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Der Berg rief – und mehr als 800 Vertreterinnen und Vertreter bayerischer Genossenschaften hörten den Ruf und kamen zum 124. Verbandstag des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) auf den Münchner Nockherberg. „Es ist unser Tag“, betonte Gerhard Walther, Vorsitzender des Verbandsrats und Ehrenamtlicher Verbandspräsident, in seiner Begrüßung. „Wir sind heute hier, um diesen Verbandstag als Bestätigung unserer genossenschaftlichen Idee zu feiern. Das ist unser Feiertag, an dem wir die bayerischen Genossenschaften hochleben lassen!“

Der diesjährige Verbandstag stand unter dem Motto: „Genossenschaften machen’s besser. Für dich, für uns, für morgen“. Eine starke Botschaft in einem besonderen Jahr, hob Walther hervor: „Wir befinden uns mitten im Internationalen Jahr der Genossenschaften, das die Vereinten Nationen ausgerufen haben.“ Damit werde einer einzigartigen Rechtsform, die weltweit mehr als eine Milliarde Menschen eint, nicht nur große Anerkennung ausgesprochen, sondern die UN bringe damit die genossenschaftliche Idee in alle Winkel der Welt. Ein Grund, auch beim GVB-Verbandstag in Bayern die drei genossenschaftlichen Kernwerte zu feiern: Mitbestimmung, Verantwortung und Solidarität.

„Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht das Kapital“, führte der ehrenamtliche Verbandspräsident aus. „Wir ermöglichen eine Wirtschaft, die den Menschen nützt. Denn unsere Mitglieder sind Eigentümer und Leistungsnutzer zugleich. Sie bilden die Breite der Gesellschaft ab. Das ist die Basis für gesellschaftlichen Zusammenhang und wirtschaftlichen Erfolg, den wir heute mehr denn je brauchen!“

Genossenschaften agieren in eigener Verantwortung und lösen Probleme durch solidarisches und gemeinschaftliches Unternehmertum. „Bei uns findet man die Menschen, die in Verantwortung gehen. Wir halten zusammen“, beschwor Walther von der Bühne aus das genossenschaftliche Wir. Ihm gegenüber im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Saal saßen neben Vorständen, Aufsichtsräten, Geschäftsführern und Mitarbeitenden von Genossenschaftsorganisationen auch Ehrengäste aus der Politik und dem Verbund. Um noch mehr aus der Genossenschaftsfamilie zu erreichen, wurde die Veranstaltung auch im Live-Stream übertragen.

Verantwortung in unruhigen Zeiten übernehmen

Moderiert wurde der Verbandstag erneut von Ursula Heller, die gleich in ihren begrüßenden Worten auf die besondere Kraft der Genossenschaften zu sprechen kam. Eine Kraft, die gerade in unruhigen Zeiten helfen kann, Verantwortung zu übernehmen. „Wir leben in bewegten Zeiten. Die Lage im Nahen Osten eskaliert, Russland setzt seinen Angriffskrieg dort, China baut seinen globalen Einfluss systematisch aus und jenseits des Atlantiks bleibt offen, welchen Kurs die USA unter Donald Trump nehmen wird. Die Welt ist aus den Fugen“, stieg Stefan Müller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, in seine Grundsatzrede am 124. Verbandstag ein.

Derzeit brauche es mehr denn je Klarheit, Planbarkeit und Berechenbarkeit, fuhr der GVB-Präsident fort. „Wirtschaft lebt von Erwartungen und Vertrauen in die Zukunft. Und Vertrauen entsteht dort, wo Orientierung und Planbarkeit gegeben sind.“ Die neue Bundesregierung habe eine lange Aufgabenliste, die es nun so schnell wie möglich zu erfüllen gelte. „Die richtigen Botschaften sind gesetzt, doch auf Worte müssen Taten folgen“, forderte Müller.

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Genossenschaften machen’s besser: Der GVB-Verbandstag 2025 in der Video-Zusammenfassung.

Garant für die Zukunft

Wenn es um Taten und vor allem um Verantwortung geht – „dann kommen wir, die Genossenschaften, ins Spiel“, leitete der GVB-Präsident in seiner Rede zu den Genossenschaften über. „Sie sind gelebte Soziale Marktwirtschaft – und diese verbindet Freiheit mit Verantwortung, Wettbewerb mit sozialem Ausgleich, unternehmerische Initiative mit gesellschaftlichem Zusammenhalt“, hob Müller hervor. „Wenn wir also von Genossenschaften reden, dann reden wir von einem Wertegerüst, das seit fast 200 Jahren trägt, und äußerst modern ist.“ Genossenschaften stehen für Hilfe zur Selbsthilfe, Solidarität, Verantwortung, Unternehmertum und Nachhaltigkeit. „Und das sind Werte, mit denen sich vor allem junge Menschen identifizieren können“, sagte Müller und betonte: „Was uns ausmacht, ist aktueller denn je. Gerade in einer Welt, die nach Halt sucht, nach Orientierung und Verlässlichkeit.“

Deswegen passe das Motto des diesjährigen Verbandstag so gut in diese Zeit. „Genossenschaften machen‘s besser. Für dich, für uns, für morgen“. Werte, die Genossenschaften leben, können nicht nur Bayern und Deutschland voranbringen, sondern dazu beitragen, Europa wettbewerbsfähig zu machen. „Das sind die Werte, die Sie alle tagein, tagaus in Ihren Unternehmen leben“, sagte Müller. Es war der erste Verbandstag für Stefan Müller als Verbandspräsident.

„Mich hat in diesem Jahr besonders gefreut, dass so viele schon in aller Frühe auf den Nockherberg eingetrudelt sind und das Gespräch miteinander gesucht haben“, sagt Organisatorin Regina Wenninger von der Mitgliederbetreuung des Genossenschaftsverbands Bayern. An Bistrotischen standen die Mitglieder der Genossenschaftsfamilie und nutzten den Verbandstag, um sich auszutauschen, zu netzwerken und Neuigkeiten zu erfahren. Und das ging sehr gut bei einer Tasse Kaffee und einem Frühstückshäppchen, später mit allerlei deftigen Schmankerln und Kaiserschmarrn.

GVB-Präsident Stefan Müller fasste diese Stimmung in seiner Rede in Worte: „Unsere Stärke liegt im Zusammenhalt. Gerade wegen unserer kleingliedrigen Struktur, unserer Dezentralität, wegen unseres mittelständisch-unternehmerischen Denkens sind Genossenschaften so stark, so beständig, so widerstandsfähig und so zukunftsträchtig.“

Ökonomischer Fußabdruck der Genossenschaften

Das belegen die Zahlen aus einer Wertschöpfungsstudie, die auf dem Verbandstag vorgestellt wurde und den ökonomischen Fußabdruck der bayerischen Genossenschaften belegt. „Die wirtschaftliche Bedeutung von Genossenschaften wird unterschätzt“, sagte Professor Christian Helmenstein vom Wirtschaftsforschungsinstitut Economica, im Interview auf der Bühne. „Unterschätzt, weil Genossenschaften so gut funktionieren und ihre Leistung für selbstverständlich genommen wird.“

Der gesamtwirtschaftliche Beitrag der bayerischen Genossenschaften beträgt fast acht Milliarden Euro. Und: Pro Beschäftigtem erwirtschaften genossenschaftliche Unternehmen im Schnitt 92.600 Euro pro Jahr – das sind 2.800 Euro mehr als der bayerische Durchschnitt. Somit zog Müller auf dem Verbandstag das Fazit: „Genossenschaften sind eine bedeutende Wirtschaftskraft, die zur Bruttowertschöpfung Bayerns beiträgt. Und das ist der Verdienst von Ihnen allen und dafür sage ich herzlichen Dank!“

Wertschöpfungsstudie: der ökonomische Fußabdruck bayerischer Genossenschaften

Im Auftrag des Genossenschaftsverbands Bayern hat das unabhängige Wirtschaftsinstitut Economica eine Wertschöpfungsstudie durchgeführt. Mit dieser Studie zeigt der Genossenschaftsverband Bayern, welchen Beitrag die Genossenschaften, die in mehr als 30 Branchen aktiv sind, zum wirtschaftlichen Erfolg in Bayern und darüber hinaus leisten (siehe auch Interview mit Christian Helmenstein in dieser „Profil“-Ausgabe).

7,94 Milliarden Euro

Der gesamtwirtschaftliche Beitrag der bayerischen Genossenschaften im Jahr 2023 beläuft sich inklusive der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsleistung auf 7,94 Milliarden Euro. Davon werden rund 80 Prozent in Bayern erwirtschaftet.

85.700 Vollzeit-Arbeitsplätze

Die bayerischen Genossenschaften sichern insgesamt rund 85.700 Vollzeit-Arbeitsplätze. Das bedeutet, dass etwa jeder 120. Vollzeit-Arbeitsplatz in Bayern mit einem GVB-Mitgliedsunternehmen verbunden ist.

92.600 Euro

Die bayerischen Genossenschaften sind besonders produktiv. 2023 generierten sie im Mittel 92.600 Euro pro Beschäftigtem. Das sind 2.800 Euro mehr als der bayerische Durchschnitt.

3,57 Milliarden Euro

Die GVB-Mitgliedsunternehmen leisteten 2023 einen bedeutenden Anteil für den Staatshaushalt. Die bayerischen Genossenschaften sorgten für einen Beitrag in Höhe von 3,57 Milliarden Euro zum Steuer- und Abgabenaufkommen in Deutschland.

4,39 Milliarden Euro

Im Jahr 2023 gingen Löhne und Gehälter in Höhe von 4,39 Milliarden Euro auf die bayerischen Genossenschaften zurück. Daraus ergab sich ein Durchschnittslohn, der deutlich über dem vergleichbaren Lohnniveau in Bayern liegt.

Genossenschaften als Zukunftsgestalter

Verantwortung bedeutet, diese weiterhin zu übernehmen. „Wir verwalten nicht 175 Jahre Geschichte, wir gestalten Zukunft“, betonte der GVB-Präsident. „Deswegen suchen wir Kontakt zu innovativen Akteuren außerhalb unserer Genossenschaftswelt, wir stehen beispielsweise in Kontakt mit der UnternehmerTUM, dem Innovationskubator der Technischen Universität München.“ Dieser Austausch sei wichtig, um neue Trends rechtzeitig zu erkennen und in die genossenschaftliche Welt zu tragen. „Unser Anspruch ist, Zukunft mitzugestalten.“ Denn heute wie damals gelte das berühmte genossenschaftliche Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“

So wie in Pischelsdorf im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm: Die Fanni, eine Gastwirtschaft, stand dort 40 Jahre lang leer. Die Pischelsdorfer allerdings haben ihr Dorfheim gerettet und betreiben es nun in Eigenregie. Filmemacher Hubert Neufeld, der die Rettung der Dorfwirtschaft filmisch begleitet hat, war zu Gast auf dem Verbandstag. „Man braucht eine Handvoll Leute, die als Initiatoren vorangehen. Dann schließen sich andere an und es entsteht etwas Großes so wie bei der Genossenschaft Dorfheim Fanni“, berichtet Neufeld, der selbst aus Pischelsdorf stammt. Er war einer von vier Stimmen aus der Mitte des Saals und der Mitte der Genossenschaftsfamilie, die Moderatorin Ursula Heller bei der Veranstaltung befragte.

Auch Ruth Häußler von der gemeinnützigen Genossenschaft MutMacherMenschen erzählt im kurzen Interview mit Ursula Heller von gemeinsamen Prozessen: „Wir haben uns als Genossenschaft gegründet, weil es ein Miteinander ist.“ Menschen, die psychisch erkrankt sind, werden bei den MutMacherMenschen auf ihrem Weg zurück in die Arbeitswelt begleitet. „Bei uns schöpfen Menschen im Genesungsprozess wieder Hoffnung und Mut. Wir schaffen gemeinsam etwas – da passt die Genossenschaft perfekt“, sagte die Psychologin.

Was beim Sozialbetrieb gemeinsam gelingt, trifft ebenso auf die Energiegenossenschaft Inn-Salzach, die EGIS, zu, wie deren Vorstandsvorsitzender Pascal Lang betonte: „Es gibt nichts Schöneres, als Projekte gemeinsam umzusetzen“, schwärmte Lang. „Unsere Energiegenossenschaft hat 3.000 Mitglieder, gemeinsam setzen wir die Wärmewende um und schaffen zudem Arbeitsplätze im ländlichen Raum.“ Es gelinge ihnen, die Menschen für die Genossenschaft zu begeistern, weil es eben kein fremder Investor sei, der die Wärmewende vor Ort fördere: „Nach dem Prinzip: Kenne deinen Wärmelieferanten. Genau das überzeugt die Menschen bei uns in der Region, bei unseren genossenschaftlichen Wärmeprojekten dabei zu sein.“

Als Vierte stellte Ursula Heller Elisabeth Fischer von der Neofaktur vor. Sie sorgt mit ihrer Genossenschaft dafür, dass Mitarbeitende sich mit ihrem Unternehmen verbunden fühlen. „Denn wir alle haben dieselben Bedürfnisse: Wir sehnen uns nach Verbundenheit und Entfaltung. Wir wollten ein Unternehmen, in dem unterschiedliche Lebensentwürfe Raum haben. Deswegen haben wir uns für die Genossenschaft entschieden“, berichtet Fischer. Eine Genossenschaft sei eine „Schule der Demokratie“, sagte die Unternehmerin und Genossenschafts-Gründerin und fügte abschließend hinzu: „Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen waren echte Visionäre, das stelle ich immer wieder fest. Wir können uns alle sehr entfalten und dieses Gefühl geben wir ständig weiter.“

Genossenschaftliche Lichterkette durch Bayern

Ein Dorfheim, ein Sozialbetrieb, eine Energiegenossenschaft und eine Unternehmungsberatung – die vier Beispiele zeigen die Vielfalt der Genossenschaftswelt. „Diese Vielfältigkeit der Organisationen beeindruckt mich immer wieder“, lautete auch Müllers Antwort auf die Frage von Ursula Heller, was ihn in seinem ersten Jahr als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern besonders fasziniert habe. „Das genossenschaftliche Modell funktioniert über so viele Branchen verteilt.“ Und diese Vielfalt könne noch weiter ausgebaut werden. „Wir wollen Neues entwickeln. Neue Geschäftsfelder und Ideen für innovative Genossenschaften. Als Verband stehen wir bereit, unseren Teil dazu beizutragen.“ Genossenschaften zeigen, sagte GVB-Präsident Müller: „Wirtschaften kann auch anders gehen – verantwortungsvoll, nachhaltig, erfolgreich. Wir leisten einen Beitrag zur Stabilität unserer Gesellschaft.“

125. Verbandstag

Der nächste Verbandstag findet am 16. Juli 2026 statt. Ein Jahr, in dem ein besonderes Jubiläum begangen wird: Im kommenden Jahr wird der 125. Verbandstag gefeiert.

Das bestätigt der Vorsitzende des Verbandsrats Walther: „Wir stehen für: Keine Floskeln, sondern Fakten.“ Und angelehnt an den Titel „Lichtblick statt Blackout“ des Keynote-Speakers des Verbandstags, Physiker und Kabarettist Vince Ebert, rief Walther in seinem Schlusswort die Genossenschaftsfamilie dazu auf, miteinander „Lichtblicke“ zu erzeugen. „Ich habe den Wunsch, dass sich jede der 1.200 Genossenschaften in Bayern in der zweiten Hälfte des Internationalen Jahres der Genossenschaften Lichtblicke einfallen lässt: Aktionen, die den Wert von Genossenschaften zeigen. Bitte nützen Sie das zweite Halbjahr, um Bayern zum Leuchten zu bringen Damit wir unserer genossenschaftlichen Verantwortung nachkommen und heute gestalten, was morgen trägt.“

Der ehrenamtliche Verbandspräsident warb darum, in ganz Bayern Zeichen zu setzen. „Unsere Idee leuchtet“, sagte Walther. Und wenn jede Genossenschaft mit einer individuellen Idee solch ein Zeichen setze, dann könne eine genossenschaftliche Lichterkette entstehen. Bayerns Genossenschaften würden einmal mehr zeigen: „Wir sind Bessermacher!“

Aufruf zur genossenschaftlichen Lichterkette

Im Internationalen Jahr der Genossenschaften hat Gerhard Walther, Vorsitzender des Verbandsrats und ehrenamtlicher Verbandspräsident, die bayerischen Genossenschaften dazu aufgefordert, gemeinsam Bayern zum Leuchten zu bringen: Jede Genossenschaft ist aufgerufen, mit einer Aktion oder einem Projekt das Internationale Jahr der Genossenschaft besonders hervorzuheben.

Wenn Sie einen „Lichtblick“ initiiert haben, setzen Sie sich gerne mit „Profil“ in Verbindung. Die Redaktion freut sich, gegen Ende des Jahres von der Umsetzung all dieser leuchtenden Ideen zu berichten. Schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion(at)profil.bayern und erzählen Sie von Ihrem Projekt.

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