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Am 21. März 2016 trat das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) in Kraft. Spätestens seit diesem Tag dient die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern nicht mehr nur der Finanzmarktstabilität. Zusätzlich begründet sie auch Fürsorgepflichten der Banken gegenüber ihren Kunden. Eine fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung führt deshalb nicht mehr nur zu Beanstandungen der Bankenaufsicht, sondern kann auch Schadensersatzansprüche des Kunden nach sich ziehen.

Welchen konkreten Inhalt die neue Fürsorgepflicht hat, war von Anfang an Gegenstand einer intensiven juristischen Diskussion. So muss es nach den gesetzlichen Vorgaben „wahrscheinlich“ sein, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen vertragsgemäß nachkommen wird. Solche und andere Allgemeinplätze im Gesetz und in den „Leitlinien für Kreditwürdigkeitsprüfungen“ der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) boten kaum Orientierungshilfe. Insbesondere jungen Familien und älteren Personen drohte deshalb eine Kreditklemme. Bei diesen Gruppen sind die wirtschaftlichen und persönlichen Unwägbarkeiten und damit das Beurteilungsrisiko für die Banken besonders groß.

GVB forderte mit Erfolg Nachbesserungen

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) war einer der ersten Verbände, der von der Politik mehr Klarheit für Verbraucher und Banken forderte. Die Politik reagierte dieses Jahr mit Nachbesserungen. So wurden zum einen das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Kreditwesengesetz (KWG) ergänzt. Zum anderen erließen Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium am 24. April 2018 eine Verordnung mit dem sperrigen Titel „Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung“. Von den zahlreichen Konkretisierungen sollen hier drei besonders wichtige herausgegriffen werden.

  • Angaben zur Lebensplanung: Typisch für junge Familien sind unterbrochene Erwerbsbiografien. Die neue Verordnung stellt klar, dass die Bank die Lebensplanung, so wie sie ihr von den Kunden mitgeteilt wird, im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung zugrunde legen darf. Dazu gehören die geplante Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit nach einer Elternzeit oder die Aufstockung der Arbeitszeit nach Teilzeittätigkeit. Diese Pläne müssen für die Bank lediglich nachvollziehbar sein. Schriftliche Nachweise zum Beispiel vom Arbeitgeber, muss sich die Bank nicht vorlegen lassen. 
  • Darlehensvergabe an ältere Kunden: Der Finanzierungsbedarf älterer Menschen gründet oft auf notwendigen Renovierungen oder dem altersgerechten Umbau der eigenen vier Wände. Regelmäßig überschreitet die voraussichtliche Darlehenslaufzeit die statistische Lebenserwartung, wenn sich ein Darlehensnehmer mit geringer Rente eine höhere Tilgung nicht leisten kann. In diesem Fall ist es nach dem WIKR-Umsetzungsgesetz nicht „wahrscheinlich“, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen vollständig vertragsgemäß nachkommen wird. Deshalb war unklar, ob solche Finanzierungen nunmehr verboten sind, oder ob die Bank vorsorglich auch die Kreditwürdigkeit möglicher Erben prüfen muss. Die Frage, ob die Kreditwürdigkeitsprüfung hier dem Verbraucher- oder dem Erbenschutz dient, beantwortet die Verordnung salomonisch: Der Verbraucher wird geschützt, weil er zu Lebzeiten in der Lage sein muss, die laufenden Verpflichtungen zu tragen. Aber auch die Erben werden geschützt, da der Immobilienwert oder der Wert anderer als Sicherheiten dienender Vermögenswerte hinreichende Gewähr für die Abdeckung der Kreditverbindlichkeiten und eventuellen Verwertungskosten nach dem Tod des Kunden bieten muss. Ein Anspruch auf ein kreditfreies Erbe besteht aber nicht. 
  • Bewertung des Grundstückswerts zur Kreditabsicherung: Verständnisschwierigkeiten bereitete auch die Vorgabe, bei der Kreditwürdigkeitsprüfung „nicht hauptsächlich“ darauf abstellen zu dürfen, dass der Wert des Grundstücks voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt. Gerade bei Baudarlehen ist die Wertsteigerung des Grundstücks und damit die ausreichende Absicherung des Kredits ein ganz entscheidendes Kriterium für die Kreditvergabe. Die Neuformulierung der Vorschriften ist bemüht, die Aussage auf das berechtigte Anliegen des Gesetzgebers zu reduzieren: Verboten ist eine unverantwortliche Kreditvergabe, bei der der Verbraucher wirtschaftlich überfordert und sehenden Auges in die Vollstreckung seiner Wohnimmobilie und damit in die Obdachlosigkeit getrieben wird. Dieses Verbot ist eine Reaktion auf Missstände, die auf anderen europäischen Kreditmärkten geherrscht haben sollen. 

Ein Gesetz oder eine Verordnung kann Sachverhalte nicht abschließend konkretisieren. Es bleibt Aufgabe der Rechtsprechung, Einzelfälle zu klären. Die von den Verbänden und Verbundpartnern entwickelten Kreditprozesse der genossenschaftlichen FinanzGruppe und die bewährte Kundennähe der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bieten die besten Voraussetzungen, auch in Zukunft maßgeschneiderte und rechtskonforme Finanzierungslösungen anzubieten. Weitere Fragen der GVB-Mitgliedsbanken zur rechtlichen Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie beantwortet der Bereich Rechtsberatung des GVB.
Kontakt: recht(at)gv-bayern.de, 089/2868-3700.

Erfahrungsaustausch zum Verbraucherkreditrecht

Der Bereich Rechtsberatung des GVB bietet den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zusammen mit der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) im Oktober und November weitere Erfahrungsaustausch-Kreise zum Verbraucherkreditrecht an. Die Workshops im ABG-Tagungszentrum in Beilngries richten sich an Umsetzungsverantwortliche der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sowie Mitarbeiter aus den Abteilungen Marktfolge Aktiv, Organisation und Innenrevision sowie deren Führungskräfte. Weitere Informationen und Termine gibt es auf der Webseite der ABG. Dort kann man sich auch anmelden.

Dr. Oliver Schießer leitet die Abteilung Bankrecht der Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern.

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