Im Fokus: Bürgerbeteiligungsgesetz, Bürokratieabbau und europäische Zusammenarbeit
Eine Windenergieanlage soll gebaut werden. Oder eine große Solaranlage. Der Genehmigungsprozess läuft, doch vor Ort regt sich Protest. Die Anwohner fühlen sich übergangen. Sie sehen Nachteile – aber keinen Nutzen. Ein anonymer Investor soll profitieren – sie selbst sollen mit der Anlage vor der eigenen Haustüre leben.

Aus Skepsis kann schnell Zustimmung werden, wenn man die Menschen vor Ort als aktive Mitgestalter der Energiewende einbindet. Foto: Lennart Preiss/GVB
Ganz anders ist die Lage, wenn die Menschen vor Ort nicht nur zusehen, sondern mitentscheiden und vom Ertrag profitieren können – etwa über eine Beteiligung als Mitglied in einer Energiegenossenschaft. Je nach den Wünschen der Mitglieder kann die Genossenschaft auch regionale Stromtarife oder Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge anbieten. Dann wird aus Skepsis schnell Zustimmung. Und aus bloßen Betroffenen werden Beteiligte und aktive Mitgestalter der Energiewende.
Genau hier liegt der Schlüssel für das Gelingen der notwendigen Transformation zu Erneuerbaren Energien: Bürgerbeteiligung ist kein „nice to have“. Sie ist eine Grundbedingung. Wenn wir die Energiewende in Bayern nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich umsetzen wollen, dann brauchen wir echte Teilhabe – offen, verbindlich und im Miteinander. Denn ohne Akzeptanz wird es keine nachhaltige Veränderung geben.
Strom aus Sonne, Wind und Wasser
Energiegenossenschaften zeigen bereits heute, wie das in der Praxis gelingt. In Bayern gibt es über 350 solcher Genossenschaften mit rund 40.000 engagierten Mitgliedern. Sie erzeugen regional Strom aus Sonne, Wind und Wasser, betreiben Biogasanlagen oder Wärmenetze, teils sogar eigene Stromnetze. Sie sind wirtschaftlich solide aufgestellt, demokratisch organisiert und regional verwurzelt. Was sie auszeichnet: Sie bringen Menschen zusammen, die gemeinsam Verantwortung übernehmen – für die Energieversorgung vor Ort, für den Klimaschutz und für die wirtschaftliche Entwicklung in ihrer Region. Diese regionale Wertschöpfung kommt auch den Gemeinden zugute.
Die Rechtsform der Genossenschaft ist dafür ideal. Sie ermöglicht finanzielle Teilhabe ebenso wie Mitsprache und Mitgestaltung. Genossenschaften schaffen Vertrauen – weil sie langfristig denken, weil sie für Fairness und Verlässlichkeit stehen, und weil sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort stärken. Wer in einer Genossenschaft mitwirkt, erlebt ganz konkret: Die Energiewende ist kein Projekt „von oben“, sondern eine Bewegung, an der man selbst teilhaben kann.
Gesetzentwurf enthält wichtige Ansätze
Vor diesem Hintergrund begrüßt der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) das Ziel der Bayerischen Staatsregierung, mit einem bayerischen Beteiligungsgesetz die Akzeptanz der Energiewende zu stärken und den Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen. Der Gesetzentwurf enthält wichtige Ansätze, etwa die klare Trennung zwischen Gemeindeförderung und Bürgerbeteiligung – ein Punkt, den auch der GVB seit Langem gefordert hat. Positiv ist auch, dass es keine Begrenzung der Beteiligungshöhe mehr gibt. Denn mehr Bürgerbeteiligung ist immer wünschenswert.
Kritisch sehen wir allerdings, dass die Beteiligung aktuell nur als freiwillige Maßnahme vorgesehen ist. Das reicht nicht aus. Wer flächendeckend echte Bürgerbeteiligung erreichen will, muss sie verbindlich vorschreiben. Freiwilligkeit klingt gut – sie funktioniert aber nur dort, wo ohnehin Bereitschaft vorhanden ist. In vielen Fällen aber braucht es klare Regeln und eine Verpflichtung der Investoren, die Menschen vor Ort aktiv einzubinden. Nur so entsteht nicht nur ein finanzieller Anreiz, sondern auch ein echtes Mitspracherecht. Das haben wir als GVB auch gegenüber dem Bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wiederholt deutlich gemacht.
Gelebte Bürgerbeteiligung
Ein weiterer Punkt ist uns wichtig: Energiegenossenschaften sind gelebte Bürgerbeteiligung. Sie dürfen durch das Gesetz nicht schlechter gestellt werden. Deshalb muss klar geregelt bleiben, dass Genossenschaften nicht unter die neuen Pflichten fallen – sie erfüllen den Anspruch an Teilhabe und Akzeptanz bereits heute in vorbildlicher Weise.
Bayern hat jetzt die Chance, Vorreiter zu werden. Wenn Bürgerbeteiligung verbindlich geregelt wird und Genossenschaften als starke Partner der Kommunen anerkannt bleiben, kann das neue Gesetz ein Modell für andere Bundesländer werden – und der Energiewende im Freistaat spürbar Rückenwind verleihen. Technik allein reicht nicht. Die Energiewende braucht Menschen, die mitmachen. Genossenschaften zeigen, wie das geht.
Dieser Beitrag von GVB-Präsident Stefan Müller erschien zuerst in der Bayerischen Gemeindezeitung 14/2025.