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Dieser Beitrag erschien zuerst in der Sonderbeilage „70 Jahre Börsen-Zeitung – Partner des Finanzplatzes München“ der „Börsen-Zeitung" vom 10. März 2022.

Es waren bewegte Zeiten im Jahr 1952, als die Börsen-Zeitung gegründet wurde. In Südostasien tobte der Koreakrieg, auf Kuba putschte sich Fulgencio Batista an die Macht, die Regentschaft von Königin Elisabeth II. begann, Bundeskanzler Konrad Adenauer setzte gegen den Widerstand der Sowjetunion konsequent auf die Westintegration der noch jungen Bundesrepublik. Wirtschaft und Gesellschaft kämpften noch mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges – gleichzeitig zeichnete sich die langsam an Schwung gewinnende wirtschaftliche Dynamik ab, die die Grundlage für die künftige Wirtschaftssupermacht schuf.

Die Inflationsrate lag bei vergleichsweise moderaten zwei Prozent, das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen bei 321 D-Mark, die Deutschen arbeiteten 48 Stunden, verteilt auf sechs Arbeitstage pro Woche. Die Wirtschaft nahm nach und nach Fahrt auf, Unternehmen brauchten Kapital, um ihr Wachstum zu finanzieren. In diesem Umfeld waren verlässliche Informationen über das Wirtschafts- und Börsengeschehen, so wie die Börsen-Zeitung es bietet, ebenso wichtig wie Kreditinstitute, die in der Lage waren, den steigenden Kreditbedarf zu befriedigen.

Die Bürger fassten zunehmend Vertrauen zur D-Mark, die erst knapp vier Jahre vorher im Zuge der Währungsreform eingeführt worden war. Sie wurde zu einer der wesentlichen Grundlagen für späteres Wachstum und Wohlstand und entwickelte sich zu einer der stabilsten und begehrtesten Währungen der Welt. Mit Plakatsprüchen wie „Stark ist die Mark“ warben die bayerischen Kreditgenossenschaften Anfang der 50er Jahre für die neue Währung – und wurden 1952 mit einer Zunahme der Spareinlagen von über 40 Prozent belohnt.

Begleiter heimischer Unternehmen

Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sind seit ihren Anfängen ein enger Begleiter der heimischen Unternehmen. In ihrer Entwicklung spiegelt sich die Veränderung der Wirtschaft wider. Ursprünglich vor allem als Finanziers der Landwirtschaft und des Handwerks gegründet, spielten sie nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der Infrastruktur, der Entwicklung des unternehmerischen Mittelstands und der Industrialisierung Bayerns.

Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben in den vergangenen 70 Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie bilden heute eine der profitabelsten Bankengruppen in Europa. Dieser Erfolg war jedoch kein Automatismus. Er beruht auf der Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln und mit der Zeit zu gehen, ohne dabei die genossenschaftlichen Werte aus dem Blick zu verlieren.

Ein Blick in die Historie zeigt, dass sich die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken stets den Herausforderungen gestellt und an die neue Zeit angepasst haben: 1952 zählten zum Bayerischen Raiffeisenverband und dem Bayerischen Genossenschaftsverband Schultze-Delitzsch, den beiden Vorgängerorganisationen des Genossenschaftsverbands Bayern, 4.026 Kreditgenossenschaften in Bayern. Mehr als 3.300 von ihnen wurden nebenamtlich geführt.

An neue Zeiten anpassen

Seitdem sind die Komplexität des Bankengeschäfts und die Anforderungen an die Bankverantwortlichen enorm gestiegen. Professionalisierung und regulatorische Anforderungen haben um sich gegriffen. Vor allem in den 1970er Jahren schlossen sich daher Kreditgenossenschaften schrittweise zu größeren Einheiten zusammen. Auch das ein Schritt, um Zukunftsfähigkeit zu bewahren und sich neuen Zeiten anzupassen.

Heute zählen wir in Bayern 208 eigenständige Volksbanken und Raiffeisenbanken. Eines ist seither aber immer gleichgeblieben: die Nähe zum Kunden. Die bayerischen Kreditgenossenschaften verfügen heute mit 2.015 Standorten und 3.504 Geldautomaten über ein flächendeckendes Netz an Servicestellen und stellen damit in ganz Bayern die Versorgung mit Finanzdienstleistungen sicher.

Kurz nach dem Krieg, zu Beginn des Wirtschaftswunders, wuchs das Kreditgeschäft der Banken naturgemäß sehr stark. An Wachstumsraten wie 1952, als die Kredite um fast 50 Prozent zunahmen, kommen die Banken zwar nicht mehr heran. Aber auch heute prägt Wachstum das Geschäft der Kreditgenossenschaften. Den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ist es gelungen, ihr Geschäft in den vergangenen Jahren kontinuierlich auszubauen.

Mehr als ein Jahrzehnt des Wachstums wussten auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken zu begleiten und für sich und ihre Kunden und Mitglieder zu nutzen. Das Kreditvolumen hat sich seit 2010 nahezu verdoppelt. Der Nachfrageboom nach Immobilienkrediten hält an, zusätzlich profitierten die Kreditgenossenschaften von der Erholung der Wirtschaft nach dem ersten Pandemiejahr 2020. So hat die Kreditvergabe im Firmenkundengeschäft auch 2021 deutlich zugelegt. Die steigenden Marktanteile zeigen: Die Genossenschaftsbanken sind erfolgreicher und leistungsfähiger denn je.

Profitabel wachsen

Für die Zukunftsfähigkeit der Banken ist es aber entscheidend, profitabel zu wachsen. Daran hat sich in 70 Jahren nichts geändert. Blickt man in den Jahresbericht 1952 des Bayerischen Raiffeisenverbands, heißt es dort, der erfreulichen Entwicklung durch höhere Einlagen „wurde aber durch die zweimalige Herabsetzung der Landeszentralbank-Sätze und damit der Sollzinssätze wieder ein Ende gesetzt“. Und weiter: „Dieser Zustand ist auf Dauer nicht mehr zumutbar. Eine marktgerechte Verzinsung […] lässt sich nicht mehr länger umgehen.“ Und damit sind wir wieder in der heutigen Zeit. Die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die Zinsspannen schrumpfen lassen und ihre Spuren in den Gewinn- und Verlust-Rechnungen der Banken hinterlassen.

Anstatt zu klagen, stellen sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken auf die neuen Gegebenheiten ein. „Die Zeit steht niemals still“, wusste schon einer der genossenschaftlichen Gründungsväter, Hermann Schulze-Delitzsch, und empfahl den Genossenschaften, sich „den Forderungen der Gegenwart anzubequemen“. In diesem Sinne erweitern die Kreditgenossenschaften ihr Beratungs- und Dienstleistungsgeschäft bedarfsgerecht und gleichen damit rückläufige Zinserträge aus, sie vereinheitlichen Prozesse und nutzen die Vorteile der Digitalisierung, um effizienter zu arbeiten. Sie kooperieren im genossenschaftlichen Verbund und können so die Vorteile kleiner, regionaler Einheiten mit der Schlagkraft und der Spezialisierung der großen genossenschaftlichen Verbundpartner verknüpfen.

Für den Wettbewerb gerüstet

Der Markt für Finanzdienstleistungen ist komplexer geworden. Neobanken bieten klassische Bankgeschäfte in ausschließlich digitalisierter Form an, Fintechs durchdringen einzelne Geschäftsfelder. Bigtechs wie Google, Apple oder Amazon versuchen, das Zahlungsgeschäft auf ihre Plattformen zu ziehen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind für diesen Wettbewerb gut gerüstet. Ihr auf Kundennähe und genossenschaftliche Prinzipien ausgerichtetes Geschäftsmodell bleibt attraktiv und zukunftsfähig. Sie haben schon regionale Ökosysteme mit ihren Mitgliedern und Kunden gebildet, bevor das Wort „Ökosystem“ auch außerhalb der Biologie zum Schlagwort wurde. Nachhaltigem Handeln und Wirtschaften waren sie bereits verpflichtet, als andere diesen Begriff noch gar nicht kannten. Durch ihre dezentrale Struktur sind sie anpassungsfähiger und kundennäher als viele Mitbewerber.

Essenziell bleibt Vertrauen

Vertrauen bleibt ein zentraler Faktor im Finanzgeschäft. Kreditgenossenschaften genießen aufgrund ihrer regionalen Nähe und der persönlichen Beziehung hohes Vertrauen bei ihren Kundinnen und Kunden. Sie beziehen ihre Mitglieder in die Entwicklung der Bank ein, engagieren sich vor Ort und sind in der Region präsent und stets erreichbar. Sie pflegen regionale Netzwerke und haben ein Gespür für die regionale Wirtschaft. Damit sind sie die idealen Partner des Mittelstands und können dessen Transformation in Richtung Nachhaltigkeit begleiten. Wenn die digitale Abwicklung von Geschäften der Normalfall wird, stechen Regionalbanken heraus, die neben dem digitalen Standardprogramm auch die persönliche Nähe zum Kunden in der realen Welt bieten. Darin liegt eine große Chance für die bayerischen Kreditgenossenschaften.

Veränderte Kundenanforderungen und Märkte, Digitalisierung und steigende regulatorische Anforderungen haben die Bankenlandschaft stark verändert. Die Währung heißt Euro, das durchschnittliche Bruttogehalt liegt bei 3.975 Euro pro Monat, nur Elisabeth II. sitzt immer noch auf dem britischen Thron. Die Börsen-Zeitung hat diesen Veränderungsprozess stets ebenso kritisch wie konstruktiv begleitet und mit ihrem wachen Blick mit dafür gesorgt, dass alle Beteiligten wohlinformiert Entscheidungen für die Zukunft treffen konnten.

Wie das Finanzwesen, so hat sich auch die Medienlandschaft in den zurückliegenden Jahren deutlich gewandelt. Newsletter, Podcasts und Blogs machen dem gedruckten Wort zunehmend Konkurrenz. Die Börsen-Zeitung" hat den Veränderungen der Medienlandschaft nicht nur getrotzt, sondern sich selbst weiterentwickelt. Sie ist eine Institution, der man vertraut. Dieses Vertrauen der Leserinnen und Leser hat sich die Zeitung ebenso wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken immer wieder neu verdient. In diesem Sinne: auf die nächsten 70 Jahre!

Gregor Scheller ist Vorstandsvorsitzender und Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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