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Durch die Corona-Pandemie mussten viele Unternehmen Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Folge: Rund ein Drittel der Unternehmen klagen über einen Rückgang im Eigenkapital. Aufgrund der Verschlechterung der Eigenkapitalsituation sinkt die Bonität der Unternehmen, die Kreditfinanzierung wird erschwert und der wirtschaftliche Aufschwung verliert an Fahrt. Bund und Länder haben auf dieses Problem reagiert, indem sie Unterstützungsleistungen für das Eigenkapital wie den Bayern-Fonds aufsetzen.

Allerdings zielen diese Maßnahmen auf größere Unternehmen. Für die Breite der mittelständischen Unternehmen gibt es keine passenden Instrumente zur Eigenkapitalstärkung. In einem Positionspapier fordern der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern, der Bayerische Bankenverband sowie der Sparkassenverband Bayern daher unter anderem steuerliche Verbesserungen, damit Mittelständler ihre Eigenkapitalpositionen rasch wieder aufbauen können. Zudem wird die Auflage eines kreditnahen Produkts der Förderbanken vorgeschlagen, das Nachrang- beziehungsweise Eigenmittelcharakter hat. Die Vorschläge sollen in laufende Beratungen bei der Bundesregierung eingespeist werden. Nachfolgend gibt „Profil“ den Wortlaut des Positionspapiers „Mittelstandslücke“ bei den Eigenkapitalstärkungsmaßnahmen schließen wieder.

Ausgangslage

Die von der Corona-Pandemie direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen mussten ab Mitte März 2020 Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen. Dies hat in zahlreichen Fällen zu Verlusten und bei rund 30 Prozent der Unternehmen zu Rückgängen des Eigenkapitals geführt. Für Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte, sind Stützungsmaßnahmen seitens des Bunds und der Länder in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen und Beteiligungen geplant:

  • Der 600 Milliarden Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) richtet sich an größere Unternehmen (mit in der Regel über 250 Mitarbeitern) der Realwirtschaft.
  • In die gleiche Richtung geht der Bayernfonds mit einem Volumen von 46 Milliarden Euro. Er soll sich primär an mittelgroße Unternehmen in Bayern mit 50 bis 250 Beschäftigten und über 10 Millionen Euro Jahresumsatz richten.
  • Mit rund 200 Millionen Euro wurde aus bayerischen Landesmitteln der Transformationsfonds gespeist. Daraus investiert die LfA als Co-Investor (pari passu) in mittelständische Unternehmen in Bayern, die sich vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Klimawandel und Mobilitätswende in einer Phase der Transformation befinden.
  • Der „Eigenkapitalschild Bayern“ nutzt das 2 Milliarden Euro Bundesprogramm für Start-ups und KMU, um auch für den kleineren Mittelstand bis 75 Millionen Euro Jahresumsatz über die Bayerische Beteiligungsgesellschaft (BayBG) Eigenkapitalmittel in Höhe von bis zu 800.000 Euro bereitzustellen.

Problem

Die aufgeführten eigenkapitalverstärkenden Programme setzen zwar an den richtigen Stellen an. Sie bieten jedoch nur einer kleineren dreistelligen Zahl an Betrieben Lösungen und beschränken sich auf wenige systemrelevante Unternehmen. Für den breiten Mittelstand, der über 99 Prozent aller Unternehmen ausmacht, sind keine gezielten Eigenkapitalstärkungsprogramme vorgesehen. Es besteht eine nicht gerechtfertigte „Mittelstandslücke“ bei der Eigenkapitalfinanzierung.

Der Mittelstand benötigt allerdings ebenso Unterstützung bei der Eigenkapitalstärkung. Denn nach dem „Wiederhochfahren“ der Wirtschaft kann die Leistungsfähigkeit im Mittelstand nur dann schnell wiederhergestellt werden, wenn die aufgelaufenen Verluste durch Eigenkapital kompensiert werden. Bisher gesunde mittelständische Unternehmen geraten ansonsten unverschuldet in eine Überschuldungssituation. Außerdem werden KMU nur mit einem ausreichenden Kapitalpuffer (und entsprechenden Ratings) künftig neues (nicht staatlich garantiertes) Fremdkapital akquirieren können.

Lösungsvorschlag

Wir haben mehrere mögliche Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalsituation im Mittelstand intensiv diskutiert. In den Vergleich der verschiedenen Optionen flossen die jeweilige Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu kriteriengestützten Einzelfallprüfungen, die Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtliche Aspekte und ordnungspolitische Erwägungen ein. Unter Abwägung dieser Kriterien hat die Diskussion unter anderem mit Steuer- und Finanzierungsexperten folgende Priorisierung der erforderlichen Maßnahmen ergeben:

I. Steuerliche Verlustberücksichtigung verbessern und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen: Der wichtigste Baustein ist die Ausweitung der Möglichkeit zum Verlustrücktrag mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre und die Erhöhung der Begrenzung auf mindestens 10 Millionen Euro. Daraus resultierende Steuerrückerstattungen werden sofort eigenkapitalwirksam und können helfen, noch in diesem Jahr die Verluste auszugleichen.

Verlustberücksichtigung verbessern

Die steuerliche Verlustverrechnung sollte ausgeweitet werden, um den Betrieben einen Neustart zu erleichtern. Es ist gut, dass vom Gesetzgeber der Verlustrücktrag für 2020 und 2021 auf fünf Millionen Euro (beziehungsweise zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung) erweitert wurde. Das rücktragbare Verlustvolumen sollte aber auf mindestens zehn Millionen Euro weiter erhöht und ein Rücktrag nicht nur für 2019, sondern mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre ermöglicht werden. Zudem ist eine zumindest temporäre Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung geboten. Ein weiteres wesentliches Hemmnis ist der drohende Verlustuntergang bei Anteilseignerwechseln. In der Krise werden dadurch wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen, wie der Eintritt neuer Investoren in notleidende Betriebe, behindert. Deshalb sollte der Verlustuntergang auf wirkliche Missbrauchsfälle beschränkt werden. Ergänzend zur Ausweitung der Verlustverrechnung sollte ferner die Möglichkeit geschaffen werden, eine steuerfreie „Corona-Rücklage“ im Jahresabschluss 2019 zu bilden. Von einer „Corona-Rücklage“ sollten auch alle nicht bilanzierungspflichtigen Unternehmen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, profitieren, indem ein ähnlicher Abzugsposten analog zu § 7g EStG etabliert wird.

Um die Eigenkapitalbasis der kleinen und mittleren Betriebe zu stärken, ist die sogenannte Thesaurierungsrücklage mittelstandsfreundlich und praxisgerecht fortzuentwickeln. Die Voraussetzungen für die Bildung von Eigenkapital sind zu verbessern, da nach der derzeitigen Ausgestaltung nur wenige auf Dauer ertragsstarke Personenunternehmen die Regelung zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne nutzen können.

Priorität 1

Aufgrund der schnellen Wirksamkeit und des sofort möglichen Verlustausgleichs sowie der Fokussierung auf zukunftsfähige, erfolgreiche Unternehmen, die coronabedingte Verluste erlitten haben, hat diese Maßnahme absolute Priorität. Es werden diejenigen belohnt, die ihre Erträge in der Vergangenheit am Standort Deutschland versteuert haben und keine „Steuervermeidungsstrategien“ verfolgt haben. Dies hätte auch Anreizwirkung für die Zukunft. Eine Umsetzung könnte zeitnah über bestehende Strukturen bei den Finanzämtern erfolgen. Budgets wären durch Umwidmung aus nicht beanspruchten Mitteln bei der Überbrückungshilfe vorhanden.

II. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen praxisgerecht ausgestalten: Hier gilt es, auf EU-Ebene bei der Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nachzusteuern. Außerdem sollten die Regelungen im EU-Beihilferecht angepasst werden.

Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ anpassen

Der Zugang zu Corona-Hilfen hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vor der Corona-Krise ab. Gesellschaften, die schon zuvor nach EU-Definition als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ galten, das heißt, bei denen mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aufgebraucht ist, haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Diese Intention ist grundsätzlich richtig, allerdings werden durch eine unzureichende EU-Definition auch zahlreiche KMU ausgeschlossen, die berechtigterweise Hilfen erhalten sollten. Denn die EU-Definition berücksichtigt nur unzureichend die zulässigen Richtlinien der HGB-Bilanzierung, die vor allem bei KMU in Deutschland angewandt werden. Zudem werden die für die Kreditwirtschaft üblichen Bewertungskriterien für die Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, nicht umfassend gewürdigt. So dürfen Gesellschafterdarlehen und häufig auch andere eigenkapitalähnliche Nachrangdarlehen trotz Vorliegen einer Darlehensbelassungs- und Rangrücktrittserklärung nicht den Eigenmitteln zugerechnet werden.

Um diesen Unternehmen den Zugang zu Corona-Hilfen zu ermöglichen, sollte die Definition für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vereinfacht werden. So wäre es zum Beispiel möglich, die Definition auf solche Unternehmen einzuschränken, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind. Diese vereinfachte Regelung ist nach der De-minimis-Beihilfe Regelung für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten schon heute möglich und wird von einigen Förderbanken (nicht KfW) bei der Antragsprüfung aktuell so ausgelegt.

Alternativ könnte eine Mindest-Ausfallwahrscheinlichkeit als Beurteilungskriterium für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ herangezogen werden. Durch eine Nachbesserung der Definition könnten zahlreiche sinnvolle Geschäftsfortführungen ermöglicht werden.

Regelungen im EU-Beihilferecht anpassen

Unternehmen haben im Einzelfall die Möglichkeit, den De-minimis Betrag in Höhe von 200.000 Euro mit Kleinbeihilfen in Höhe von 800.000 Euro zu kumulieren und haben dann ein Anrecht auf eine Förderung von bis zu 1 Million Euro. Das muss jedoch bisher auf Einzelfallebene geprüft werden. Es sollte eine pauschale Behandlung mit einer Fördergrenze bis 1 Million Euro für einen befristeten Zeitraum eingeführt werden.

Die Corona-Zuschüsse, Förderdarlehen sowie Nachrangdarlehen der Förderinstitute können nur ihre volle Wirkung entfalten, wenn bei den Corona-Krediten (zum Beispiel beim Schnellkredit mit 100 Prozent Haftungsfreistellung) lediglich der Subventionsbetrag angesetzt wird und nicht der Nominalbetrag. Denn nur dann kann die in den meisten Fällen bereits getätigte Fremdkapitalfinanzierung auch mit einer Corona-Eigenkapitalfazilität kombiniert werden.

Sollte dies nicht zur Umsetzung kommen, muss zumindest die teilweise Tilgung mit Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigung ermöglicht werden. Dies ist notwendig für Fälle, in denen weitere Corona-Zuschüsse geflossen sind oder wenn Corona-Eigenkapitalprogramme genutzt werden.

III. Ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- beziehungsweise Eigenkapitalcharakter auflegen und die Zugangskriterien für das KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ sowie das KfW-Programm „ERP-Kapital für Gründer“ erweitern sowie praxisnah gestalten.

Kreditnahes Produkt mit Nachrang- beziehungsweise Eigenkapitalcharakter für KMU schaffen

Rund 97 Prozent der Unternehmen haben weniger als 20 Mitarbeiter. Sie sind demzufolge von den Möglichkeiten, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds und der Bayernfonds bieten, ausgeschlossen. Meist ist auch eine Direktbeteiligung (zum Beispiel über die BayBG oder Beteiligungsgesellschaften) nicht passgenau. Besser ist für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- beziehungsweise Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird.

KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ anpassen

Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) käme beispielsweise eine Modifikation des KfW-Programms „ERP-Mezzanine für Innovation“ in Betracht. Im Rahmen des Förderumfangs von 5 Millionen Euro sollten die bisherigen 60 Prozent Mezzanineanteile durch die KfW auf 80 Prozent aufgestockt werden, gekoppelt mit 20 Prozent Hausbankkredit. Nachdem jeweils die finanzierende Bank mit ins Ausfallrisiko geht, erscheinen diese Anpassungen vertretbar.

Nachteile dieser Instrumente liegen allerdings darin, dass eine umfangreichere Einzelfallprüfung erforderlich ist, als das bei den anderen Förderprogrammen der Fall ist. Strukturen müssten erst bei Förderinstituten oder Bürgschaftsbanken aufgebaut werden, so dass ein zeitlicher Vorlauf hierfür erforderlich ist. Und letztendlich müsste auch bei einem Nachrangdarlehen ein Exitszenario vorhanden sein, das heißt die Kapitaldienstfähigkeit muss langfristig wiederhergestellt werden. Vor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, im ersten Schritt den steuerlichen Verlustrücktrag auszuweiten und dann im zweiten Schritt weitergehende Maßnahmen in diese Richtung umzusetzen.

KfW-Programm „ERP Kapital für Gründer“ anpassen

Für Gründer gibt es mit dem „ERP Kapital für Gründung“ ein passendes Angebot, das jedoch eine viel breitere Nutzung erfahren sollte als es bislang mit lediglich rund 400 Zusagen pro Jahr der Fall ist. Daher ist es positiv, dass im ERP-Wirtschaftsplan eine Aufstockung des Volumens von 94 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro angedacht ist. Das ist jedoch aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreichend. Hier wären Anpassungen bei den Zugangskriterien erforderlich, wie zum Beispiel Nutzung auch für Kapitalgesellschaften, kein Ausschluss der Betriebsmittelfinanzierung, Einzelfallentscheidungen in den alten Bundesländern ermöglichen zur Einbringung von eigenem Kapital in Höhe von weniger als 15 Prozent des Projektvolumens (zum Beispiel bei hohem Finanzierungsbedarf). Auch über eine Erhöhung der 45 Prozent Quote für den Eigenkapitalanteil könnte nachgedacht werden.

IV. Zukunftsfähige Restrukturierungen auch für kleine Unternehmen ermöglichen.

Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht umsetzen

Die Restrukturierungsrichtlinie sollte spätestens bis 31. Dezember 2020 in nationales Recht umgesetzt werden, um Unternehmen zusätzlich einen rechtssicheren Weg der Sanierung auch vor einem Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Bei überschaubarer Gläubigerzahl könnte durch den Einsatz von Sanierungsmediation eine Insolvenz vermieden und die Fortführung von Betrieben ermöglicht werden. Nachdem wir mit einer erhöhten Insolvenzzahl durch die Corona-Pandemie zu rechnen haben, könnte Gläubigern und Unternehmern dadurch geholfen und Gerichte entlastet werden. Außerdem wäre die Sanierungsmediation eine gute Ergänzung zum Beratungsangebot der LfA Taskforce in Bayern. Dieses Angebot sollte zudem in der aktuellen Situation verstärkt beworben werden.

Wir setzen uns dafür ein, dass diese ergänzenden Maßnahmen auf Bundes-und EU-Ebene vorangebracht werden, um damit auch dem Mittelstand eine zukunftsfähige Eigenkapitalversorgung zu ermöglichen. In einem ersten Schritt könnten die für die Überbrückungshilfe eingeplanten und nicht mehr benötigten Mittel von rund 20 Milliarden Euro für die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen eingesetzt werden.

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