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Herr Professor Stolper, gemeinsam mit Union Investment haben Sie eine Studie zum Anlageverhalten junger Menschen zwischen 18 und 24 Jahren durchgeführt. Warum lohnt es sich, die Generation Z in Augenschein zu nehmen?

Oscar Stolper: In Gesprächen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Vorlesungen und Seminare ist mir aufgefallen, dass sich ihr Anlageverhalten stark geändert hat. Beispielsweise beziehen junge Menschen ihre Informationen weniger aus Zeitungen oder von Fachleuten. Stattdessen verlassen sie sich auf Tipps von sogenannten Finfluencern – also Influencern, die sich mit Finanzthemen beschäftigen und Ratschläge zur Geldanlage geben. Außerdem kaufen und verkaufen die jungen Menschen Wertpapiere häufig spontan und von unterwegs. Ein klassisches Beispiel: Sie müssen fünf Minuten auf den Bus warten und investieren während dieser Zeit in eine Einzelaktie. Diese Entwicklung ist vor allem eine Folge aus dem Aufkommen von Neobroker-Plattformen. Mit spielerischen Elementen – Gamification genannt – sorgen die Anbieter dafür, dass die Grenze zwischen App-Game und Aktienanlage verschwindet. Wertpapiere, Derivate oder Kryptowährungen lassen sich so mit wenigen Klicks und in Sekundenschnelle handeln.
 

Die Generation Z geht also ganz anders mit den Themen Aktien und Börse um als andere Generationen?

Stolper: Zumindest war das meine anekdotische Evidenz aus den Gesprächen mit den Studierenden. Deswegen habe ich gemeinsam mit Union Investment die angesprochene Studie zum Anlageverhalten der Generation Z durchgeführt. Das Hauptziel war es, herauszufinden, ob die jungen Aktionärinnen und Aktionäre Wegbereiter einer neuen Aktienkultur in Deutschland sind. Dazu haben wir viele Detailfragen gestellt, beispielsweise zur Risikoneigung, zum Wissen über den Aktienmarkt oder zum Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit bei der Wertpapieranlage. So konnten wir herausfinden, inwieweit sich die Generation Z (18 bis 24 Jahre) von der Generation Y (25 bis 44 Jahre), der Generation X (45 bis 54 Jahre) und den sogenannten Baby Boomern (ab 55 Jahre) unterscheidet.

„Junge Aktionärinnen und Aktionäre agieren nicht mehr so konservativ wie frühere Generationen.“

Lassen Sie uns gerne auf die einzelnen Ergebnisse eingehen. Die Menschen in Deutschland gelten als konservative Anleger. Trifft das auch auf die Generation Z zu?

Stolper: Drei Befunde sprechen dafür, dass die jungen Aktionärinnen und Aktionäre nicht mehr so konservativ agieren wie frühere Generationen. Erstens weisen sie einen deutlich höheren Risikoappetit auf, jeder Dritte aus der Gruppe bezeichnet sich als renditeorientierten Anleger. Das ist ein Spitzenwert im Vergleich mit den anderen Altersgruppen. Zweitens handeln die jungen Aktionäre im Vergleich sehr häufig mit Aktien. Ihre Motivation ist dabei vielfach, schnell Gewinne zu erzielen. Und drittens gibt es in der Generation Z deutlich mehr Selbstentscheider. Ihre Aktien handeln sie selbst. Das spricht für ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein.

Welche Erwartungen hat die Generation Z, wenn sie in Aktien investiert?

Stolper: Zunächst einmal ist es nicht verwerflich, wenn junge Menschen in der Hoffnung auf hohe Gewinne in risikobehaftete Wertpapiere investieren. Der Aktienmarkt bietet große Chancen und einige Menschen sind durch Wertpapierinvestments in kurzer Zeit reich geworden. Wer aber einsteigt und davon ausgeht, in wenigen Wochen zum Millionär zu werden, der wird aller Voraussicht nach enttäuscht werden, weil die Erwartungshaltung von vornherein unrealistisch ist. Viele frustrierte junge Anlegerinnen und Anleger wären das Resultat dieser Entwicklung.
 

Wie kommen Sie darauf?

Stolper: Die Ergebnisse der Studie lassen den Rückschluss zu, dass es bei den Aktionärinnen und Aktionären der Generation Z in der Tat eine problematische Erwartungshaltung an den Vermögensaufbau gibt. Beispielsweise ist der Anteil derjenigen Anleger, die ihr Geld vorwiegend in Kryptowährungen stecken, bei jungen Menschen mit Abstand am höchsten ausgeprägt. Ein solches Investment ist häufig spekulativ, es besteht ein erhöhtes Risiko eines Totalverlusts. Was zudem Anlass zur Sorge gibt, ist eine Mentalität, die als „Get Rich Fast“ bezeichnet wird. So stimmen viele Aktionäre der Generation Z der Aussage zu, dass die Finanzmärkte die Mutigen belohnen. Außerdem sehen sie Investoren, die an der Börse schnell zu einem großen Vermögen gekommen sind, als Vorbilder für ihre eigenen Anlageentscheidungen. Wenn sich die Hoffnungen auf das schnelle Geld jedoch nicht erfüllen, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass eine ganze Generation als Konsequenz dem Aktienmarkt den Rücken kehrt. Das würde die Aktienkultur in Deutschland massiv zurückwerfen – ähnlich wie zu Beginn der 2000er-Jahre, als die Dotcom-Blase platzte und viele Kleinanleger Geld verloren haben.

„Bank- und Finanzberater bleiben auch für die Aktionäre der Generation Z die wichtigste Informationsquelle.“

Wie informiert sich die Generation Z über Finanzthemen und welche Rolle spielen dabei Bankberater?

Stolper: Bank- und Finanzberater haben zwar an Bedeutung verloren, sie bleiben aber auch für die Aktionäre der Generation Z weiterhin die wichtigste Informationsquelle. Das ist eine gute Nachricht, schließlich zeigen Studien, dass Kunden mit Beratung besser durch turbulente Marktphasen kommen als Kunden ohne Unterstützung durch Finanzfachleute. Generell hat sich das Verhalten bei der Wertpapieranlage stark verändert. Die jungen Menschen informieren sich weniger anhand redaktionell geprüfter sowie aufsichtlich regulierter Inhalte – etwa durch Angaben der Produktanbieter, Gespräche mit dem Bankberater oder dem Lesen von Zeitungen und Verbraucherzeitschriften. Viel wichtiger ist ihnen der Rat von Familienmitgliedern, Freunden, Finfluencern oder Akteuren aus Internetforen. Diese Entwicklung finde ich besorgniserregend.

Warum?

Stolper: Dazu haben wir zunächst untersucht, wie die verschiedenen Generationen ihr Wissen über die Aktienmärkte bewerten. Das Ergebnis: Aktionärinnen und Aktionäre der Generation Z fühlen sich überdurchschnittlich gut informiert und sind von ihren Kenntnissen sehr überzeugt. Anschließend haben wir Wissensfragen gestellt, um einzuordnen, inwieweit die subjektiv wahrgenommene Kompetenz in Anlagefragen der jüngsten Aktionäre mit solidem Wissen gedeckt ist. Zum Beispiel: „Die Wertentwicklung einer Anlage in eine einzelne Aktie unterliegt in der Regel weniger Schwankungen als die Wertentwicklung einer Anlage in einen Aktien- beziehungsweise Mischfonds. Ist diese Aussage wahr oder falsch?“ Die Generation Z hat bei dieser und weiteren Fragen, etwa zu Bereichen wie Risikodiversifikation oder zeitlicher Diversifikation, am häufigsten die falsche Antwort gegeben. Auch die Vorzüge des „Buy and Hold“-Ansatzes scheinen vielfach nicht bekannt zu sein. In der Gesamtschau liegt bei den Aktionärinnen und Aktionären der Generation Z eine deutliche Wissens- und Kompetenzillusion. Eine der Ursachen ist sicherlich das starke Vertrauen auf ungeprüfte Informationen.

„Die Anforderungen der Generation Z: Geldanlage soll Spaß machen, unkompliziert sein und einen aufregenden, spielerischen Faktor enthalten.“

Wie erwirbt die Generation Z Aktien und Aktienindizes?

Stolper: Junge Anlegerinnen und Anleger stellen neue Anforderungen an Depotanbieter. Ihre Haltung: Geldanlage soll Spaß machen, unkompliziert sein und einen aufregenden, spielerischen Faktor enthalten. Dieses Profil bedienen vor allem Neobroker gut, die sich dementsprechend zu den wichtigsten Depotanbietern für die Generation Z entwickelt haben. Knapp ein Viertel der jungen Anleger hält das größte Anlagevolumen bei den neuen Wertpapier-Handelsplattformen, während es in den übrigen Altersklassen im Mittel weniger als fünf Prozent sind. Dazu kommt: Neobroker sind gezielt auf mobiles Handeln ausgelegt. Wenig überraschend ist also das Ergebnis, dass die meisten Anleger der Generation Z ihre Aktien von unterwegs und via Smartphone oder Tablet handeln.

„Die Aktionärinnen und Aktionäre der Gen Z investieren mit Blick auf ESG-Kriterien überraschend unideologisch.“

Jungen Menschen ist das Thema Nachhaltigkeit äußerst wichtig, heißt es häufig. Gilt das auch in Bezug auf die Geldanlage?

Stolper: Die Aktionärinnen und Aktionäre der Generation Z investieren mit Blick auf ESG-Kriterien überraschend unideologisch. Anders als häufig porträtiert legen sie keinen besonderen Wert auf Nachhaltigkeit bei der Wertpapieranlage. Eher trifft das Gegenteil zu: Sowohl die Generationen X und Y als auch die Baby Boomer halten einen höheren Anteil an Fonds mit nachhaltiger Ausrichtung als die jungen Menschen bis 24. Das überrascht umso mehr, weil ältere Anleger häufig Aktien besitzen, die sie vor Jahren gekauft haben. Damals war Nachhaltigkeit noch ein Nischenthema. Darüber hinaus haben wir gefragt, ob viele Investoren bei der Aktienanlage mehr auf ethische, soziale und ökologische Kriterien achten sollten. Ergebnis: Während bei der Generation Z gerade einmal jeder Zweite dieser Aussage zustimmt, sind es in den übrigen Altersklassen zwei von drei Anlegern. Fazit: Entweder ticken die Aktionäre der Generation Z völlig anders als der Rest ihrer Altersgruppe. Oder jungen Menschen ist bei Finanzentscheidungen das Thema Nachhaltigkeit nicht so wichtig, wie viele vermuten.
 

Sie haben in der Studie untersucht, welche Emotionen Aktien hervorrufen. Was sind die Ergebnisse?

Stolper: Die gute Nachricht zuerst: Bei den Aktionärinnen und Aktionären der Generation Z überwiegt, anders als in allen anderen Altersgruppen, in Summe das gute Gefühl, wenn es um die Aktienanlage geht. Bei neun von zehn der jungen Anleger weckt das Thema positive Emotionen wie Optimismus oder Spaß, das ist Generationenrekord. Die andere Seite der Medaille ist, dass der Anteil derjenigen Anleger, bei denen das Thema Aktien negative Emotionen weckt, bei den Aktionären der Generation Z ebenfalls am höchsten ist. Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass auch der Anteil derjenigen Aktionäre, die mit ihrem Anlageerfolg unzufrieden sind, innerhalb der Generation Z am größten ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Thema Aktienanlage bei den Aktionärinnen und Aktionären der Generation Z vielfältige Gefühle weckt, die meisten verbinden damit positive Emotionen.

„Es gibt viele junge Menschen, die eisern und besonnen einen Sparplan führen.“

In den vergangenen Jahren ist das regelmäßige Sparen immer beliebter geworden. Welche Rolle spielen solche Fondssparpläne für die Generation Z?

Stolper: Wie bereits erwähnt, fokussiert sich ein Teil der jungen Aktionärinnen und Aktionäre auf einen kurzfristigen Anlagehorizont und die Mitnahme von Gewinnen. Gleichzeitig gibt es aber viele junge Menschen, die eisern und besonnen einen Sparplan führen. Fast jeder Fünfte legt 75 Prozent oder mehr des Gesamtbetrags, den er oder sie in den vergangenen zwölf Monaten in Aktien- und Mischfonds investiert hat, in Sparplänen an. Im Generationenvergleich ist das der Höchstwert.
 

Mit der Studie wollten Sie herausfinden, ob die jungen Aktionäre Wegbereiter einer neuen Aktienkultur in Deutschland sind. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Stolper: Es gibt viele erfreuliche Ergebnisse. So steht die junge Generation Aktienanlagen sehr offen gegenüber, ein Großteil verbindet damit positive Emotionen. Und die Generation Z macht auch einiges richtig, beispielsweise, indem sie ihr Geld größtenteils in Sparplänen investiert. Wer sein Geld so diversifiziert, kann wenig falsch machen. Demgegenüber stehen große Lücken beim Wissen über Aktien und Aktienmärkte. Besonders gefährlich ist, dass viele junge Aktionäre im Gegenteil jedoch glauben, gut Bescheid zu wissen und sich auf ihre vermeintlichen Kenntnisse verlassen. Es gibt also eine echte Kompetenzillusion. Ebenfalls problematisch ist die „Get Rich Fast“-Mentalität. Schnell viel Geld am Aktienmarkt zu verdienen ist zwar nicht unmöglich, aber bei Weitem nicht der Regelfall. Fazit: Es gibt eine neue Aktienkultur, die auch durchaus auf einem soliden Fundament steht. Einige Entwicklungen bereiten jedoch Sorgen. Wenn sich diese dauerhaft etablieren, könnte das der neu entstehenden Aktienkultur auch wieder abträglich sein.
 

Herr Professor Stolper, vielen Dank für das Gespräch!

Kantar-Studie: Wie die Generation Z spart

Im Auftrag des BVR hat das Marktforschungsunternehmen Kantar untersucht, wie die verschiedenen Generationen sparen. Eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse von Christine Bucher, Team Leader Financial Markets bei Kantar:

Einblicke in das Sparverhalten der unterschiedlichen Generationen liefert auch eine Studie von Kantar, die im Januar 2023 für den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) durchgeführt wurde: Die Bevölkerung legt im Durchschnitt monatlich 174 Euro zur Seite, wobei sie laut eigener Aussage ohne Einschränkung ihres Lebensstils auch bis zu 189 Euro monatlich sparen könnte. Diese Beträge unterscheiden sich nur geringfügig von den Befragungsdaten von 2022.

Signifikant verschlechtert hat sich das Sparvolumen und die Sparfähigkeit jedoch innerhalb der Generation Z (18 bis 24 Jahre). Während im Vorjahr monatlich noch 121 Euro gespart wurden beziehungsweise 138 Euro möglich gewesen wären, so sind es 2023 real nur noch 86 Euro beziehungsweise wären maximal nur 105 Euro denkbar. Unter Berücksichtigung des Wertverlusts im Zuge der Inflation legen 18- bis 24-Jährige damit gut ein Drittel weniger auf die hohe Kante als noch im Vorjahr.

Gefragt nach dem Betrag, der monatlich angespart werden müsste, um die persönlichen Ziele des Sparens zu erreichen, zeigt sich eine deutliche Differenz zum aktuellen Sparbetrag: Die Generation Z hält mit 185 Euro einen mehr als doppelt so hohen Betrag für notwendig, wie sie aktuell zurücklegt. Dennoch geben zwei Drittel der Befragten an, dass sie in den nächsten zwölf Monaten nicht planen, mehr als aktuell zu sparen.

Der Blick auf die Generation der Baby Boomer (55 Jahre und älter) zeigt in allen genannten Punkten eine gegenteilige Entwicklung: Deren Sparvolumen und Sparfähigkeit hat sich nach Angaben der Befragten verbessert, obgleich auch der als notwendig erachtete Sparbetrag ebenfalls zum Vorjahr angestiegen ist. Das absolut höchste monatliche Sparvolumen mit 223 Euro weist die Generation X (45 bis 54 Jahre) auf.

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