Kurswechsel: 2025 war ein anstrengendes Jahr für die bayerischen VR-Banken. Immerhin: Politik und Aufsicht versprechen Entlastung. Die ersten Signale stimmen positiv.
Herr Judenhagen, die BaFin will die Bankregulierung einfacher, proportionaler und risikoorientierter machen. Was bedeutet das konkret für kleine und mittelgroße Banken wie die VR-Banken?
Nils Judenhagen ist Referatsleiter in der Abteilung „Strategie, Regulierung, Aufsichtsorganisation" bei der BaFin. Foto: BaFin
Nils Judenhagen: Die BaFin hat zusammen mit der Bundesbank Vorschläge gemacht, die auch für viele VR-Banken Erleichterungen zur Folge hätten. Ein Vorschlag ist das sogenannte Kleinbankenregime. Dabei geht es im Kern um die Abschaffung der komplexen Kapitalanforderungen, die aktuell für alle Institute gelten. Wir schlagen vor, stattdessen allein auf die Verschuldungsquote, also die Leverage Ratio, abzustellen. Unter dem Kleinbankenregime müssten kleine und mittelgroße Institute nicht mehr für jede einzelne Bilanzposition die entsprechenden Risikogewichte identifizieren. Diese Banken könnten dann darauf verzichten, Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu pflegen, die heute allein für die Berechnung der Kapitalanforderungen erforderlich sind. Außerdem würden regulatorische Berichte vereinfacht sowie Melde- und Offenlegungspflichten reduziert werden. Neben dem Kleinbankenregime schlagen wir noch weitere Erleichterungen vor – etwa im Bereich der Vergütungsregeln oder bei den internen Stresstests der Institute.
Der Vorschlag von BaFin und Bundesbank für ein Kleinbankenregime hat viel Aufmerksamkeit erzeugt. Können Sie erläutern, wie dieses Regime die Belastung durch komplexe regulatorische Anforderungen reduzieren würde, ohne die Stabilität des Systems zu gefährden?
Judenhagen: Wir wollen nicht, dass Sicherheitsstandards gesenkt werden. Aus diesem Grund müsste die Leverage Ratio als alleinige Kapitalanforderung in einem Kleinbankenregime deutlich über dem Basel-III-Mindestwert von drei Prozent liegen. Diese deutlich erhöhte Leverage Ratio würde dafür sorgen, dass ausreichend Kapital zum Auffangen möglicher Verluste vorhanden ist. Übrigens würden auch die meisten Liquiditätsanforderungen bestehen bleiben. Zudem stellen die Zulassungskriterien für ein Kleinbankenregime sicher, dass nur Institute teilnehmen können, deren Geschäftsmodell zu den vereinfachten Anforderungen passen und deren Insolvenz kein systemisches Problem im Finanzsektor darstellen würde.
„Wir wollen nicht, dass Sicherheitsstandards gesenkt werden."
Welche Kriterien sollen darüber entscheiden, ob ein Institut am Kleinbankenregime teilnehmen darf – und wie stellen Sie sicher, dass die Freiwilligkeit nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt?
Judenhagen: Der Vorschlag richtet sich an Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als zehn Milliarden Euro, einem klaren Fokus auf das Geschäft im Europäischen Währungsraum und einem typischen Geschäftsmodell einer regional tätigen Bank. Die Teilnahme an dem Regime soll freiwillig sein. Etwa 1.000 Banken in Deutschland könnten sich formal qualifizieren. Viele der potenziellen Teilnehmer halten übrigens bereits heute erheblich mehr Kapital vor als regulatorisch gefordert.
Länder wie die Schweiz oder Großbritannien haben bereits ähnliche Regime eingeführt. Was können wir aus deren Erfahrungen lernen, und wo sehen Sie Unterschiede für den deutschen Markt?
Judenhagen: Kleine Banken bilden in jedem Land unterschiedliche Spezifika aus und folgen den jeweiligen Marktbedürfnissen. Dieser Umstand spiegelt sich auch in den jeweiligen Regulierungsansätzen wider. Während sich das britische „Strong and simple framework“ noch bewähren muss, hat die Schweiz bereits gute Erfahrungen mit ihrem ganz ähnlichen Ansatz gemacht. Deutschland hat die mit Abstand kleinsten Banken in Europa, die wiederum zu einem großen Teil in den Verbünden organisiert sind. Sie können damit die Vorteile eines vereinfachten Aufsichtsregimes dank ihrer zentralen Dienstleister relativ schnell und effizient umsetzen, statt jeweils individuell ihre Systeme umstellen zu müssen. Auch für die Aufsicht ist es einfacher, so einen Systemwechsel mit den Verbundpartnern zu begleiten.
„Es ist jetzt eine politische Entscheidung, ob und wie die Reformvorschläge umgesetzt werden“
Die Vorschläge zum Kleinbankenregime sind bislang nur als „Non-Paper“, also als Diskussionsbeitrag, veröffentlicht worden. Wie geht es damit weiter?
Judenhagen: Veränderung in der Regulierung braucht Zeit. Wir haben einen Vorschlag in die europäische Debatte eingebracht und bereits erreicht, dass in einer Reihe von Mitgliedsstaaten und europäischen Institutionen über die europäische Regulierung diskutiert wird. Das ist wichtig, denn ein Kleinbankenregime macht Anpassungen des europäischen Bankenpakets erforderlich. Und dafür braucht es die Unterstützung aus Brüssel und den anderen EU-Ländern. Natürlich stößt unser Vorschlag nicht überall auf Begeisterung. Umso mehr begrüßen wir, dass unsere Reformvorschläge auch bei der EZB Gehör gefunden haben und sich als Option in ihrem jetzt veröffentlichten „Report on High-Level Task Force on simplification of the European prudential regulatory framework“ wiederfinden. Es ist jetzt eine politische Entscheidung, ob und wie die Reformvorschläge umgesetzt werden.
Viele kleinere Institute klagen über hohen Aufwand bei der Umsetzung europäischer Vorgaben. Welche konkreten Schritte plant die BaFin, um Bürokratie abzubauen und Doppelregelungen zu vermeiden?
Judenhagen: Wir haben bereits spürbare Erleichterungen auf den Weg gebracht – etwa mit unserer Aufsichtsmitteilung vom November vergangenen Jahres, den Erleichterungen beim Fit-and-Proper-Prozess oder dem vereinfachten Inhaberkontrollverfahren. Und wir prüfen weitere Erleichterungen. Für manche ins Auge gefasste Erleichterung ist eine Anpassung des Rechtsrahmens notwendig. So sind im Gesetz zur Umsetzung der aktuellen europäischen Bankenregulierung, das derzeit im Bundestag verhandelt wird, weitere Erleichterungen enthalten – beispielsweise eine Anhebung der Grenze für die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 18 KWG von 750.000 auf 1,5 Millionen Euro. Und auch die EBA arbeitet an Entlastungen für kleinere Institute. Für die künftigen Verfahren zur Genehmigung von Bank-Fusionen schlägt sie in einem aktuell zur Konsultation gestellten Entwurf Bagatellgrenzen vor, die zu deutlichen Erleichterungen für die fusionierenden Institute führen würden.
„Die BaFin will den Weg zu mehr Proportionalität weiter beschreiten.“
Ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Proportionalität soll die kommende MaRisk-Novelle bringen. Können Sie uns einen Einblick geben, welche Änderungen für kleine Institute besonders relevant sein werden?
Judenhagen: In den neuen MaRisk werden wir durch gezielte Straffungen Komplexität reduzieren. Wir werden die Anforderungen an die Banken prinzipienorientierter gestalten und den proportionalen Ansatz verbessern. Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass ich mich zu den konkreten Erleichterungen noch nicht äußern kann. Wir werden die Novelle der MaRisk voraussichtlich im Frühjahr 2026 öffentlich zur Konsultation stellen.
Abschließend: Was ist Ihre Botschaft an die VR-Banken, die sich durch die aktuelle Regulatorik stark belastet fühlen? Welche Perspektive können Sie ihnen für die nächsten Jahre geben?
Judenhagen: Die BaFin will den Weg zu mehr Proportionalität weiter beschreiten. Proportionalität bedeutet auch, das Regelwerk allgemein zu halten und es so auszulegen, dass es den Verhältnissen der einzelnen Bank Rechnung trägt. Doch wenn wir auf detailliert niedergeschriebene Vorgaben der Aufsicht verzichten, muss jedes Institut für sich die passgenaue Ausgestaltung festlegen und nicht der Versuchung erliegen, eine allen Eventualitäten genügenden Maximallösung umzusetzen. Dies könnte zu einigen Diskussionen in den Banken in den nächsten Jahren führen.
Herr Judenhagen, vielen Dank für das Gespräch!
Nils Judenhagen ist Referatsleiter in der Abteilung „Strategie, Regulierung, Aufsichtsorganisation“. Er leitet dort das Referat „Fortentwicklung nationales Recht“.