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Normalerweise geht im Insolvenzverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter ist der zentrale Funktionsträger im herkömmlichen Insolvenzverfahren. Ab und an bekommen es die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners jedoch mit einer besonderen Art des Insolvenzverfahrens zu tun, nämlich der sogenannten Eigenverwaltung nach § 270 ff. Insolvenzordnung (InsO). Was ist dabei zu beachten?

Die Besonderheit liegt darin, dass der Schuldner weiterhin verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Er hat die Aufgaben des Insolvenzverwalters im Regelverfahren selbst wahrzunehmen (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dabei kann ein Interessenskonflikt auftreten, da das Insolvenzverfahren vornehmlich den Gläubigerinteressen zu dienen hat. Diese stehen häufig im Widerspruch zu den Interessen des Schuldners. Gelöst wird der Konflikt dadurch, dass dem Schuldner ein Sachwalter beigestellt wird, dem bestimmte Rechtshandlungen vorbehalten sind.

Voraussetzungen einer Eigenverwaltung

Das Insolvenzgericht ordnet die Eigenverwaltung mit einem Beschluss an. Dabei muss

  • der Schuldner den Insolvenzantrag gestellt und die Eigenverwaltung beantragt haben,
  • der Schuldner zuverlässig erscheinen und auch geschäftserfahren sein,
  • der Insolvenzgrund wie Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung (bei Kapitalgesellschaften) glaubhaft gemacht sein,
  • und eine kostendeckende Masse für die Durchführung des Verfahrens vorhanden sein.
  • Bei dem Insolvenzverfahren darf es sich zudem nicht um ein Verbraucherinsolvenzverfahren handeln.

Besonderheiten der Eigenverwaltung

Der Schuldner verwaltet und verwertet die Insolvenzmasse selbst. Er kann beispielsweise einen Insolvenzplan vorlegen und die Insolvenzmasse an die Gläubiger verteilen. Der Sachwalter hat nur eine beratende beziehungsweise beaufsichtigende Funktion im Rahmen der eigenständigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners. Er hat eine schwache Stellung, was sich auch in einer geringeren Vergütung als bei einem normalen Insolvenzverwalter niederschlägt. Allerdings liegt bei ihm das Anfechtungsrecht nach §§ 129 bis 147 InsO, was ihn dazu berechtigt, Vermögensverschiebungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens rückgängig zu machen.

Schutzschirmverfahren

Seit März 2012 bestimmt § 270b InsO, dass im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahren ein Schutzschirmverfahren installiert werden kann. Sinn dieses Schutzschirmverfahrens ist es, dass Sanierungsbemühungen des Schuldners bis zu drei Monate vor Zwangsvollstreckungen geschützt werden. Dazu muss ein Eigenantrag des Schuldners und ein Antrag auf Eigenverwaltung vorliegen. Insolvenzgründe sind die Überschuldung oder die drohende Zahlungsunfähigkeit, nicht aber die tatsächlich schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

Der GVB berät

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) berät seine Mitglieder auf Wunsch zu allen insolvenzrechtlichen Fragen. Auskünfte dazu geben die Fachanwälte Anton Rauch, Frank Pape und Stefan Kochanski. Kontakt: recht(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3700.

Ganz wesentlich ist die Vorlage einer Sanierungsbescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. In dieser Sanierungsbescheinigung muss ein in Insolvenzverfahren erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt attestieren, dass lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, aber keine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO gegeben ist. Außerdem muss dieser bestätigen, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Weiterhin müssen Angaben zur wirtschaftlichen Lage des Schuldners schlüssig und plausibel dargelegt werden sowie die wesentlichen Eckpunkte eines aussichtsreichen Sanierungskonzepts und die Analyse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens darin enthalten sein.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, bestimmt das Gericht, dass innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ein Insolvenzplan vorgelegt werden muss. Für diesen Zeitraum untersagt das Gericht zudem alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner beziehungsweise stellt sie ein. Dies ist der Schutzschirm, der gewährleisten soll, dass die Sanierungsbemühungen des Schuldners nicht durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unterlaufen werden.

Erfahrungen mit Eigenverwaltungsverfahren

Die Eigenverwaltung bei Insolvenzverfahren ist bisher nur wenig verbreitet. In den Jahren 2012 bis 2018 waren gerade mal drei Prozent aller Insolvenzverfahren in Deutschland davon betroffen. Regelmäßig handelt es sich dabei um Insolvenzen von großen Unternehmen, die ausreichend Liquidität haben, um das Verfahren zu realisieren. Eigenverwaltung kann in der Regel nur durch Zuhilfenahme von professioneller und damit kostenintensiver Sanierungsberatung erfolgreich gestaltet werden. In rund drei Viertel aller Eigenverwaltungen wird die Geschäftsführung durch einen Sanierungsspezialisten ergänzt oder sogar ersetzt. Diese Sanierungsexperten rekrutieren sich regelmäßig aus wenigen darauf spezialisierten Kanzleien.

Weil die rechtlichen Hürden für ein vom Schuldner selbst verwaltetes Sanierungsverfahren sehr hoch sind, wird dieses wohl auch in Zukunft keine größere Verbreitung finden. Außerdem ist die Aktzeptanz der Eigenverwaltung bei den Gläubigern nur wenig ausgeprägt, da sie in der Regel einen unabhängigen Insolvenzverwalter bevorzugen. Dennoch sollten die Genossenschaftsbanken in Bayern mit den Eigenheiten des Verfahrens vertraut sein, um bei Bedarf ihre Interessen durchsetzen zu können.
 

Anton Rauch ist Rechtsanwalt beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB).

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