie es in München läuft.


Was hat die Taxi-München eG gemacht, um sich auf das Festpreismodell vorzubereiten?

Kroker: Der einmalige Aufwand war recht hoch. Wir haben beispielsweise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult, die Software programmieren lassen oder eine neue Ansage für die Telefonhotline einsprechen lassen. Dafür haben wir im August sehr viel Arbeit investiert. Eine große Aufgabe war es zudem, die Taxiunternehmen sowie die Fahrerinnen und Fahrer zu informieren. Schließlich möchten wir, dass sie dem Festpreismodell positiv gegenüberstehen und das auch den Gästen entsprechend kommunizieren. In den kommenden Wochen und Monaten geht es nun darum, möglichst viele Menschen neugierig auf das Angebot zu machen.

Wie ist denn generell die Stimmung unter den Münchner Taxifahrern?

Kroker: Die Fahrerinnen und Fahrer sind in guter Stimmung. Die Umsätze im Sommer 2023 waren zwar noch leicht unter dem Niveau von 2019. Aber aufgrund der Personalknappheit gibt es deutlich weniger Fahrer als damals. Das bedeutet: Die einzelnen Fahrer verdienen vergleichsweise überdurchschnittlich. Generell ist mein Eindruck, dass sich viele Fahrer auf das neue Festpreis-Modell freuen. Sie sehen die Vorteile und erhoffen sich, dass viele Kunden vom Mietwagen auf das Taxi umsteigen. Der Zeitpunkt ist auf jeden Fall ideal: In wenigen Tagen beginnt die Internationale Automobil-Ausstellung IAA, dann folgen die Wiesn und die Fachmesse für Immobilien Expo Real. Es gibt also viele Gelegenheiten, um die Menschen von dem neuen Tarifsystem zu überzeugen.


Herr Kroker, vielen Dank für das Gespräch!

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