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Die Digitalisierung schreitet kontinuierlich voran. Sie ist für kleine und mittelständische Unternehmen Chance und Herausforderung zugleich und wirkt entlang der Wertschöpfungskette an nahezu allen Wertschöpfungsstufen. Die Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung einhergehen, verändern aber auch Kundenbedürfnisse und Konsumverhalten. Branchengrenzen verschwimmen zunehmend und neue Wettbewerber aus anderen Sektoren etablieren sich mit innovativen Geschäftsmodellen und digitalen Angeboten entlang der handwerklichen Wertschöpfungsketten am Markt. Dadurch übernehmen sie Teile des Geschäfts von Handwerksbetrieben.

Aufgrund dieser Veränderungen wird es für Handwerksbetriebe zunehmend wichtiger, die Wertschöpfungsstufen entlang der eigenen Wertschöpfungskette zu verteidigen. Dabei sind technologische Entwicklungen wie Additive Fertigung, Sensoren, Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz, aus denen oft neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle für Unternehmen hervorgehen, wesentlicher Treiber und die nächste Phase der Digitalisierung – auch im Handwerk. Aber auch die digitale Schnittstelle zum Kunden spielt eine immer größer werdende Rolle. Denn es gibt immer mehr Online-Portale, die genau diesen entscheidenden Knotenpunkt besetzen und so den Großteil der Nachfrage im Netz abschöpfen.

Das Handwerk in Zahlen (2018)

Betriebe 1,00 Millionen
Beschäftigte 5,53 Millionen
Auszubildende 368.000
Umsatz (ohne Umsatzsteuer) 612 Milliarden Euro


Der Onlinehandel wächst in Deutschland jährlich um etwa zehn Prozent. Die Zahl neuer Portale und Plattformanbieter nimmt stetig zu und die Angebote werden immer stärker nachgefragt. Denn sie bedienen gezielt die Kundenbedürfnisse und machen das Kauferlebnis bequem, günstig und unkompliziert. Die Vorgehensweise ist dabei immer ähnlich: Mit ihren Geschäftsmodellen verfolgen die Online-Plattformen häufig eine sogenannte The-winner-takes-it-all-Strategie.

Zunächst treten sie als Vermittler in die Märkte ein und übernehmen so die Schnittstelle zum Kunden, um schließlich eigene Produkte und Dienstleistung direkt beim Kunden zu platzieren – gleichzeitig gewinnen sie wertvolle Kundendaten.

Doch wie funktionieren diese Modelle eigentlich? Plattformen lassen sich als digitalen Marktplatz beschreiben, auf der eine große Zahl von Unternehmen ihre Angebote und Dienstleistungen zur Verfügung stellen können. Sie bieten dem Kunden den Vorteil, über nur einen Kanal zahlreiche Anbieter, Produkte und Dienstleistungen bequem von zu Hause aus zu vergleichen und zwischen ihnen auszuwählen. Unternehmen profitieren von der Sichtbarkeit und der Infrastruktur, die ihnen der Plattformanbieter ermöglicht beziehungsweise zur Verfügung stellt.

Plattformen schöpfen ihren Wert aus der Interaktion, die sie zwischen beiden Parteien ermöglichen und aus der wachsenden Anzahl an Unternehmern und Nutzern – was sich stets gegenseitig bedingt. Dabei definiert sich der Erfolg der Plattform über Skaleneffekte. Mit steigender Unternehmenszahl wachsen einerseits der Umsatz und die Attraktivität beim Endkunden, andererseits sinken die Kosten zum Betreiben der Plattform.

Ernstzunehmende Wettbewerber aus dem Netz

Nehmen wir als Beispiel das Optikerhandwerk: Portale wie Mister Spex oder brille24 kommen aus der Digitalwirtschaft. Sie sind mit ihrem Geschäftsmodell, das in einem digitalen Ökosystem eingebettet ist, innerhalb weniger Jahre so sehr gewachsen, dass sie ernstzunehmende Wettbewerber für die stationären Optiker darstellen. Denn die Portale holen den Kunden bequem zu Hause vom Sofa ab, sind über das Internet rund um die Uhr erreichbar und bieten ihre Produkte und Dienstleistungen oftmals auch günstiger an, als die stationären Optiker in den Innenstädten. Und sollten die Kunden doch einmal eine persönliche Beratung wünschen, können sie zu einem der Flagship-Stores von Mister Spex gehen – oder sie lassen sich zu verschiedenen Modellen vom stationären Optiker beraten und kaufen das gewünschte Brillengestell anschließend günstiger im Internet.

Diese Trends zu ignorieren dürfte zumindest langfristig zum Risiko für den handwerklichen Mittelstand werden – nicht nur für das Optikerhandwerk. Denn letztlich lassen sich diese Entwicklungen auf nahezu alle Gewerke übertragen – auch im Business-to-Business-Bereich.

Mit neuen Technologien auseinandersetzen

Das Handwerk braucht eine Antwort auf die Plattform-Revolution. Wie schnell Unternehmer digitalisieren, entscheidet heute maßgeblich über ihren Erfolg. Unternehmen sollten sich deswegen auch damit auseinandersetzen, wie sich neue digitale Technologien und Geschäftsmodelle auf ihre Produkte, Dienstleistungen und Prozesse auswirken und welche Digitalisierungsmaßnahmen für den eigenen Handwerksbetrieb sinnvoll und notwendig sind.

Der Einsatz digitaler Werkzeuge, wie 3D-Druck, Drohnen, Robotik oder ERP-Systeme eröffnet auch für Handwerksbetriebe zahlreiche Möglichkeiten, neue Produkte und Dienstleistungen beim Kunden zu platzieren. Denn Markt und Technologien entwickeln sich ständig weiter. Dabei müssen sie ihr Geschäftsmodell und auch die Arbeitsprozesse entsprechend im Blick behalten und an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, um langfristig geschäfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Doch dafür benötigen Handwerksbetriebe auch die entsprechende Infrastruktur. Denn gegen die zum Teil aggressiven Verdrängungsstrategien kann der einzelne Handwerksbetrieb mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern, der nun auch mit großen, rasch wachsenden und agilen Plattform-Anbietern, die oft Private-Equity finanziert sind, in Wettbewerb steht, allein kaum etwas entgegensetzen. Aus diesem Grund sollten auch die Handwerksorganisationen – die digitalen Experten der Kammern, Verbände und Innungen – gemeinsam mit den Handwerksbetrieben Digitalisierungsstrategien und Lösungen für das Handwerk entwickeln. Es sollte das Ziel sein, sowohl faire Rahmenbedingungen zu schaffen als auch eine Monopolisierung durch handwerksfremde Akteure sowie Preis-Dumping zu verhindern.

Der Handlungsdruck ist also groß und die Entwicklung digitaler Lösungen für Handwerksbetriebe wichtig. Wie lässt sich so ein Vorhaben umsetzen und das Handwerk unterstützen? Aufgrund der zahlreichen Gewerke im Handwerk, die durch unterschiedliche Anforderungen und Marktstrukturen geprägt sind, wird es nicht möglich sein, die eine Lösung zur Digitalisierung für das Handwerk zu entwickeln. Doch wenn wir keine Strategien erarbeiten, wie sich Handwerksbetriebe in einer zunehmend digitalen Welt am Markt positionieren können und wir keine konkreten Lösungen für unsere Betriebe anbieten, werden andere Marktakteure eigene digitale Lösungen entwickeln.

Beispielsweise entwickeln große Tech-Unternehmen wie Amazon ihr Produktportfolio immer weiter. Mit Angeboten wie dem Amazon Homeservice wagen sie den ersten Schritt in nicht warenbasierte Angebote und liefern neben den Produkten den Handwerker gleich mit. Wird der Handwerker somit zu einem Subunternehmer eines großen Plattformanbieters?

Kreativräume für das Handwerk schaffen

Das Handwerk wird hierbei aber nicht allein gelassen. Es gibt bereits einige Initiativen in den Handwerksorganisationen, die an digitalen Lösungen für das Handwerk arbeiten und sich mit genau diesem Thema auseinandersetzen. Gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) beispielsweise – einer Förderinitiative des Bundeswirtschaftsministeriums – möchte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) noch in diesem Jahr eine Art Innovationswerkstatt, einen Kreativraum, schaffen. Hier sollen Handwerksunternehmer, Start-ups, Wissenschaftler, Programmierer und Experten aus Verbänden und Kammern zusammenkommen, um digitale, gewerkspezifische Angebote, Produkte und Lösungen – auch unter Betrachtung zukünftiger Megatrends wie Internet of Things, Künstliche Intelligenz oder Big Data – für Handwerksbetriebe zu entwickeln.

Auch in Kreativ-Formaten wie Hackathons und BarCamps, die beispielsweise im Rahmen des KDHs durchgeführt werden, identifizieren Akteure aus Handwerk, Wissenschaft, Technik und den Handwerksorganisationen gemeinsam bestehende Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen und entwickeln neue Ideen und Herangehensweisen, um diese zu lösen. Aber es braucht noch viel mehr Initiativen, die für Handwerksbetriebe digitale praxisorientierte Lösungen entwickeln.

Stephan Blank, Diplom-Wirtschafts-Ingenieur und Master of Business Administration (MBA) studierte an der HTW Berlin, der RWTH Aachen und der University of St. Gallen Wirtschaftsingenieurswesen, General Management und Innovationsmanagement. Seit 2016 ist er Referatsleiter für Digitalisierung im Zentralverband des Deutschen Handwerks. Der Digitalisierungs- und Innovationsexperte gestaltet in seiner Funktion als Projektleiter im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk die digitale Transformation im Handwerk aktiv mit.

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