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Kaum ein Thema wird den Finanzsektor in den kommenden Jahren so beschäftigen wie die Nachhaltigkeit. Das liegt im ureigenen Interesse der Volksbanken und Raiffeisenbanken, denn nachhaltiges Wirtschaften entspricht der genossenschaftlichen Idee. Dennoch sind nicht alle politischen und regulatorischen Initiativen, die den Finanzsektor nachhaltiger machen sollen, zielführend.

Warum sind nationale Alleingänge gefährlich?

Zunächst erscheint es lobenswert, wenn einzelne Regulierungsbehörden vermeintlich eine Vorreiterrolle einnehmen und ein nachhaltiges Finanzwesen auf nationaler Ebene vorantreiben. So will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der anstehenden Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) auch Vorgaben für das Management von Nachhaltigkeitsrisiken in das Regelwerk aufnehmen. Zudem sind Anlageberater seit August 2022 verpflichtet, Kunden zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen.

Beide Aspekte erscheinen auf den ersten Blick sinnvoll, insbesondere angesichts der immensen Herausforderungen, die der Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit mit sich bringt. Beide vernachlässigen jedoch einen zentralen Punkt: Der deutsche Finanzmarkt ist kein Solitär, der ohne seine Nachbarn funktionieren kann. Denn der Finanzsektor wird in vielen Bereichen auf europäischer Ebene reguliert und überwacht. Das ergibt Sinn, da wir freie Märkte haben und es für Anleger aus regulatorischer Sicht keinen Unterschied machen sollte, ob sie beispielsweise ein Produkt aus Deutschland oder Frankreich erwerben – das Schutzniveau ist überall das gleiche.

Umso gefährlicher ist es, wenn die Regulatoren bei der zentralen Frage der Nachhaltigkeit unabgestimmt vorgehen. Das kann zu Verunsicherung und Verwerfungen führen: Wie soll eine Bank damit umgehen, wenn sie die Nachhaltigkeitsvorgaben der BaFin erfüllen soll, die europäische Bankenaufsicht EBA aber noch keine entsprechenden Vorgaben gemacht hat? Das fehlende einheitliche Vorgehen in Europa wirft zudem die Frage auf, welche Finanzprodukte als nachhaltig einzustufen sind. Aktuell gibt es zahlreiche Standards und Etiketten für nachhaltige Finanzprodukte – alleine in der EU rund zwei Dutzend Nachhaltigkeitslabels – doch welche passen zur Bank und zu den Wünschen der Kunden? Hier braucht es Vereinheitlichung und Klarheit – das dient den Kunden und vermeidet unnötige Ineffizienzen.

Wie kann die Transformation gelingen?

Ein unabgestimmtes Vorgehen der Regulatoren könnte bei Kreditnehmern zudem die Sorge bestärken, dass sich durch neue Nachhaltigkeitskriterien die Finanzierungsbedingungen erschweren. Das ist eine große Gefahr, denn der deutsche Mittelstand finanziert sich nach wie vor zu einem großen Teil über Bankkredite. Schon heute befürchten insbesondere kleinere Unternehmen, dass sie Daten zur Nachhaltigkeit, die Banken künftig möglicherweise abfragen müssen, gar nicht auf die Schnelle zur Verfügung stellen können. Die BaFin verweist in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement beispielsweise darauf, dass Nachhaltigkeitskriterien möglichst „quantitativ“ in die Kreditvergaberichtlinien einfließen sollen. Wie diese quantitative Bewertung auszusehen hat, bleibt offen.

Damit ein nachhaltiges Finanzwesen von allen Akteuren akzeptiert wird und die Transformation der Wirtschaft vorankommt, braucht es gesetzgeberische Weitsicht, Klarheit und ausreichend Umsetzungsfristen. Nur so kann es gelingen, dass auch kleine Betriebe bei dem Thema abgeholt werden und die Möglichkeit haben, sich auf Änderungen einzustellen. Am besten wäre auch hier ein möglichst globaler Gleichschritt. Gefährlich wäre es, wenn Unternehmen auf einmal andere Nachhaltigkeitsdaten liefern müssen, weil statt deutscher Vorgaben europäische Richtlinien bindend werden. Es gilt: Der erste Anlauf muss sitzen, um ein gutes Fundament für eine langfristige Transformation der Wirtschaft zu bilden. So bleibt auch das wichtige, oftmals Jahrzehnte bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank erhalten.

Welchen Mehrwert bieten Berichtspflichten?

Mit der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wird darüber hinaus die Pflicht für Unternehmen ausgeweitet, über Nachhaltigkeitsfragen zu berichten. Die neuen Regeln sollen ab Anfang 2024 gelten, betreffen also auch schon das Geschäftsjahr 2023. Das heißt: Unternehmen müssen zukünftig neben ihren Geschäftszahlen offenlegen, wie es um ihre Standards bei Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen bestellt ist. Zwar liegen die Grenzwerte, ab der Unternehmen zur Berichterstattung verpflichtet sind, weiterhin recht hoch (mindestens 500 Mitarbeiter, 20 Millionen Euro Bilanzsumme oder 40 Millionen Euro Umsatzerlöse), jedoch sollen diese Schwellen immer weiter sinken.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass sich jedes Unternehmen mit Nachhaltigkeitsfragen in seinem Geschäftsmodell auseinandersetzen sollte. Weitsichtige Firmenlenker tun dies schon heute, unabhängig von ihren Pflichten. Dennoch sollte klar sein: Einen entsprechenden Bericht braucht es nur dort, wo dieser einen Mehrwert bietet. Beispielsweise wenn damit Kapitalgebern wichtige zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Entfällt dieser Mehrwert, binden zusätzliche Berichtspflichten nur Personal und Kosten, die an anderer Stelle effizienter eingesetzt werden können.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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