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Die Anzeichen der Energiewende werden langsam überall sichtbar. Windräder in der Landschaft und Solarpaneele auf Hausdächern, an Balkonen, Schulen, Kindergärten oder Industriehallen sind in Deutschland an fast jeder Ecke zu finden. Oft stecken hinter Projekten vor Ort eigens dafür gegründete Bürgerenergiegenossenschaften, wie die Bürger Energie Region Regensburg eG. Sie hat im Landkreis Regensburg bereits 65 Solaranlagen gebaut. Eines ihrer innovativsten Projekte ist der Tunnel Bernhardswald, den die BERR eG seit Oktober 2024 mit Sonnenstrom versorgt.

Der Tunnel ist Teil der B16 zwischen Regensburg und Nittenau, seine Versorgung mit Sonnenstrom ein Pilotprojekt der BERR eG in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Straßenbauamt Regensburg, das mit der Idee auf den BERR-Vorstandsvorsitzenden Joachim Scherrer zukam: „Sie sagten, sie würden uns eine Fläche am Tunnel für die PV-Anlage zur Verfügung stellen, ob wir Interesse hätten.“

Erst konnte Scherrer mit der Anfrage nicht viel anfangen, aber dann erklärte ihm der Tunnelsicherheitsbeauftragte des Staatlichen Bauamts Regensburg, Richard Schaaf, dass der Tunnel, wenn die Sonne scheint, am meisten Strom benötigt und sich der Verbrauch somit gut mit den Zeiten deckt, an denen eine Solaranlage am meisten Strom produziert. „Der Tunnel muss bei sonnigem Wetter am stärksten ausgeleuchtet sein, besonders in den Eingangsbereichen, damit die Autos nicht in ein dunkles Loch fahren. In der Nacht ist es genau umgekehrt. Da muss das Tunnellicht gedimmt sein, sonst würden die Fahrer geblendet und könnten die Fahrbahn und den Tunnelrand nicht richtig erkennen. Da dachte ich, dass passt ja wunderbar zusammen“, erzählt Scherrer. Bei einer Begehung kurze Zeit später stellten die BERR-Vertreter fest, dass sich die Grünfläche an der Auffahrt zur B 16 unweit des Tunnels Bernhardswald bestens für eine Solaranlage mit bis zu 195 Kilowatt Spitzenleistung eignet – mehr als genug, um alle Anlagen des Tunnels mit Strom zu versorgen: „Mit 212 Metern Länge ist das ein eher kleiner Tunnel. Ein größerer wäre uns natürlich noch lieber gewesen“, sagt Scherrer.

Über die BERR eG

Die Bürger-Energiegenossenschaft der Region Regensburg wurde 2012 gegründet und setzt sich für eine unabhängige und regionale Stromversorgung ein. Sie hat über 600 Mitglieder und betreibt mittlerweile 65 Photovoltaik-Anlagen in der Region, die jährlich insgesamt über 5,2 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. Fünf weitere PV-Anlagen sind derzeit in Projektierung.

Genauso hell wie vorher, aber größtenteils autark

Sofern genug Sonne scheint, versorgt die PV-Anlage der BERR eG alle betriebstechnischen Einrichtungen des Tunnels mit Strom, wobei die Beleuchtung den größten Strombedarf hat. Im Tunnel ist es seit der Umstellung auf solarstrombetriebene Beleuchtung noch genauso hell wie vorher, wie Richard Schaaf vom Staatlichen Bauamt Regensburg bestätigt: „Wir haben an den Schaltzyklen für die Beleuchtung, die nach den Planungs- und Baurichtlinien vorgegeben sind, nichts verändert. Außer, dass ein Großteil des Stroms jetzt über die PV-Anlage kommt.“

Die Bauzeit betrug fünf Monate, in denen Scherrer und seine Stellvertreter viele Anträge stellen mussten. Unter anderem musste die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Regensburg ihr Okay geben und die Anlage so ausgerichtet werden, dass sie optimal in der Sonne liegt, aber gleichzeitig keine Autofahrer blendet. Richard Schaaf ist nicht nur stolz auf die Anlage, sondern auch auf die Einbindung in die Umgebung: „Sie ist so eingebettet, dass sie durch die umliegende Vegetation eigentlich kaum sichtbar ist für die Verkehrsteilnehmer. Praktisch nur, wenn man’s weiß.“

Wirtschaftlichkeit als wichtiges Kriterium und Verzögerungen beim Bau

Der Tunnel wurde schnell zum Lieblingsprojekt der BERR eG. Doch das Bauvorhaben verzögerte sich. Die Genossenschaft fand erst kein Unternehmen, das die Solaranlage bauen wollte, erzählt Vorstand Joachim Scherrer: „Die Firmen, die Aufständerungen für große Solarparks bauen, hatten kein wirkliches Interesse an so einer Minifläche. Da waren die vorgeschlagenen Preise auf so einem hohen Level, dass daran nur die Montagefirma Spaß gehabt hätte. So hätten wir keinen guten Strompreis für das Straßenbauamt erzielen und für uns keinen Ertrag generieren können.“ Besonders die Betonsockel zur Verankerung der Anlage hätten das Budget gesprengt, da man dafür eine Tiefbaufirma gebraucht hätte.

Die BERR eG stand vor einem Dilemma. Sollte man für das teure Bauvorhaben den Strompreis erhöhen? Oder eine kleinere Anlage bauen, die dann nicht mehr in das allgemeine Netz einspeist und den Tunnel nur im Sommer versorgen kann? Beides erschien den Mitgliedern der BERR eG zu unwirtschaftlich. Sie überlegten deshalb sogar kurzzeitig, wie sie das Gerüst für die Anlage selbst bauen könnten, fanden dann jedoch unverhofft eine bessere Lösung. Auf der Intersolar, einer Messe für Photovoltaiktechnik und -trends, entdeckten sie eine Metallrahmenkonstruktion für PV-Module, deren Füße an Baumwurzeln erinnern. Sie heißt „Tree-System“ – Baumsystem: „Da haben wir Glück gehabt, dass wir zufällig dieses Tree-System gefunden haben. Das verankert das Gestell für die Solarmodule ganz einfach mit drei großen, in verschiedene Richtungen zeigenden Nägeln im Boden, die man schnell mit einem Presslufthammer einbringen kann. Genau dieselbe Installation gibt es auch für Carports. Mit der Idee haben wir gleich nochmal unseren Solarteur angerufen. Der fand das System auch super, weil man das ohne Dritte hinkriegt, was den Preis viel akzeptabler macht. Da haben wir uns gesagt, jetzt wird ein Schuh draus“, berichtet Scherrer.

Sicher in der Dunkelflaute

Seit Oktober 2024 ist die Photovoltaikanlage in Betrieb. Um gegen die gefürchtete Dunkelflaute in den Wintermonaten gewappnet zu sein, hängt der 212 Meter lange Tunnel weiterhin am örtlichen Stromnetz. Die Anlage ist so groß dimensioniert, dass sie auch an trüben Tagen ausreichend Strom für den Tunnel erzeugt und an sonnenreichen Tagen den überschüssigen Strom sogar ins allgemeine Netz einspeisen kann: „Selbst an nebligen Herbsttagen, wenn die Sonne eigentlich gar nicht rauskommt bei uns, versorgen wir den Tunnel bis zu zehn Stunden lang mit Strom“, erklärt Scherrer. Pro Jahr spart das Staatliche Bauamt Regensburg so über 10.000 Euro Stromkosten für die Tunnelbeleuchtung. Aktuell plant die BERR eG sogar einen 20 Kilowatt-Stromspeicher für die Nachtstunden. Tunnelbeauftragter Schaaf berichtet: „Wir haben ein neues Betriebsgebäude für den Speicher errichtet, das Ende des Jahres bezugsfertig wird. So können wir den grünen Stromanteil, der momentan im Mittel bei 56 Prozent liegt, über das Jahresmittel deutlich auf bis zu 80 Prozent steigern. Im Sommer produziert die Anlage an vielen Tagen so viel Strom, dass der Tunnel autark betrieben werden kann.“

Mittlerweile stellen Richard Schaaf und Joachim Scherrer den Tunnel Bernhardswald und seine innovative Beleuchtung durch Grünstrom bei Energiesymposien in ganz Deutschland vor. Der Erfolg ist so durchschlagend, dass ein benachbartes Straßenbauamt Richard Schaaf gebeten hat, ihnen die BERR eG zu vermitteln. Es geht wieder um einen Tunnel, dieses Mal 300 Meter lang, gelegen bei Neustadt an der Waldnaab. „Wir planen gerade das Projekt. Das Straßenbauamt hat erst versucht, das Projekt selbst umzusetzen, aber schließlich haben sie uns gefragt, weil wir schon ein erfolgreiches Projekt zur Stromversorgung eines Straßentunnels umgesetzt haben“, erzählt Scherrer. Auch von Straßenbauämtern aus anderen Regionen gab es schon Anfragen. Hier macht der BERR-Vorstandsvorsitzende aber klar: „Wenn ein Projekt weiter als 100 Kilometer entfernt liegt, helfen wir gerne, es zu realisieren, dann bauen wir es aber nicht selbst.“

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