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Grüner Wasserstoff elektrisiert Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen. Mit dem farb- und geruchlosen Gas können die Industrie, der Verkehrssektor und Teile der Energieversorgung klimaneutral umgebaut werden, so die Hoffnung. Denn Wasserstoff ist ein Energieträger, der sich unter bestimmten technischen Voraussetzungen längerfristig speichern lässt und dadurch bedarfsgerecht abgerufen werden kann. So wird es möglich, Erzeugung und Verbrauch von erneuerbarer Energie zeitlich und räumlich voneinander zu trennen. „Grün“ bedeutet, dass der Wasserstoff mithilfe von Strom aus regenerativen Energieträgern erzeugt wird. Dabei wird Wasser (H2O) in einem sogenannten Elektrolyseur mithilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) zerlegt.

Bis zu einem großflächigen Einsatz ist es jedoch noch ein weiter Weg. Denn derzeit ist es noch sehr teuer, grünen Wasserstoff zu erzeugen. Außerdem müssen die erneuerbaren Energien hierzulande erst massiv ausgebaut werden, bis die benötigten Strommengen für die Wasserstoffproduktion in industriellem Maßstab zur Verfügung stehen. Die Bürger-Energie-Unterhaching eG, die Bürgerenergie Isar eG und die BürgerEnergie Niederbayern eG lassen sich von diesen Unwägbarkeiten jedoch nicht abschrecken: Seit November 2021 beteiligen sie sich finanziell an einem Pilotprojekt zur Herstellung, Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff, getragen von der Hy2B Wasserstoff GmbH.

„Wir leisten echte Pionierarbeit.“

Martin Hujber, Vorstandsvorsitzender BürgerEnergie Niederbayern eG

Die Hy2B Wasserstoff GmbH wird in Pfeffenhausen bei Landshut einen Elektrolyseur betreiben, der grünen Wasserstoff für die sogenannte Wasserstoffmodellregion HyBayern der Landkreise Landshut, Ebersberg und München produzieren soll (siehe nachfolgender Kasten). In unmittelbarer Nachbarschaft entsteht zudem ein vom Bund gefördertes nationales Technologie-Anwenderzentrum für Wasserstoff (WTAZ). „Wir sind wohl die ersten bayerischen Genossenschaften, die in diesem Sektor Fuß fassen und damit echte Pionierarbeit leisten“, betont Martin Hujber, Vorstandsvorsitzender der BürgerEnergie Niederbayern eG.

Wasserstoff-Mekka Pfeffenhausen

Pfeffenhausen, rund 20 Kilometer nördlich von Landshut gelegen, soll sich in den kommenden Jahren zum bayerischen Wasserstoff-Mekka entwickeln. In dem Markt entstehen unabhängig voneinander zwei mit vielen Millionen Euro geförderte Mega-Projekte:

  1. Die Wasserstoffmodellregion HyBayern. Es soll ein regionales Netzwerk zur Erzeugung und Verteilung von grünem Wasserstoff entstehen, der dann zum Antrieb emissionsfreier Fahrzeuge genutzt wird. Für das Projekt haben sich die Landkreise Landshut, Ebersberg und München gemeinsam mit mehreren Projektpartnern zusammengeschlossen. Dazu gehören unter anderem die drei Energiegenossenschaften Bürger-Energie-Unterhaching eG, die Bürgerenergie Isar eG und die BürgerEnergie Niederbayern eG. Auch die BayWa ist dabei. Der Plan sieht vor, dass ein Elektrolyseur in Pfeffenhausen mit regenerativ erzeugtem Strom pro Jahr zwischen 600 und 800 Tonnen Wasserstoff CO2-frei erzeugt. Der Wasserstoff wird dann an Bus-Tankstellen sowie an weitere PKW- und Werkstankstellen geliefert. Bis zu 35 Busse sollen so mit grünem Wasserstoff betrieben werden, insgesamt möchten die beteiligten Partner jährlich mehr als 4.500 Tonnen CO2 einsparen. Das geplante Projektvolumen liegt bei über 20 Millionen Euro.
  2. Ein nationales Wasserstoff Technologie-Anwenderzentrum (WTAZ). Der Markt Pfeffenhausen ist neben Duisburg, Chemnitz und einem Verbund norddeutscher Städte einer von vier bundesweiten Standorten für ein solches Zentrum. Als Teil der nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) soll das WTAZ Pfeffenhausen den Technologietransfer von der Forschung in die Industrie beschleunigen und Unternehmen bei der Anwendung innovativer Wasserstofftechnologien unterstützen. Dafür stellen Bund und Freistaat mehr als 130 Millionen Euro bereit.

Wie sieht die Rolle der Genossenschaften in Pfeffenhausen aus? Vor allem geht es darum, erste Erfahrungen mit grünem Wasserstoff zu sammeln. Denn noch ist unklar, wie mögliche Geschäftsmodelle aussehen können. Der Markt für grünen Wasserstoff entsteht gerade und ist zudem stark subventioniert. „Wir sind überzeugt, dass die Technologie einige Chancen für Genossenschaften bietet. Durch die Beteiligung haben wir die Möglichkeit, vom Start weg an einem sehr interessanten und ambitionierten Projekt mitzuwirken und zu sehen, welche praktischen Einsatzmöglichkeiten es gibt“, sagt Hujber. Er vertritt die drei Genossenschaften im Steuerungskreis der Betreibergesellschaft. Das Gremium tauscht sich wöchentlich aus.

Solarpark mit einer Leistung von 12 Megawatt

Die BürgerEnergie Niederbayern eG geht noch einen Schritt weiter. Sie wird einen Großteil der erneuerbaren Energie für den Elektrolyseur der Wasserstoffmodellregion liefern. Dazu plant die Genossenschaft eine Photovoltaik-Anlage mit einer Spitzenleistung von 12 Megawatt bei Pfeffenhausen-Burghart. Diese war bereits vor dem Wasserstoffprojekt als sogenanntes PPA-Projekt geplant. Als Power Purchase Agreement (PPA) bezeichnet man spezielle Stromlieferverträge zwischen einem Stromerzeuger und einem größeren Abnehmer. So lassen sich zum Beispiel Solarparks ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanzieren und betreiben.

Die Anlage befindet sich derzeit im Genehmigungsverfahren. Hujber hofft, spätestens im März 2022 das Baurecht zu erhalten. Loslegen kann die Genossenschaft dann jedoch noch nicht, weil der Elektrolyseur erst im April 2023 in Betrieb gehen wird. Neu errichtete PV-Anlagen, die Energie für die Wasserstofferzeugung liefern sollen, dürfen vorher keinen Strom ins Netz eingespeist haben. Ebenso ist es nicht erlaubt, bestehende Anlagen umzuwidmen, um Strom für die Wasserstofferzeugung zu liefern. Damit möchte der Gesetzgeber verhindern, dass dem Markt Strom aus erneuerbaren Energien entzogen wird. Würde die PV-Anlage also vor dem Hydrolyseur fertig, bliebe sie bis zu dessen Inbetriebnahme  ungenutzt. „Wir müssen also darauf achten, die PV-Anlage möglichst zeitgleich zur Wasserstoffanlage fertigzustellen“, sagt Hujber.

Weitere Anlagen für PV und Windkraft geplant

Da die Leistung des Solarparks nicht ausreichen wird, um den Elektrolyseur vollständig zu betreiben, plant die Energiegenossenschaft bereits, sich weitere Flächen für PV-Anlagen zu sichern. Insgesamt kann sich Hujber Anlagen mit einer Spitzenleistung von 20 Megawatt vorstellen. Zudem möchte die BürgerEnergie Niederbayern in unmittelbarer Nähe zwei Windkraftanlagen errichten, eine der beiden fällt unter die 10H-Regel. Die Leistung der Windräder soll jeweils bei rund fünf Megawatt liegen, die Kosten bei rund fünf Millionen Euro pro Stück liegen. „Die Windräder sind eine ideale Ergänzung zur PV-Anlage“, betont Hujber. Der Gemeinderat von Pfeffenhausen steht den beiden Projekten positiv gegenüber: Für das Windrad, welches unter die 10H-Regel fällt, hat das Gremium einen Aufstellungsbeschluss gefasst. Für das andere Windrad ist kein Beschluss nötig, der Gemeinderat unterstützt das Vorhaben jedoch ausdrücklich. Hujber rechnet mit einem Planungszeitraum von etwa vier Jahren für die beiden Windkraftanlagen.

Ebenso könnte sich der Vorstandsvorsitzende vorstellen, Nahwärme für das geplante Technologie-Anwenderzentrum für Wasserstoff zu liefern. „Wir zeigen Flagge und machen deutlich, welche Leistungen wir bieten können“, sagt er. Die Unternehmensform Genossenschaft sieht er dabei als echtes Plus. „Durch uns können sich die Bürger vor Ort beteiligen und somit an dem Projekt mitwirken. Deshalb räumen wir allen Menschen, die im Umkreis leben, einen Vorrang ein, etwa beim Zeichnen von Geschäftsanteilen. Das stärkt die Akzeptanz für das Vorhaben ungemein“, betont Hujber.

„Im Bereich grüner Wasserstoff entstehen sehr interessante Geschäftsmodelle für Genossenschaften.“

Martin Hujber, Vorstandsvorsitzender BürgerEnergie Niederbayern eG

Der Vorstandsvorsitzende der BürgerEnergie Niederbayern eG ist überzeugt, dass grüner Wasserstoff in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird. Besonders interessant findet er folgendes Modell: Eine PV-Anlage oder eine Windkraftanlage liefern Strom an einen Elektrolyseur, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Die Abwärme des Elektrolyseurs wird in ein Nahwärmenetz eingespeist, das zusätzlich Wärme von einer Hackschnitzelheizung bezieht. Auf diese Weise erhöht sich der Wirkungsgrad des gesamten Prozesses von unter 50 auf 80 Prozent und ist wirtschaftlich rentabel möglich. „Dazu kommt ein weiterer Punkt, der bisher noch nicht breit diskutiert wird: Wir sind derzeit noch stark von importierter Energie abhängig, was zu großen politischen Streitigkeiten führt, siehe etwa die Diskussionen um die Gaspipeline Nord Stream 2. Die grüne Wasserstoffproduktion in Kombination mit Photovoltaik und Windkraft sowie zusätzlich einem Nahwärmenetz macht uns hingegen unabhängiger von Energieimporten. Ich bin überzeugt, dass grüner Wasserstoff weiter an Bedeutung gewinnen wird und in diesem Bereich sehr interessante Geschäftsmodelle für Genossenschaften entstehen“, bekräftigt Hujber.

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