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30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern sollen im Jahr 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. So will es die Bayerische Staatsregierung. „Das ist leichter gesagt als getan“, sagt Markus Schenk, Vorstandsvorsitzender der Bio-regionalen Genossenschaft Oberpfalz eG (BIregO) – zumal im Jahr 2020 erst 12,4 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern ökologisch bewirtschaftet worden waren. Zwar erfreuen sich Bio-Lebensmittel weiterhin steigender Beliebtheit, wie jüngst das Öko-Barometer des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ergeben hat. Doch um großflächig auf Bio-Landbau umzusteigen, fehlt den Landwirten in Bayern die notwendige Infrastruktur. Es gibt zum Beispiel nur wenige Lagerhäuser, die den hohen Standards der Bio-Verbände wie Demeter, Bioland, Naturland oder dem EU-Biosiegel genügen. Dementsprechend schwer ist es, eine flächendeckende Logistik für Bio-Getreide aufzubauen.

Mit diesem Mangel wollten sich 64 Bio-Landwirte und Verarbeiter im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz nicht abfinden. Sie gründeten 2016 die Bio-regionale Genossenschaft Oberpfalz mit dem Ziel, ein Lagerhaus für Bio-Druschfrüchte wie Getreide und Mais zu errichten. 2019 war Baubeginn in Außenbereich von Harenzhofen, einem Ortsteil von Velburg-Lengenfeld. Bis 2021 entstand auf einem Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zur Trocknungsgenossenschaft Lengenfeld ein Lagerhaus mit 52 Einzelzellen und einer Gesamtkapazität von 6.800 Tonnen sowie Anlagen zur Trocknung und Reinigung von Bio-Getreide und Bio-Mais. Kosten: 6,8 Millionen Euro. „Wir haben genau zum richtigen Zeitpunkt die Genossenschaft gegründet und gebaut. Heute könnten wir uns das Lagerhaus wahrscheinlich gar nicht mehr leisten. Die Außensilos wären 40 Prozent teurer und die Anlagentechnik 20 bis 30 Prozent“, sagt Schenk.

Schäfer und Genossenschaftsvorsitzender

Markus Schenk ist Vorstandsvorsitzender der Bio-regionalen Genossenschaft Oberpfalz eG (BIregO). Der ausgebildete Schäfer betreibt in Deining in der Oberpfalz eine Schäferei mit 1.800 Mutterschafen. Wie die Genossenschaftsidee stehe auch die Schäferei für nachhaltiges Handeln, ist Schenk überzeugt. Es gibt übrigens noch eine Gemeinsamkeit: Beide sind von der deutschen UNESCO-Kommission als immaterielles Kulturerbe Deutschlands anerkannt, die Genossenschaftsidee wurde sogar in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Start mit Herausforderungen

Zur Ernte 2021 ging das Lagerhaus in Betrieb, doch die Logistik läuft noch nicht rund. Vor allem die Transportwege und die internen Abläufe müssen noch optimiert werden. „Bis in einem Lagerhaus alles wie vorgesehen funktioniert, dauert es ein bis zwei Jahre“, sagt Schenk. Zudem sei ausgerechnet die Ernte 2021 besonders herausfordernd gewesen, wenn sie nicht sogar die problematischste der vergangenen Jahre war. „Weil es ständig geregnet hat, war die Ernte sehr nass mit hohem Unkrautbesatz. Das verursachte Störungen bei den Maschinen, wir mussten hart kämpfen, um die ganze Ernte zu trocknen“, erzählt Schenk.

Zudem konnten die Landwirte die verschiedenen Getreidesorten wie Wintergerste, Sommergerste, Weizen, Dinkel oder Roggen nicht wie sonst üblich mit zeitlichem Abstand ernten. „Das lief ziemlich zeitgleich ab, Hauptsache, die Landwirte konnten wegen der Nässe überhaupt in den Acker fahren. Den dafür notwendigen Personalaufwand haben wir unterschätzt. Manchmal haben wir dann 24 Stunden durchgearbeitet, um das Getreide zu trocknen“, sagt Schenk. Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Stattdessen plant Schenk für die nächste Ernte mit einem Zweischichtbetrieb von jeweils acht Stunden.

Die bei Bio-Getreide übliche Sortenvielfalt erhöhte den Aufwand zusätzlich – jeder Bioverband erfordert eigene Lagerplätze nach seinen Vorgaben. „Am Ende wurden es immer mehr unterschiedliche Sorten. Wir mussten das angelieferte Getreide analysieren und passende Chargen zusammenfassen. Das braucht Zeit“, sagt Schenk. 52 Silozellen seien da eher zu wenig gewesen als zu viel. „Eigentlich könnten wir mehr machen. So müssen wir den Lagerplatz bestmöglich ausnützen“, berichtet der Vorstandsvorsitzende der BIregO. Zu schaffen machen der Genossenschaft auch die hohen Energiekosten. „Bei der Planung des Lagerhauses war die Energie ein Kostenfaktor von vielen. Jetzt ist Gas so teuer, dass die Energiekosten sogar die Personalkosten übersteigen“, sagt Schenk.

Er könnte sich deshalb vorstellen, gemeinsam mit der benachbarten Trocknungsgenossenschaft Lengenfeld und einer Energiegenossenschaft selbst Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und in ein lokales Ökonetz einzuspeisen, aus dem die BIregO dann ihre Energie bezieht. „Wir müssen in alle Richtungen denken und unsere Chancen nutzen“, sagt Schenk. Im Moment seien die regulatorischen Hürden für ein solches lokales Energienetz aber noch zu hoch.

Genossenschaft will in die Vermarktung einsteigen

Wegen der bisherigen Erfahrungen und auf Anregung der Mitglieder wird die Genossenschaft ihr Geschäftsmodell anpassen. Bisher sah sich die BIregO als reiner Dienstleister, der das Bio-Getreide für die Landwirte und die Verarbeiter trocknet, reinigt und lagert. „Wenn der Landwirt seine Chargen vermarkten wollte, mussten wir sie wieder von anderen Chargen trennen und einzeln aus den Silozellen holen. Ein extremer Aufwand“, berichtet Schenk. Deshalb wird die Genossenschaft wohl dazu übergehen, den Landwirten ihr Bio-Getreide abzukaufen und selbst zu vermarkten. „Das vereinfacht vieles, weil wir die Chargen gebündelt vermarkten können und nicht mehr jedem Landwirt eine Rechnung für die Lagerung seiner Ernte stellen müssen. Außerdem haben wir es selbst in der Hand, wann wir die Ware vermarkten wollen“, sagt Schenk.

Außerdem verfüge die Genossenschaft schon jetzt über ein gutes Netzwerk, denn bei der BIregO sind nicht nur die Bio-Landwirte Mitglied, sondern auch die Vermarkter. „Wir bilden in der Genossenschaft die komplette Wertschöpfungskette vom Erzeuger über den Verarbeiter und den Händler bis zum Verbraucher ab“, sagt Schenk. Teilhaber sind zum Beispiel die BayWa, die Erzeugergemeinschaft Ökologische Braurohstoffe (EZÖB) von Neumarkter Lammsbräu, die ihre Bio-Braugerste an die Brauerei liefert, und neuerdings auch Alnatura. Das Unternehmen vertreibt seine Bio-Produkte deutschlandweit in Supermärkten und Drogeriemärkten . Zunehmend betreibt Alnatura auch eigene „Super Natur Märkte“. Das Unternehmen sei Mitglied der BIregO geworden, weil es zunehmend den direkten Kontakt zu den Erzeugern seiner Bio-Produkte suche. „Die Verbraucher wollen wissen, wo ihre Ware herkommt und sehen, unter welchen Bedingungen sie erzeugt wird. Am liebsten ist es ihnen, wenn sie dazu auch noch ein Gesicht haben.“ Dieses Netzwerk könne die Genossenschaft bieten, ist Schenk überzeugt.

Der Vorstandsvorsitzende sieht die BIregO als ausgleichendes Organ, das die Interessen der Landwirte, der Verarbeiter, des Handels und der Verbraucher im Blick behalte. An dieser Stelle wird Schenk grundsätzlich. „Wir sitzen alle in einem Boot. Der Ökolandbau hat eine Schlüsselfunktion, um zur Lösung der globalen Probleme wie dem Klimawandel beizutragen. Das geht aber nur mit einer solidarischen Wirtschaftsweise.“ Die Biolandwirtschaft habe eine gute Ökobilanz und erbringe Leistungen für das Gemeinwohl, die aber nicht bezahlt werden, weil sie betriebswirtschaftlich nicht darstellbar seien, zum Beispiel der Trinkwasserschutz oder die Bodenpflege.

In einem Pilotprojekt hat die Neumarkter Lammsbräu gemeinsam mit der Regionalwert Leistungen GmbH die Leistung von 16 Bio-Bauernhöfen für das Gemeinwohl unter die Lupe genommen. Demnach erbringt jeder dieser Betriebe einen Mehrwert von rund 53.200 Euro pro Jahr für das Gemeinwohl. „Bio-Landwirte tragen etwa mit ihrer schonenden Bewirtschaftung der Äcker zum Humusaufbau bei. Humus bindet Kohlendioxid. Laut einer Initiative der UN-Klimakonferenz von 2015 würde eine Erhöhung des Humusgehalts in allen Böden der Welt um nur vier Promille pro Jahr reichen, um die gesamten durch Menschen bedingten CO2-Emissionen weitgehend zu kompensieren“, sagt Schenk. Die aktuelle Preisentwicklung für Mineraldünger, Pflanzenschutz und Futter zeige doch, wie extrem abhängig die konventionelle Landwirtschaft von fossilen Energien sei. „Da sind die Umweltschäden noch gar nicht eingepreist“, sagt Schenk.

Dazu komme der harte Preiswettbewerb in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, der maßgeblich vom Lebensmitteleinzelhandel angefacht werde. Die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht seien nicht ohne Grund zu Milliardären aufgestiegen. „Wenn wir weiter eine Daseinsberechtigung auf unserem Planeten haben wollen, brauchen wir eine andere Wirtschaftsweise, die Interessen ausgleicht und allen ausreichend Raum zum Leben lässt, einschließlich der Natur“, sagt Schenk. Genossenschaften seien die geeignete Rechtsform für solidarisches Wirtschaften. Die Bauern sollten sich wieder ohne Existenzangst der Landwirtschaft widmen können, und auch ohne den Zwang, die Natur ausbeuten zu müssen. „Was manche Bauernfamilien leisten müssen, um zu überleben, übersteigt jedes normale Maß. Da müssen die Kinder und die Großeltern auf dem Hof mitarbeiten, und Urlaub gibt es sowieso nicht“ sagt Schenk. Auch darauf will die BIregO die Aufmerksamkeit lenken.

Die Herausforderung der Bio-regionalen Genossenschaft Oberpfalz sei es nun zu zeigen, dass auch solidarische Wirtschaftsformen funktionieren. Die Zeit spiele dabei der BIregO in die Karten, ist Schenk überzeugt. „Jeder spricht über ökologische Erzeugung und regionale Kreisläufe. Das ist eine riesige Chance für die Bio-Landwirte. Die Gründung der Genossenschaft kam genau zum richtigen Zeitpunkt, jetzt wachsen wir in diesen Trend hinein.“ Das spüren auch die Landwirte und die Verarbeiter. Aus anfänglich 64 Mitgliedern sind inzwischen 212 geworden, weitere wollen in Kürze Anteile zeichnen. Denn ihre Dienstleistungen bietet die BIregO nur Mitgliedern an. Ein Anteil kostet 2.500 Euro.

Hygienestandards werden immer höher

Die Vermarktung von Ökoprodukten biete enormes Potenzial, vom steigenden Absatz könne auch die Genossenschaft profitieren. „Viele Verarbeiter von Bio-Produkten haben ihren Standort in gewachsenen Ortskernen, wo es keine Erweiterungsmöglichkeiten gibt. Deshalb versuchen diese Unternehmen, die Logistik und Lagerung ihrer Rohprodukte auszulagern, zum Beispiel an unser Lagerhaus“, sagt Schenk. „Dann reinigt und trocknet eine Brauerei ihre Bio-Braugerste eben nicht mehr selbst, sondern sie bezieht von uns sauberes und trockenes Getreide. Das ist für die Brauerei viel effektiver.“ Noch seien abgeschriebene Lager eine günstige Alternative für manche Verarbeiter, aber auch hier spiele die Zeit für die Genossenschaft. „Die Hygienestandards steigen und auch die Analysen werden immer besser, sodass diese Lager über kurz oder lang nicht mehr den hohen Anforderungen entsprechen“, sagt Schenk.

Sollte das ökologische Aufbereitungs- und Lagerzentrum der BIregO irgendwann vollends ausgelastet sein, ließe sich die Lagerkapazität auf 12.000 Tonnen erweitern. Für diese Größe wurde die gesamte Anlage konzipiert. „Im Zweifel werden wir lieber in Lagerkapazitäten investieren als in die Feinaufbereitung der Ware. Das hilft uns bei der Vermarktung und entspricht den Erwartungen der Mitglieder. Wir müssen die Anlage ja auch refinanzieren“, sagt Schenk. Denn auch der Vorstandsvorsitzende weiß, dass solidarisches Wirtschaften nicht bedeutet, von der Substanz zu leben. Deshalb sei es nun an der Genossenschaft, zu ringen und zu kämpfen. Schenk: „Wir wollen ein Leuchtturmprojekt sein, aber nicht im Versagen. Deshalb müssen wir uns aus eigener Kraft professionell weiterentwickeln, damit die Menschen in 20 Jahren sagen können, ja, die Gründer der BIregO haben damals genau das Richtige getan.“

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