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Herr Minister, zusammen mit den bayerischen Bankenverbänden fordern Sie eine Umsetzung der finalen Basel III-Regeln mit Augenmaß. Weshalb ist das auch für Sie als bayerischen Finanzminister wichtig?

Albert Füracker: Die EU muss bei der Umsetzung dieser internationalen Regeln darauf achten, sich nicht ihrer Stärken zu berauben. Wettbewerbsnachteile für europäische Banken aufgrund einer übereifrigen Umsetzung kann niemand ernsthaft wollen. Aus meiner Sicht ist aber vor allem wichtig, dass regionale Besonderheiten angemessen berücksichtigt und nicht eingeebnet werden. Das muss der europäische Anspruch sein. Eine praxisgerechte Umsetzung der Finanzmarktregulierung ist gerade für unsere mittelständisch geprägte bayerische Wirtschaft essenziell. Unternehmen brauchen funktionsfähige Banken für ihre Finanzierung. Und eine florierende Wirtschaft bedeutet Arbeitsplätze und hohe Steuereinnahmen für staatliche Aufgaben.

Im Wortlaut

Gemeinsame Erklärung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, des Sparkassenverbands Bayern, des Genossenschaftsverbands Bayern und des Bayerischen Bankenverbands.

Einleitung

Mit der Neubesetzung der EU-Kommission voraussichtlich ab 1. November 2019 stehen auf EU-Ebene wichtige Weichenstellungen bei zentralen Gesetzgebungsvorhaben im Finanzmarktbereich bevor. Diese werden deutsche und bayerische Banken aller drei Säulen unmittelbar betreffen. Daher setzen sich der Sparkassenverband Bayern, der Genossenschaftsverband Bayern e.V., der Bayerische Bankenverband e.V. und das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat als Eigentümervertretung der Bayerischen Landesbank und der LfA Förderbank Bayern gemeinsam für eine praxistaugliche Umsetzung der Finanzmarktregulierung mit Augenmaß ein. Neben dem Ziel der Finanzmarktstabilität und den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sind dabei ebenso die Interessen der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, und der betroffenen Kreditinstitute zu berücksichtigen.

Europäische Einlagensicherung

Die Europäische Bankenunion ist ein richtiger und wichtiger Ansatz zur Stärkung der Finanzmarktstabilität in Europa. Die weiterhin überaus ungleiche regionale Verteilung von Risiken in den Bilanzen europäischer Banken, insbesondere bedingt durch höchst unterschiedliche Bestände an notleidenden Krediten, birgt bei Einführung einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung jedoch das Risiko einer direkten Umverteilung von soliden Banken zu Instituten in Schieflage. Die erfolgreichen Anstrengungen beim Abbau der notleidenden Kredite müssen daher fortgesetzt werden. Nach wie vor muss hier das Prinzip „Risikominderung vor Risikoteilung“ gelten.

Daneben besteht das Problem des ungelösten Staaten-Banken-Nexus fort. Solange die europäischen Banken in großem Umfang Staatsanleihen ihrer jeweiligen Heimatstaaten halten, könnte eine gemeinsame Einlagensicherung eine Mithaftung aller Banken für das Risiko einzelner Staatspleiten bedeuten. Eine Transferunion über den Umweg deutscher und bayerischer Bankeinlagen kann und darf nicht Zweck der Bankenunion sein.

Basel III Finalisierung

Die Anforderungen der Bankenregulierung sind seit der Finanzkrise stark gestiegen und setzen die Banken – gerade in einem Umfeld dauerhaft niedriger Zinsen und des technologischen Wandels – zunehmend unter Druck. Besonders betroffen sind die in Bayern und Deutschland stark vertretenen kleineren Institute, die beispielsweise Berichterstattungserfordernisse nicht auf viele Schultern verteilen können.

Bei der europäischen Umsetzung des finalisierten Basel III-Regelwerks gilt es daher, Augenmaß walten zu lassen und regionale Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere ist eine überambitionierte Umsetzung der Regeln – ein sogenanntes Gold-Plating – zu vermeiden, um keine Wettbewerbsnachteile für europäische Banken zu schaffen.

Auch die vergleichsweise kleinteilige Struktur des Bankensektors in Deutschland und seine herausgehobene Bedeutung für die Finanzierung der Wirtschaft müssen angemessene Berücksichtigung in der Regulierung finden. Zur Sicherung der mittelständischen Wirtschaftsstruktur in Bayern und Deutschland ist der Erhalt des Finanzierungszugangs der Unternehmen zwingend notwendig. Banken müssen auch zukünftig fähig sein, ihre Funktion als Finanzierer der Realwirtschaft zu erfüllen. Daher muss etwa der etablierte KMU-Faktor erhalten bleiben.

Zweite Europäische Finanzmarktrichtlinie / MiFID II

Die Anforderungen aus der Umsetzung der Zweiten Europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) in deutsches Recht bedeuten einen erheblichen bürokratischen und finanziellen Aufwand für die Kreditwirtschaft. Vor dem Hintergrund der insgesamt stark zunehmenden Regulierungslasten ist daher die zeitnahe Evaluierung der MiFID II zu begrüßen.

Dabei gilt es sorgfältig abzuwägen, ob der erzielte Nutzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher den vom Gesetzgeber angestrebten Zielen entspricht und ob er in einem angemessenen Verhältnis zu den Implementierungskosten steht. Ein Rückgang des Beratungsangebots für Kunden aufgrund unüberschaubarer Vorschriften beispielsweise ist in Niemandes Interesse. Eine Erhöhung der Praxistauglichkeit der Regeln erscheint dringend geboten.

In der Pressemitteilung zur Gemeinsamen Erklärung nennen Sie eine europäische Einlagensicherung (EDIS) eine „schlechte Idee“. Warum?

Füracker: Gegen eine gemeinsame europäische Einlagensicherung spricht beispielsweise, dass sie als gemeinsame Versicherung gegen Risiken im Bankensektor konzipiert sein soll. Aber die notleidenden Kredite in den Bilanzen der europäischen Banken summieren sich – trotz erkennbarer Erfolge in diesem Bereich – auf rund 630 Milliarden Euro und sind höchst ungleichmäßig über die Banken der Eurozone verteilt. Kein Versicherungsunternehmen würde bekannte Altlasten in solcher Höhe versichern. Der Vorschlag läuft also auf einen Transfermechanismus und eben nicht auf eine Versicherung hinaus. Eine Lösung für das Problem der notleidenden Kredite wäre zwingende Voraussetzung dafür, dass über eine weitere Europäisierung der Einlagensicherung überhaupt nachgedacht werden kann. Andernfalls stünde zu befürchten, dass stabile und leistungsfähige Bankensysteme für instabile Systeme haften müssten. Daneben besteht das Problem fort, dass europäische Banken weiterhin in hohem Umfang Staatsanleihen ihrer Sitzländer halten. Solange dies der Fall ist, ist eine gemeinsame Versicherung von Bankeinlagen gleichbedeutend mit einer Vergemeinschaftung der fiskalischen Risiken ihrer zum Teil hochverschuldeten Sitzländer.

Derzeit steht in Brüssel die Finanzmarktrichtlinie MiFID II auf dem Prüfstand. Worauf ist dabei aus Ihrer Sicht zu achten?

Füracker: Wie bei der Umsetzung von Basel III ist auch im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes regulatorisches Augenmaß angezeigt. Selbstverständlich müssen die Kunden sich darauf verlassen können, dass ihre Interessen gewahrt bleiben und sie auch als Laien solide beraten werden. Sinnvolle Standards schaffen Vertrauen und liegen damit im ureigenen Interesse der Kreditwirtschaft. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass der Nutzen für die Verbraucher bei manchen Regeln in keinem sinnvollen Verhältnis zum teils immensen Aufwand der Institute steht. Und wenn bestimmte Beratungsleistungen am Ende ganz wegfallen, ist niemandem geholfen. Die Evaluierung der Zweiten Europäischen Finanzmarktrichtlinie ist daher sehr zu begrüßen und sollte im Interesse aller unbedingt auch für Verbesserungen bei der Praxistauglichkeit der gesetzlichen Vorgaben genutzt werden. Das ist schließlich auch der Sinn solcher Evaluationsrunden.


Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch!

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