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Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt das Projekt „digitaler Euro“ mit Nachdruck voran. Im November vergangenen Jahres hat sie die sogenannte Vorbereitungsphase gestartet. Ziel ist es, eine digitale Form des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zu etablieren – online wie offline. Der digitale Euro soll künftig ergänzend zum Bargeld von Bürgerinnen und Bürgern für alltägliche Zahlungen genutzt werden können. Die Einführung wäre ein Paradigmenwechsel: Erstmals gäbe es Zentralbankgeld auch in digitaler Form für alle – nicht nur als Bargeld, sondern auch per App. Der Euro wäre damit vollkommen im digitalen Zeitalter angekommen. So weit, so technisch. Und: so unausgereift.

Denn so richtig nachvollziehbar ist derzeit noch nicht, wofür Verbraucherinnen und Verbraucher den digitalen Euro im Alltag überhaupt benötigen. In der Praxis funktioniert das digitale Bezahlen längst hervorragend – sei es per Girocard, Kreditkarte, Smartphone, Wallet oder Wearable. Der Bedarf nach einer weiteren Bezahlvariante erschließt sich bislang nicht.  

Wettbewerbsfähigkeit im globalen Finanzmarkt

Geldpolitisch kann man argumentieren, dass eine kluge Konzeption Europa unabhängiger machen würde. Sie könnte die Souveränität der Eurozone stärken und unsere Abhängigkeit von US-Zahlungsdienstleistern verringern. Sie wäre zudem ein Baustein, um Europas Wettbewerbsfähigkeit im globalen Finanzmarkt zu verbessern. Wenn man wie die EZB dieses Argument zugrunde legt, dann ist die entscheidende Frage nicht mehr, ob er kommt, sondern wie.

Dann gilt: Auf die konkrete Ausgestaltung kommt es an. Der digitale Euro kann dann ein Fortschritt sein, wenn er konkrete Mehrwerte schafft – für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft, den Handel und auch für die Banken. Und sofern er keine Risiken für die Finanzstabilität mit sich bringt.

„In seiner jetzigen Form birgt der digitale Euro erhebliche Kosten – die auch Regionalbanken und die mittelständische Wirtschaft treffen würden.“

Doch der bisher eingeschlagene Kurs lässt Zweifel aufkommen. In seiner jetzigen Form birgt der digitale Euro beispielsweise erhebliche Kosten – die auch Regionalbanken und die mittelständische Wirtschaft treffen würden. Eine aktuelle Studie von PwC im Auftrag der europäischen Bankenverbände zeigt: Die Einführung des digitalen Euro könnte den Bankensektor im Euroraum bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Und das, ohne dass bisher ein erkennbarer Nutzen für die Allgemeinheit geschaffen würde.

Ein weiteres Problem: Der digitale Euro könnte zu Verlagerungen von Kundeneinlagen führen. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit besteht das Risiko, dass Unternehmen und Haushalte rasch hohe Summen aus dem Bankensektor abziehen und in digitale Euro umschichten. Selbst wenn eine gesetzliche Obergrenze für die Haltebeträge eingeführt wird – etwa 500 bis 3.000 Euro pro Person –, ist nicht auszuschließen, dass diese in Krisenzeiten unter politischem Druck angehoben wird. Das gefährdet die Stabilität des Finanzsystems.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft in den Regionen

Gerade für Regionalbanken hätte das spürbare Folgen. Wenn Kundeneinlagen abwandern, fehlt diesen Instituten das Kapital, um mittelständische Unternehmen wie gewohnt individuell, persönlich und branchenspezifisch zu beraten und zu finanzieren. Die Folge wären Einschränkungen bei der Kreditvergabe und ein Verlust an Nähe – mit negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft in den Regionen.

Hinzu kommt: Ein dominanter digitaler Euro könnte privatwirtschaftliche europäische Lösungen wie das Bezahlsystem „Wero“ ins Abseits drängen. Damit würden innovative Kräfte im Zahlungsverkehr geschwächt, Wettbewerb verzerrt und bestehende Infrastrukturen unterausgelastet – mit steigenden Transaktionskosten als langfristiger Folge. Besonders paradox: Offene Infrastrukturen der EZB könnten es internationalen Technologiekonzernen erleichtern, in den europäischen Markt vorzudringen – auf Kosten heimischer Anbieter.

„Der digitale Euro kann ein Fortschritt sein – wenn er klug ausgestaltet wird. Bislang aber überwiegen Skepsis und offene Fragen.“

Die Politik ist daher gut beraten, unnötige Doppelstrukturen zu vermeiden und klare Leitplanken zu setzen. Der digitale Euro darf keine Konkurrenz zu bestehenden, gut funktionierenden Bezahlsystemen sein. Vielmehr muss er sie dort ergänzen, wo ein konkreter Mehrwert sichtbar ist – etwa beim Thema Datenschutz oder der Offline-Nutzung.

Was es braucht, sind klare Regeln: Ein niedriges Haltelimit, keine Verzinsung, eine einfache technische Umsetzung und eine enge Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren wie der European Payments Initiative. Eine staatlich kontrollierte Konkurrenzveranstaltung braucht es nicht.

Der digitale Euro kann ein Fortschritt sein – wenn er klug ausgestaltet wird. Bislang aber überwiegen Skepsis und offene Fragen. Bevor die Bürger eine neue Bezahlform akzeptieren, müssen sie deren Nutzen erkennen können. Genau diesen Nachweis bleibt die Europäische Zentralbank bislang schuldig.

Stefan Müller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern.
Zu seinem Profil auf LinkedIn.

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