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Im Frühjahr 2022 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verkündet, dass sie zum Februar 2023 einen sektoralen Kapitalpuffer einführen und den antizyklischen Kapitalpuffer anheben wird. Doch was versteckt sich hinter diesen Konzepten und wie ist die geplante Einführung zu bewerten?

Was ist das Konzept der beiden Puffer?

Die Idee des antizyklischen Kapitalpuffers ist eine Nachwirkung der Finanzkrise von 2008/09. Damals hatten insbesondere US-amerikanische Banken exzessiv Kredite an wenig zahlungswürdige Kunden ausgegeben. Als die Kredite platzten, fehlte es den Banken an ausreichend Eigenkapital, um die Verluste abzufangen. Die bekannten weltweiten Turbulenzen an den Kapitalmärkten waren die Folge. Der antizyklische Kapitalpuffer soll derartigen Entwicklungen entgegenwirken: In Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs und der steigenden Kreditvergabe wird der Puffer gefüllt, um in schwereren Zeiten als Polster zur Verfügung zu stehen, so die Idee. Eingeführt wurde der Puffer zum Jahresende 2015, ausgesetzt im März 2020, um die wirtschaftlichen Effekte der Corona-Pandemie abzumildern und die Kreditvergabe zu stärken. Nun sollen Banken ab Februar 2023 den Puffer mit 0,75 Prozent ihres Gesamtrisikobetrags durch Eigenkapital ausstatten. Mit dem sogenannten sektoralen Systemrisikopuffer soll zudem Risiken aus bestimmten Sektoren entgegengewirkt werden. Hier plant die BaFin einen Puffer speziell für den Wohnimmobiliensektor. Konkret bedeutet dies: Kredite, die in diesem Bereich vergeben werden, sollen zusätzlich mit zwei Prozent Eigenkapital besichert werden.

Wie ist die geplante Anhebung zu bewerten?

Wir befinden uns in volatilen und unsicheren Zeiten: Der Ukraine-Krieg, Sorge um die Energiesicherheit und eine weiterhin hohe Inflation sind nur drei von zahlreichen Entwicklungen, denen Unternehmen und auch Privatpersonen heute sorgenvoll gegenüberstehen. In dieser Phase die Kreditvergabe an die deutsche Wirtschaft mit erhöhten Eigenkapitalanforderungen für die Banken auszubremsen, ist ein falsches Zeichen und kontraproduktiv. Beim Ausbruch der Corona-Pandemie bewies die deutsche Aufsicht Weitsicht und setzte den antizyklischen Kapitalpuffer aus. Leider befinden wir uns immer noch in den Nachwirkungen der Pandemie, hinzu kommen die oben geschilderten Entwicklungen. Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Talsohle. Nicht nur der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnt vor einer Rezession. Diese Entwicklung muss gebremst, die wirtschaftliche Entwicklung wieder belebt werden. Ein wichtiger Baustein dabei ist die zuverlässige Kreditvergabe an die deutsche Wirtschaft. Der Bankkredit ist und bleibt die wichtigste Finanzierungsquelle des deutschen Mittelstands. Jedoch besteht mit der Anhebung des antizyklischen Kapitalpuffers und der Einführung des sektoralen Systemrisikopuffers die Gefahr, die Finanzierungsmöglichkeiten auszubremsen. Bereits heute übererfüllen Volks- und Raiffeisenbanken die ohnehin restriktiven Eigenmittelanforderungen und legen höchste Sorgfalt bei der Prüfung von Kreditanträgen an. Mit weiteren Auflagen würde den Banken in einer ohnehin angespannten Situation weitere Möglichkeiten genommen, passgenaue Finanzierungsmöglichkeiten anzubieten.

Wie sollte es mit den geplanten Puffern weitergehen?

In Phasen hoher wirtschaftlicher Unsicherheit gilt es, beruhigende Signale zu senden. Mit der Einführung der neuen Eigenkapitalanforderungen setzt die BaFin hingegen ein anderes Zeichen und schürt die Sorge vor einer Einschränkung der Kreditvergabe. Dies gilt sowohl für den antizyklischen Kapitalpuffer als auch für sein sektorales Pendant. Der antizyklische Kapitalpuffer wirkt wie ein Dämpfer für die Konjunktur. In der derzeit schwachen wirtschaftlichen Gesamtsituation schadet er der Entwicklung und bremst Aufschwungtendenzen. Und auch beim sektoralen Systemrisikopuffer gilt es, die aktuelle Lage zu bedenken: In Deutschland mangelt es seit Jahren an Wohnraum. Gleichzeitig zeigen erste Zahlen, dass die Preissteigerungen am Immobilienmarkt ein Ende haben. Nun gilt es, weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und Eigentum als Altersabsicherung zu ermöglichen. Pauschale Erhöhungen von Eigenkapitalanforderungen wirken dabei kontraproduktiv. Vielmehr sollte passgenau reguliert werden, beispielsweise mit dem sogenannten Loan-to-Value-Ansatz, der die Höhe des kreditfinanzierten Anteils am langfristigen Wert der finanzierten Immobilie betrachtet. Länder wie Österreich oder Frankreich haben sich bereits für eine solchen Ansatz entschieden.

Statt pauschaler Erhöhung wäre daher eine differenzierte, auf die derzeitige wirtschaftliche Lage angepasste Betrachtung angemessen. Diese zeigt nämlich: Sowohl der antizyklische Kapitalpuffer als auch der sektorale Systemrisikopuffer bergen deutliche Risiken, ohne einen erkennbaren Mehrwert zu liefern und sollten deswegen nicht zum Einsatz kommen.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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