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Herr Ferber, das Europäische Parlament hat sich in Verhandlungen mit dem Ministerrat und der Europäischen Kommission bei der Änderung der Richtlinien zur Bankenabwicklung und Einlagensicherung (CMDI-Review) auf einen Kompromiss geeinigt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Ferber: Es ist beim Schlussspurt gelungen, einen sehr problematischen Kommissionsvorschlag noch einmal spürbar zu verbessern. Die Kommission wollte bei ihrer Reform des Krisenmanagements das Kind mit dem Bade ausschütten und jede strauchelnde Bank zum Abwicklungsfall machen – das wäre komplett unverhältnismäßig gewesen. Was am Ende rausgekommen ist, ist kein großer Wurf, aber doch ein vertretbarer Kompromiss.
 

Worum ging es bei den Verhandlungen?

Ferber: Das Paket, das die Kommission ursprünglich im Frühjahr 2023 vorgestellt hatte, beinhaltete sowohl Änderungen an der Einlagensicherungsrichtlinie als auch an den Vorgaben für die Abwicklung von Banken. Der Kommissionsvorschlag hätte weitreichende Änderungen zur Folge gehabt, wie mit Banken im Krisenfall umgegangen wird. Bei den Verhandlungen ging es darum, den Spagat zu schaffen zwischen mehr Konsistenz im Abwicklungssystem, ohne dabei die Verhältnismäßigkeit völlig aus den Augen zu verlieren. Das war herausfordernd. Es ist jedoch gelungen, den Kommissionsvorschlag an entscheidenden Stellen zu entschärfen. Dabei ist aber viel zusätzliche Komplexität entstanden. Am Ende muss die Frage erlaubt sein, ob das neue Regime tatsächlich besser ist als der Status quo. Ich werde mir die Einigung unter diesem Gesichtspunkt nun sehr genau anschauen. Es zeigt sich, dass eine sachgerechte Lösung extrem schwierig wird, wenn bereits der Kommissionsvorschlag vollkommen verkorkst ist.

„Der Kommissionsvorschlag hat an den Grundfesten der Institutssicherungssysteme genagt.“

Was bedeutet der Kompromiss für die bewährten Einlagensicherungssysteme der deutschen Banken?

Ferber: Es war mir wichtig, dass durch die Reform des Krisenmanagements bewährte Strukturen nicht unter die Räder kommen. Der Kommissionsvorschlag hat an den Grundfesten der Institutssicherungssysteme genagt und die Besonderheiten des dreigliedrigen deutschen Bankensystems ignoriert. Er hätte insbesondere den Rückgriff auf so genannte präventive Maßnahmen erheblich erschwert und so den Kern der Institutssicherungssysteme von Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken unterminiert. Auch die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben aus der Eigenkapitalverordnung CRR wäre für Institutssicherungssysteme kaum mehr möglich gewesen, was zu erheblichen zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen geführt hätte. Durch die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament wurde ein Kompromiss gefunden, der auch für das dreigliedrige Bankensystem in Deutschland und seine Institutssicherungssysteme funktioniert. Die Lösung geht zwar mit erheblichem Aufwand einher, am Ende des Tages ist sie aber noch geradeso tragfähig.
 

Können Sie grob skizzieren, wie genau diese komplexe Kompromisslösung für das deutsche Bankensystem und seine Einlagensicherungssysteme nun aussieht? Wo entsteht der zusätzliche Aufwand?

Ferber: Das CMDI-Paket ist deshalb so komplex, weil sehr viele Elemente ineinandergreifen. Das reicht von der Bewertung, ob eine Abwicklung im öffentlichen Interesse ist, über die Gläubigerhierarchie und das Design der präventiven und alternativen Maßnahmen, die einem Einlagensicherungssystem zur Verfügung stehen, bis hin zur genauen Prozessabfolge im Abwicklungsfall. Es gab also ganz viele kleine Mosaikstückchen, die man am Ende zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen musste, und die dann auch für die hohe Komplexität sorgen.
 

Die Kommission wollte den Zugang für Banken zum Abwicklungsfonds unter Zugriff auf die Einlagensicherungssysteme deutlich erleichtern („Bridge the Gap“). Zu welchem Ergebnis sind die Verhandlungen hier gekommen?

Ferber: Bei der Frage des Zugangs zum Abwicklungsfonds wurde für solche Banken, die nicht genügend abwicklungsfähige Verbindlichkeiten haben, eine Lösung mit hinreichend hohen Hürden gefunden. Der Griff in den Abwicklungstopf oder die Einlagensicherungssysteme muss auch im Krisenfall die absolute Ausnahme bleiben und an hinreichend strenge Bedingungen geknüpft sein. Da darf es keinen Freibrief geben. Das haben wir sichergestellt.

„Mit der Einigung sehe ich keine Notwendigkeit mehr, weiterhin an problematischen Ideen wie der Vergemeinschaftung des Einlagensicherungssystems zu arbeiten.“

Welche Punkte zur Vollendung der Bankenunion sind aus Ihrer Sicht nun noch offen?

Ferber: Mit der Einigung zum Krisenmanagement sehe ich keine Notwendigkeit mehr, weiterhin an problematischen Vorschlägen wie der Vergemeinschaftung des Einlagensicherungssystems zu arbeiten. Die Kommission sollte nun aufhören, das dreigliedrige deutsche Bankensystem mit immer neuen Vorschlägen zu malträtieren. Der Bankenunion wäre mehr geholfen, wenn die Kommission für eine einheitliche Umsetzung der Bankenregeln in allen Mitgliedsstaaten sorgen würde. Dass der Steuerzahler für die Stützung strauchelnder Banken herangezogen wird, war in der Vergangenheit nämlich vor allem ein südeuropäisches Phänomen.

Herr Ferber, vielen Dank für das Interview!

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