Finanzielle Bildung: Union Investment hat untersuchen lassen, wie gut die Menschen in Deutschland über Finanzthemen Bescheid wissen. Im Interview stellt Vorstand Giovanni Gay die Ergebnisse vor.
Die wichtigsten Aussagen in Kürze
- Die Generation Z sucht bei der Geldanlage den Rat hauptsächlich bei den eigenen Eltern und kopiert deren Anlageverhalten.
- Die Sozialen Medien spielen bei der Informationsbeschaffung nur eine nachrangige Rolle.
- Trotz lückenhafter Kenntnisse sehen Eltern sich selbst als Finanz-Coaches für ihre Kinder.
Herr Professor Stolper, Sie haben im Auftrag von Union Investment untersucht, wie die Elterngeneration das Finanzanlageverhalten der Generation Z beeinflusst. Was sind Ihre zentralen Ergebnisse?
Prof. Dr. Oscar Stolper ist Inhaber der Professur für Behavioral Finance an der Universität Marburg. Foto: Rolf Wegst
Oscar Stolper: Die Generation Z sucht bei der Geldanlage den Rat hauptsächlich offline – bei den eigenen Eltern. Die Folge ist teilweise ein fragwürdiges Erbe. Denn junge Erwachsene bleiben in der familiären Finanz-DNA verhaftet und kopieren die tradierten Sparmuster. Je nach Finanzwissen der Elterngeneration bleibt der eigenverantwortliche Umgang mit Geld – Voraussetzung für Vermögensbildung und Altersvorsorge – somit bei vielen auf der Strecke.
Welchen Informationsquellen vertrauen junge Menschen neben ihren eigenen Eltern beim Thema Finanzen sonst noch?
Stolper: Eltern haben bei Finanz- und Geldanlagethemen den größten Einfluss auf die junge Generation. Fast drei Viertel der zwischen 1995 und 2012 geborenen Befragten (71 Prozent) geben an, dass ihren Eltern eine bedeutende Rolle zukommt, wenn es um Finanzwissen und Geldanlagethemen geht. Das Vertrauen in die elterlichen Ratschläge ist hoch: Fast acht von zehn jungen Erwachsenen vertrauen bei grundsätzlichen Finanzfragen den Eltern (77 Prozent). Fragt man die jungen Menschen, wie sie sich dezidiert über die Geldanlage in Aktien, Investmentfonds oder ETFs informieren und wem sie am meisten vertrauen, liegen für diese Anlageklassen ebenfalls die Eltern klar vorne. 18 Prozent der Gen Z nennen das Elternhaus als hauptsächliche Informationsquelle und knapp ein Viertel (24 Prozent) vertraut deren Ratschlägen auch am meisten. Bei einem Bank- oder Finanzberater informieren sich 15 Prozent der Befragten, ein Fünftel vertraut ihrem Bank- oder Finanzberater (20 Prozent). Die sozialen Medien hingegen nutzen nur zwölf Prozent zur Informationsbeschaffung. Hier besteht auch bei den wenigsten (sieben Prozent) Vertrauen in die gefundenen Informationen. Untergeordnete Rollen als Informationsquellen spielen Internetseiten von Finanzdienstleistern, spezielle Foren oder auch Podcasts, TV, Radio und Tageszeitungen.
„Hängt die Vermögensbildung vom lückenhaften Finanzwissen der Eltern ab, fehlen vielen Kindern solide Startbedingungen.“
Wie schauen die Eltern auf die Finanzbildung ihrer Kinder?
Stolper: Schaut man auf die Eltern, so sehen sich die meisten tatsächlich auch als Finanz-Coaches ihrer Kinder. Allerdings ist nicht immer das nötige Know-how vorhanden. Nur durchschnittlich 54 Prozent aller befragten Eltern konnten mindestens zwei von insgesamt drei einfachen Wissensfragen zur Geldanlage in Aktien und Fonds richtig beantworten. 46 Prozent beantworteten gar keine beziehungsweise nur eine Frage korrekt. Eltern, die selbst aktienbasierte Geldanlagen besitzen, erzielten etwas bessere Ergebnisse. Von ihnen haben immerhin gut zwei Drittel (69 Prozent) zwei oder drei Fragen richtig beantwortet. Unabhängig vom eigenen Wissensstand zeigen sich die meisten Eltern dennoch selbstbewusst: 89 Prozent aller Befragten aus der Elterngeneration sehen sich selbst als wichtigste Ratgeber, wenn schulische Finanzbildungsangebote fehlen. In der Konsequenz heißt das: Hängt die Vermögensbildung vom lückenhaften Finanzwissen der Eltern ab, fehlen vielen Kindern solide Startbedingungen.
MoneyCoaster: Neues Aufbaumodul für Klassen 8 bis 11
MoneyCoaster ist das praxisnahe Finanzbildungsprogramm von Union Investment, mit dem Bankberater Schülern finanzielle Grundkenntnisse altersgerecht vermitteln können. Zum Schuljahr 2025/2026 ergänzt ein neues Aufbaumodul für die Klassen 8 bis 11 das bestehende Basismodul (Klassen 7 bis 10). Während das Basismodul Grundlagen wie Geld, Sparen und digitales Bezahlen lehrt, fokussiert das Aufbaumodul den Einstieg ins Berufsleben: Gehaltsabrechnung, Nettolohn und Sparformen stehen hier im Mittelpunkt. Die Module sind unabhängig voneinander nutzbar und bereiten Jugendliche praxisnah auf den eigenverantwortlichen Umgang mit Geld vor.
Um die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken in der Umsetzung bestmöglich zu unterstützen, bietet Union Investment ein kompaktes Paket an Materialien. Dazu gehören eine Unterrichtspräsentation, ein Referentenleitfaden, ein Web-based-Training sowie mehrere Arbeitsblätter. Auf diese Weise bleibt der Aufwand für die Banken überschaubar und gleichzeitig wird ein didaktisch einwandfreier Unterricht sichergestellt. Das Design der Materialien wurde zum neuen Schuljahr komplett überarbeitet. Dadurch wirkt das Erscheinungsbild moderner und ist noch stärker auf die junge Zielgruppe zugeschnitten. Alle Inhalte gibt es nach Anmeldung in der InvestmentWelt.
Ein bundesweiter Wettbewerb motiviert zusätzlich zum spielerischen Lernerfolg. Im Nachgang an die jeweilige Unterrichtseinheit können die Schülerinnen und Schüler ihr erworbenes Wissen in der MoneyCoaster-App festigen und durch die Beantwortung von Quizfragen mit anderen Schulklassen konkurrieren. Die besten Klassen erwartet am Ende des Schuljahres ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro und eine Siegerparty.
Weitere Informationen und Anmeldung unter:
finanzbildung(at)union-investment.de
+49 69 25675882
Wie stark beeinflusst die Finanzkompetenz der Eltern das finanzielle Wissen der Kinder?
Stolper: Die Finanzkompetenz der Eltern prägt auch den Wissensstand der nächsten Generation. Verfügen die Eltern über aktienbasierte Geldanlagen, kann fast die Hälfte ihrer Kinder (46 Prozent) mindestens zwei von drei Wissensfragen richtig beantworten. Bei Kindern von nicht-investierten Eltern sind es nur 34 Prozent. Interessant ist auch, dass die meisten Eltern, die aktienbasiert sparen, mit ihren Kindern viel darüber sprechen (85 Prozent). Unter den Eltern, die ohne Aktien und Fonds sparen, tun dies nur 61 Prozent. Auch die Gesprächsanlässe unterscheiden sich: Der Durchschnitt aller befragten Eltern spricht mit Kindern am meisten darüber, wie wichtig Sparen ist (23 Prozent) und wie man seine Ausgaben im Blick behält (18 Prozent). Eltern mit gutem Finanzwissen und aktienbasierten Geldanlagen sprechen mit ihren Kindern vor allem über konkrete finanzielle Sachverhalte beziehungsweise Finanzprodukte oder -dienstleistungen (23 Prozent) und auch über Chancen von Geldanlagen (17 Prozent).
„Viele nicht-investierte Eltern setzen auf Sparen als vermeintlichen Stabilitätsanker. Das fördert zwar die Sparkultur, schränkt aber die Chancen auf Vermögensbildung ein.“
Wie wirkt sich das Anlageverhalten der Eltern auf jenes ihrer Kinder aus?
Stolper: Stellt man die Geldanlage der Gen Z und ihrer Eltern gegenüber, zeigt sich, dass Sparmuster zwischen den Generationen weitergeben werden: Die Vermögensstruktur junger Erwachsener, die nicht aktienbasiert sparen, ist ähnlich konzentriert und auf zinsbasierte Produkte fokussiert wie die der nicht-investierten Eltern. Sie nutzen hauptsächlich Sparkonto (46 Prozent), Tagesgeld (25 Prozent) und Bausparvertrag (21 Prozent). Kinder von Eltern ohne Anlageerfahrung haben dadurch oft einen eingeschränkten Zugang zu renditestärkeren Anlagen: Nur 36 Prozent von ihnen sparen aktienbasiert. Um es auf den Punkt zu bringen: Viele nicht investierte Eltern setzen auf Sparen als vermeintlichen Stabilitätsanker. Das fördert zwar die Sparkultur, schränkt aber die Chancen auf Vermögensbildung ein. Denn die dafür wichtigen Kapitalerträge fehlen.
Stellt sich die Situation bei Kindern, deren Eltern aktienbasiert sparen, anders dar?
Stolper: Hier ergibt sich in der Tat ein anderes Bild. 74 Prozent der Kinder, deren Eltern aktienbasiert sparen, investieren ebenfalls in aktienbasierte Produkte. Die Eltern verfügen überwiegend über ein breit aufgestelltes Anlagespektrum. Sie halten neben Tages- und Festgeld (69 Prozent), ETFs (60 Prozent) und Aktienfonds (56 Prozent) auch festverzinsliche Wertpapiere (20 Prozent) und Rentenfonds (18 Prozent). Vertreter der Gen Z, die investieren, bevorzugen ETFs (69 Prozent), Tages- und Festgeld (54 Prozent) sowie Aktienfonds (50 Prozent). Auffällig ist, dass gut ein Drittel dieser jungen Kohorte ihr Geld in Kryptowährungen anlegt (36 Prozent).
Gibt es dennoch Hoffnung für Kinder aus Haushalten mit wenig ausgeprägtem Finanzwissen?
Stolper: Es gibt junge Erwachsene, die aus dem Anlageverhalten in der Familie ausbrechen: Gut ein Drittel der Befragten (36 Prozent) investieren aktienbasiert, obwohl ihre Eltern das nicht tun. In dieser Gruppe spielen Bank- und Finanzberater (zwölf Prozent), soziale Medien (elf Prozent) und Freunde (zehn Prozent) je eine etwa gleichwertige Rolle. Die Bedeutung der eigenen Eltern als zentrale Informationsquelle nimmt hingegen deutlich ab (sieben Prozent). Zudem zeigen sich diese Jungaktionäre mit 50 Prozent besonders chancenorientiert. Die Risikobereitschaft beruht jedoch vielfach nicht auf einer guten Wissensbasis: 55 Prozent der jungen Befragten, die aktienbasiert investieren, ohne dass ihre Eltern in diesem Bereich Erfahrung haben, beantworten nur eine oder sogar keine einzige der drei einfachen Wissensfragen richtig.
„Finanzbildung muss über Gespräche am Küchentisch hinausgehen. Für die junge Anlegergeneration sind daher qualifizierte Beratung und geprüfte Inhalte entscheidend.“
Wenn Sie zum Schluss die wichtigsten Erkenntnisse Ihrer Studie in wenigen Worten zusammenfassen müssten: Wie würden diese lauten?
Stolper: Finanzbildung muss über Gespräche am Küchentisch hinausgehen. Für die junge Anlegergeneration sind daher hochwertige Finanzbildungsangebote, qualifizierte Beratung und geprüfte Inhalte entscheidend. Gerade mit Blick auf das wichtige Thema Altersvorsorge sollten hier keine Fehler passieren.
Herr Professor Stolper, herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person:
Prof. Dr. Oscar Stolper ist seit 2020 Inhaber der Professur für Behavioral Finance am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Philipps-Universität Marburg, wo er zuvor seit 2014 die Juniorprofessur Accounting & Finance innehatte. Oscar Stolper beschäftigt sich in seiner Forschung vorrangig mit Themen der empirischen Kapitalmarktforschung sowie der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie (Behavioral Finance). Hierbei untersucht er insbesondere das Entscheidungsverhalten privater Haushalte in ihrer Rolle als Kapitalmarktteilnehmer.
Angaben zur Studie
Für die Studie von Prof. Oscar Stolper im Auftrag von Union Investment wurden im April und Mai 2025 in Deutschland folgende Personengruppen befragt:
- 1.006 Angehörige der Generation Z, die zwischen 1995 und 2012 geboren sind, sowie
- 1.021 Personen der Jahrgänge 1960 bis 1990 mit einem oder mehreren Kindern, die der Generation Z angehören.