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248 Seiten inklusive Anhang hat der Prüfungsbericht dieser Kreditgenossenschaft, die stellvertretend für alle bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken stehen soll. Die alles entscheidenden Sätze, die Vorstand und Aufsichtsrat sicher zuerst lesen werden, finden sich auf Seite 122.

„Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind ordnungsgemäß erstellt. Der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk wurde erteilt.

Der Aufsichtsrat ist seinen Mitwirkungs- und Überwachungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen.

Nach dem Ergebnis unserer Prüfung hat der Vorstand die Bank unter Beachtung von Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung sowie den Beschlüssen der Vertreterversammlung ordnungsgemäß geleitet.“

So dürr diese Worte klingen, so bedeutsam sind sie doch für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Denn das Prüfsiegel des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) ist für die Kreditgenossenschaften in vielerlei Hinsicht wichtig. Die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörden schauen sich den Prüfungsbericht genau an. Der Bestätigungsvermerk und das Prüfungsurteil werden in der General- oder Vertreterversammlung der Kreditgenossenschaft verlesen. Sollten die Prüferinnen und Prüfer des GVB bei einer Bank Unregelmäßigkeiten im Geschäftsbetrieb feststellen, wäre auch das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kreditinstitut sowie seinen Mitgliedern und Kunden gestört – doch genau davon lebt eine Bank.

Gründlichkeit ist oberstes Gebot

Das ist auch eine enorme Verantwortung für die Prüferinnen und Prüfer des GVB. Gründlichkeit ist oberstes Gebot. Rund 190 Personentage hat Teamleiter Philip Osterhammer für die Prüfung der Beispielbank angesetzt. Im Prüfungszimmer des Instituts haben Osterhammer und sein Team ihre Notebooks aufgebaut. Wie bei der Prüfung vorgegangen werden soll und welche Themen besonders genau unter die Lupe genommen werden, legen die Prüfer im Planungsmemorandum genau fest. Hierzu analysieren sie, welche Risiken es in der Bank gibt und in welchem wirtschaftlichen Umfeld sich diese bewegt. Auf Basis dieser Analysen wird das vorläufige Risiko eingeschätzt und das Team legt hierauf aufbauend die Prüfungsstrategie und das Prüfungsprogramm fest.

Geprüft wird nicht nur der Jahresabschluss, sondern zum Beispiel auch, ob die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen eingehalten werden, ob die Organisation der Bank stimmig ist oder ob die internen Kontrollsysteme (IKS) sowie das Risikomanagement angemessen sind und greifen. Ein wichtiger Teil der Prüfung ist die prozessorientierte Aufbau- und Funktionsprüfung im Kreditgeschäft. Sind zum Beispiel die Funktionen und Kompetenzen in der Bank bei der Kreditvergabe richtig zugeordnet? Wie laufen Kreditgewährung, Kreditbearbeitung und Risikoklassifizierung ab? „Wenn die Prozesse der Kreditvergabe grundsätzlich stimmen, senkt das die Fehlerwahrscheinlichkeit bei den Einzelkrediten“, erklärt Osterhammer. Bei unstimmigen Prozessen könnte die Bank im Extremfall möglicherweise einen Kredit auszahlen, bevor die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt sind, gibt der Teamleiter ein Beispiel.

Erste Ansprechpartner vor Ort

Die Prüferinnen und Prüfer des GVB leisten für die Banken jedoch mehr, als nur den Jahresabschluss oder die Einhaltung bankaufsichtsrechtlicher Regelungen zu prüfen. „Wir sind erste Ansprechpartner vor Ort. Neben unseren klassischen Prüfungsaufgaben tragen wir auch Fragen, Anliegen oder erwünschte Unterstützungsleistungen in den Verband“, sagt Osterhammer. Denn der GVB verfolgt mit der betreuenden Prüfung einen Ansatz, der deutlich mehr umfasst als die klassische Jahresabschlussprüfung, wie sie bei anderen Gesellschaftsformen üblich ist. „Die betreuende Prüfung soll die Banken bestmöglich bei der Lösung ihrer Herausforderungen unterstützen“, sagt Osterhammer.

Sparringspartner für Vorstand und Aufsichtsrat

„Die betreuende Prüfung versteht sich als Sparringspartner für Vorstand und Aufsichtsrat“, konkretisiert Alexander Leißl, Bereichsleiter Prüfung Banken beim GVB. Mit dem Ziel gesunder und wirtschaftlich starker, zukunftsfähiger Kreditgenossenschaften leiste die betreuende Prüfung ihren Beitrag zum Schutz der Solidargemeinschaft aller Volksbanken und Raiffeisenbanken. „Die Prüfung verfolgt dabei bewusst einen pragmatischen Ansatz. Durch die stetig zunehmende Regulatorik und die immer komplexeren Anforderungen an die Kreditgenossenschaften wird dieses Ansinnen wichtiger denn je“, sagt Leißl.

Durch die enge Verzahnung der Prüfung vor Ort mit den Facheinheiten des Verbands – dazu gehören etwa die Einheiten Grundsatz Prüfung, Aufsichtsrecht und Prüfungsnahe Betreuung – biete der GVB den Banken ein Rundumpaket an fachlicher Unterstützung, ergänzt Walter Friedrich, Leiter Operative Prüfung beim GVB. Wenn sich etwa die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) oder wertpapierrechtliche Vorschriften ändern, dann unterstützt der GVB seine Mitgliedsbanken bei der Umsetzung der neuen Vorgaben. „Außerdem unterstützen die Prüferinnen und Prüfer des GVB die Banken bei der Fortbildung, indem sie zum Beispiel an Erfahrungsaustausch-Kreisen für die Innenrevision oder den Aufsichtsrat mitwirken sowie Seminare an der Akademie Bayerischer Genossenschaften anbieten“, betont Friedrich.

Herausforderungen gab es für die Banken im vergangenen Jahr zur Genüge. Drei Punkte beschäftigten die Kreditinstitute besonders:

  • Das enorme Tempo der Zinswende: Der Anstieg der Zinsen um bis zu drei Prozentpunkte in nur einem Jahr überstieg im vergangenen Jahr alle Stressszenarien bei Weitem, mit denen die Banken und auch die Aufsicht normalerweise kalkulieren.
  • Steigende Eigenkapitalanforderungen: Temporäre Wertverluste in den Eigenanlagen (Depot A), das Zinsänderungsrisiko, mögliche Kreditrisiken sowie steigende regulatorische Anforderungen zwangen die Banken dazu, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Das mussten die Banken entsprechend in ihrer Geschäftsstrategie berücksichtigen. Außerdem schränkten höhere Kapitalvorgaben die Möglichkeiten der Kreditvergabe ein.
  • Die Umstellung von einer normativen auf eine parallel gleichwertige barwertige Steuerung: Während in der bisherigen normativen Steuerungswelt die Summe der Aktiva und Passiva sowie das Eigenkapital wichtige Größen waren, wird in Zukunft jeder Kredit und jedes Wertpapier mit dem aktuellen Marktzins verglichen – es wird also geschaut, welchen Barwert das Papier hat, wenn es zum nächsten Stichtag verkauft werden würde.

Pragmatische Lösungsansätze für die Banken

Der GVB begleitete die Banken bei der Bewältigung dieser Aufgaben. „Wir haben die Kreditinstitute auch mithilfe der Facheinheiten wie Bankaufsichtsrecht, Grundsatz Prüfung und mit Facharbeitsgruppen umfassend unterstützt und pragmatische Lösungsansätze entwickelt“, sagt Friedrich. Kurze Entscheidungswege im Verband seien dafür sehr hilfreich gewesen. Über die Anfang dieses Jahres gegründete GCS – Geno Corporate Services GmbH sei es möglich, zum Beispiel die Innenrevision der Banken personell zu unterstützen (zu den Leistungen der GCS siehe auch den Beitrag in „Profil“ 2/2023). In Zukunft wird sich der GVB bei den Unterstützungsleistungen verstärkt auch auf betriebswirtschaftliche Fragen fokussieren. Aktuell sind die Spezialisten des Verbands mit Unterstützung einiger Primärbanken dabei, eine Geschäftsfeldrechnung für die Mitgliedsbanken zu entwickeln. Außerdem arbeitet der GVB an einer Passivproduktstrategie für die Kreditgenossenschaften.

Dabei dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass auch der GVB selbst mit der Zeit gehen muss und vielfältige Herausforderungen zu meistern habe, sagt Leißl. „Wirtschaft, Regulatorik, Digitalisierung – unser Ziel ist es, die Effizienz in den Arbeitsprozessen und die hohe Qualität der Prüfung in diesem Umfeld ständiger Veränderungen zu gewährleisten.“ Deshalb legt der Verband sehr viel Wert auf ein hohes Aus- und Fortbildungsniveau bei seinen Fachkräften. Weil der Gesetzgeber zudem die Regulierung immer mehr auf bisher nicht erfasste Bereiche ausweite, seien weitere Spezialisierungen der Kolleginnen und Kollegen notwendig, zum Beispiel im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Wichtig ist auch der Aufbau weiterer IT-Kompetenzen durch Neueinstellungen oder Schulungen, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden“, sagt Leißl.

Effizienzgewinne durch Digitalisierung

Fortschritte hat der Verband bei der Digitalisierung der Prüfung gemacht. Sowohl bei der Prüfung vor Ort als auch bei den Arbeitsabläufen in München arbeiten die Prüferinnen und Prüfer des GVB inzwischen nahezu vollständig papierlos. Bei der Anwendung der qualifizierten elektronischen Signatur sei der GVB der Vorreiter gewesen, betont Leißl. „Die Bedeutung von Datenanalysen, Automatisierung und künstlicher Intelligenz wird auch in der Prüfung zunehmen. Vor diesem Hintergrund muss sich unsere Arbeit weiterentwickeln und effizienter werden, ohne dass dies zulasten der Qualität geht“, betont der Leiter Prüfung Banken.

Mit der Entwicklung analytischer Prüfungshandlungen für das Kreditgeschäft und das Meldewesen habe der GVB hier schon erste Erfolge erzielt. Diese sollen sukzessive weiterentwickelt und auf andere Prüfungsfelder ausgedehnt werden. Zudem gelte es, die Verbundvorteile, insbesondere das einheitliche IT-Umfeld, viel besser zu nutzen als bisher. Dies sei aber nur unter Beteiligung aller Regionalverbände und der Verbundunternehmen möglich. „Aus diesem Grund wurde auch ein verbundweites Projekt ins Leben gerufen, um das prüferische Vorgehen mit einer einheitlichen Prüfungssoftware zu harmonisieren“ sagt Leißl.

Digitalisierung und in einem gewissen Umfang auch mehr Spezialisierung werden den GVB auch in Zukunft beschäftigen. „Die personelle Unterstützung der Kreditgenossenschaften etwa in der Innenrevision oder bei fachlichen Themen wird noch mehr an Bedeutung gewinnen“, sagt Friedrich. Aktuell benötigten die Kreditinstitute weiterhin Unterstützung bei der Umstellung auf eine barwertige Risikotragfähigkeit sowie bei der Bewältigung der Zinswende und ihrer Folgen. „Außerdem bleiben die Entwicklung zu einer datengetriebenen Prüfung und teilweise die Zentralisierung von Prüfungshandlungen aus Effizienzgründen auf der Agenda“, sagt der Leiter Operative Prüfung.

Betreuende Prüfung braucht Präsenz vor Ort

Dazu hat auch die Corona-Pandemie beigetragen. Inzwischen erledigen die Prüferinnen und Prüfer einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus. „Fern- oder Remote-Prüfungen haben auch bei uns zugenommen. Sie erlauben ein sehr flexibles Vorgehen“, sagt Leißl. Der Trend zu Fernprüfungen werde zunehmen. „Eine ausschließliche Remote-Prüfung wäre aber nicht im Interesse der Kreditgenossenschaften und auch nicht im Interesse des GVB“, betont der Leiter Prüfung Banken.

Das sieht auch Philip Osterhammer so. Für die Prüferinnen und Prüfer des GVB ist gerade Hochsaison. Spätestens Ende Mai müssen alle Prüfungsberichte fertiggestellt und die Testate erteilt sein. Zwischenzeitlich haben Osterhammer und sein Team gecheckt, ob die Beispielbank die aufsichtlichen Eigenkapitalvorgaben einhält. Zudem haben sie nach einem genau festgelegten Schema eine ganze Reihe von Einzelkrediten genau unter die Lupe genommen. Dazu gehören zum Beispiel die fünf größten Kreditengagements sowie Neukredite, Kredite mit erhöhten Risiken oder Organkredite. Bei den Organkrediten steht der Kreditnehmer in einer besonderen Beziehung zu seiner Bank, zum Beispiel weil er gleichzeitig im Aufsichtsrat des Kreditinstituts sitzt. Deshalb sind solche Engagements genau zu prüfen, um Interessenkonflikte auszuschließen.

Immer wieder schauen der Vorstand der Bank oder leitende Angestellte im Prüfungszimmer vorbei, um Nachfragen zu klären oder bestimmte Zahlen und Entscheidungen zu erläutern. Selbst wenn Bank und Prüfung mitunter verschiedene Ansichten vertreten, gesprochen wird auf Augenhöhe. Auch deshalb sei eine betreuende Prüfung ohne die Präsenz der Prüferinnen und Prüfer vor Ort nur schwer vorstellbar, sagt Osterhammer. Die unsichere wirtschaftliche Lage, die immer komplexere Regulatorik und der immer lautere Ruf nach mehr Nachhaltigkeit seien Themen, die Banken und Prüfung am besten Hand in Hand angehen. „Dazu braucht es den Austausch von Mensch zu Mensch sowohl innerhalb der GVB-Prüfung als auch mit den Banken.“ Der persönliche Kontakt wirke dabei auch sinnstiftend, sagt Osterhammer. „Wenn ich höre, dass die Leistungen des Verbands von den Mitgliedern wertgeschätzt werden, dann zeigt mir das, wie wichtig unsere Arbeit ist. Da fahre ich abends mit einem guten Gefühl nach Hause, auch wenn der Tag stressig war.“

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