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Herr Professor Lutz, Anfang Dezember hat die BayWa unter Ihrer Führung die größte Transaktion in der Unternehmensgeschichte abgeschlossen. Ein von dem Schweizer Vermögensverwalter Energy Infrastructure Partners (EIP) gelenktes Anlegerkonsortium ist mit 530 Millionen Euro bei der BayWa-Tochtergesellschaft BayWa r.e. renewable energy eingestiegen und erhält dafür 49 Prozent der Anteile. Zu den Investoren gehört auch die Versicherungskammer Bayern. Mit welchem Gefühl denken Sie an die Vertragsunterzeichnung zurück?

Klaus Josef Lutz: In der Geschichte eines Unternehmens erlebt man nur selten historische Momente – das war so einer. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die das Jahr 2020 geprägt und damit auch die persönlichen Gespräche während der Verhandlungen zum Teil stark eingeschränkt hat, bekommt dieser Erfolg noch einmal eine ganz besondere Note. Mag sein, dass diese einjährige Verlobungsphase, wie Roland Dörig, der Gründer und Managing Partner des Investors EIP aus Zürich, diesen Prozess bezeichnet hat, manchem Beobachter verhältnismäßig lang vorkam. Aber wir wollten uns die Zeit nehmen, die es braucht – immerhin ging es darum, für unsere Tochter einen langfristigen Investor zu finden, mit dem wir das gleiche Verständnis von nachhaltigem Wirtschaften teilen. Dieses Ziel haben wir erreicht.
 

Was ist das Ziel der Transaktion?

Lutz: Der weltweite Ausbau der regenerativen Energien ist ein Megatrend und hat gerade im Hinblick auf den Klimawandel große Bedeutung. Wie enorm das Wachstumspotenzial der BayWa r.e. in diesem Umfeld ist, zeigen die folgenden Zahlen: In den vergangenen elf Jahren hat die BayWa r.e. vier Gigawatt regenerative Energie ans Netz gebracht und betreut Anlagen mit einer Leistung von aktuell rund neun Gigawatt. Die Projektpipeline umfasst aktuell über 13 Gigawatt! Die Kapitalerhöhung bei der BayWa r.e. durch EIP vergrößert unseren finanziellen Spielraum, um mehr Projekte als bisher gleichzeitig zu realisieren – und so letztlich noch schneller wachsen zu können und die Stellung der BayWa r.e. am Markt weiter zu festigen und auszubauen.

Zusammen mit einem Green Bond im Jahr 2019 haben Sie nun über eine Milliarde Euro am Kapitalmarkt für das Geschäftsfeld „Regenerative Energien" akquiriert. Wie werden Sie das Geld investieren?

Lutz: Sowohl der Green Bond als auch die Kapitalerhöhung bei der BayWa r.e. haben zum Ziel, das weitere Wachstum der BayWa r.e. zu finanzieren. Mit den Mitteln aus dem Green Bond refinanzieren wir ausschließlich den Bau von Wind- und Solarkraftanlagen. Die Projekte, die dafür infrage kommen, unterliegen einer speziellen Zertifizierung. Die Mittelverwendung muss jährlich in einem vorgeschriebenen Verfahren dokumentiert werden, damit der Investor sicher sein kann, dass sein Geld ausschließlich in grüne Projekte geflossen ist, die die Kriterien erfüllen. Auch von der Kapitalerhöhung wird das Projektgeschäft profitieren, aber nicht allein. Wir wollen die höhere Eigenkapitalquote bei der BayWa r.e. auch dafür nutzen, die Bereiche Operations und Solutions weiter zu stärken. Mit der Kapitalerhöhung verbunden ist außerdem die Weiterentwicklung der BayWa r.e. zu einem Independent Power Producer, kurz IPP. Das bedeutet, dass der Umfang an ausgewählten Solar- und Windkraftwerken, die die BayWa r.e. selbst betreibt, mittelfristig von derzeit 0,75 Gigawatt auf drei Gigawatt steigen wird. Der Vorteil ist eine höhere Planbarkeit des Ergebniswachstums und der Zahlungsströme, was eine sinnvolle Ergänzung zu den Erlösen aus dem Projektgeschäft ist, die ja in der Regel dann erzielt werden, wenn die Projekte fertiggestellt und an einen Investor verkauft worden sind.

„Wir erwarten mittelfristig eine Verdopplung des Konzern-EBIT.“

Sie haben zudem einen Wachstumsplan bis 2028 verabschiedet. Wo soll die BayWa r.e. zu diesem Zeitpunkt stehen und welchen Ertrag soll das Tochterunternehmen zum Konzernumsatz beisteuern?

Lutz: Das durch die Kapitalerhöhung beschleunigte Wachstum der BayWa r.e. wird sich signifikant im Ergebnis widerspiegeln: Innerhalb der nächsten drei Jahre erwarten wir im Geschäftsfeld Regenerative Energien ein durchschnittlich zweistelliges jährliches EBIT-Wachstum – hauptsächlich angetrieben durch das Projektgeschäft bei Wind, Solar und IPP. Da die BayWa AG mit 51 Prozent weiterhin Mehrheitsgesellschafterin bleibt und die BayWa r.e. innerhalb des BayWa-Konzerns weiter voll konsolidiert wird, wirkt sich dies natürlich auch positiv auf die Kennzahlen des Gesamtkonzerns aus. Ganz konkret erwarten wir mittelfristig eine Verdopplung des Konzern-EBIT, einen Anstieg der Eigenkapitalquote von 15,3 auf 22,5 Prozent und einen um rund 40 Prozent geringeren Nettoverschuldungsgrad von 3,7, was unserer Zielgröße für den BayWa-Konzern entspricht.

Was bedeutet die Transaktion für die Hauptaktionäre der BayWa und vor allem für diejenigen bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken, die über die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG an der BayWa beteiligt sind?

Lutz: Der Kapitalmarkt bewertet die Entwicklung der BayWa bei den regenerativen Energien äußerst positiv – das zeigt die überdurchschnittlich gute Entwicklung des Aktienkurses. Im letzten Quartal 2020 ist die Aktie um rund 20 Prozent gestiegen und bewegt sich auf einem Drei-Jahres-Hoch. Die BayWa-Aktie ist aber vor allem ein Dividendentitel. Weiteres Wachstum bei der BayWa r.e. und die daraus folgenden signifikanten EBIT-Zuwächse bei der Muttergesellschaft bieten ein festes Fundament, um unsere Dividendenpolitik fortzusetzen.

„Gerade weil wir die BayWa in den vergangenen zwölf Jahren – auch entgegen so mancher Kritik – internationaler aufgestellt und unser Geschäft diversifiziert haben, sind wir heute so erfolgreich.“

Auf diese Weise wird das Geschäft mit erneuerbaren Energien immer wichtiger für die BayWa, gleichzeitig ist das Unternehmen heute der größte Agrarhändler in Deutschland und international einer der führenden Händler für landwirtschaftliche Rohstoffe. Spielt der Agrarhandel in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle?

Lutz: Ganz klares Nein. Ein – auch im Ergebnis – stärkeres Geschäftsfeld Regenerative Energien macht den Agrarhandel nicht weniger wertvoll für uns. Gerade weil wir die BayWa in den vergangenen zwölf Jahren – auch entgegen so mancher Kritik – internationaler aufgestellt und unser Geschäft diversifiziert haben, sind wir heute so erfolgreich. Wir sind weniger abhängig vom Erfolg einzelner Geschäftsbereiche und können Ressourcen im Unternehmen freischaufeln, um sie in die Weiterentwicklung der anderen Geschäftsbereiche zu investieren. Ich denke da zum Beispiel an die Akquisitionen im Rahmen unserer Spezialitätenstrategie im internationalen Agrarhandel, durch die wir uns unabhängiger vom Commodity-Geschäft mit seinen geringen Margen gemacht haben. Bei der für alle Marktteilnehmer notwendigen Restrukturierung des deutschen Agrargeschäfts haben wir zwar noch etwas Wegstrecke vor uns. Unter der Leitung des verantwortlichen Vorstands Marcus Pöllinger sehe ich uns aber auf einem sehr guten Weg, in diesem Bereich bald wieder stabil schwarze Zahlen zu schreiben.
 

Auf der zurückliegenden Hauptversammlung im Juli 2020 haben Sie angekündigt, Standorte in den ostdeutschen Bundesländern zu schließen. Welche Pläne haben Sie für die BayWa-Standorte in Bayern?

Lutz: Der strukturelle Umbruch in der Landwirtschaft findet zwar überall in Deutschland statt, aber nicht überall auf die gleiche Weise. Die Landwirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern ist ganz anders aufgestellt als in Bayern oder Baden-Württemberg und selbst in Süddeutschland gibt es Unterschiede, etwa zwischen Franken und Oberbayern. Das bedeutet für uns, dass wir immer regional unterschiedliche Antworten finden müssen. In Bayern, um es konkreter zu machen, haben wir begonnen, das Agrar- und Technikgeschäft in den Regionen unter eine einheitliche Geschäftsführung zu stellen. Unser Fokus im deutschen Agrargeschäft liegt ganz klar darauf, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, indem wir verstärkt in die Effizienz unserer Logistik und Prozesse, Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle und Vertriebswege sowie – ganz wichtig – die Köpfe unserer Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter investieren. Denn eines steht fest: Auch in Zukunft wird die BayWa flächendeckend Partner ihrer Kunden sein. Das gilt auch in Fällen, in denen wir nicht mehr wirtschaftliche Standorte aufgeben müssen.

„In mehreren Geschäftsbereichen zeichnen sich neue Bestmarken beim Ergebnis ab.“

Abschließende Frage: Wie ist das Geschäftsjahr 2020 gelaufen und welche Erwartungen haben Sie für das erste Quartal 2021?

Lutz: Bitte noch etwas Geduld, die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr liegen erst Ende März vor. Wir haben aber allen Grund, zufrieden zu sein. Die BayWa ist sehr stabil durch ein – aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer Folgen – gesamtwirtschaftlich schwieriges Jahr gekommen. Bereits im Laufe des Jahres zeichneten sich in mehreren Geschäftsbereichen neue Bestmarken beim Ergebnis ab. Ich denke zum Beispiel an das Segment Bau und die klassische Energie, die in 2020 beide von einer hohen Nachfrage profitiert haben, oder den anhaltenden Boom im Landtechnikgeschäft.
 

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Der gebürtige Münchener Klaus Josef Lutz ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der BayWa. In dieser Zeit trieb er vor allem die Internationalisierung des Unternehmens voran, beispielsweise mit Zukäufen von Agrar- und Obsthandelsunternehmen in Neuseeland. Den Geschäftsbereich Erneuerbare Energien baute Lutz komplett neu auf. Unter Lutz‘ Führung stieg der Umsatz der BayWa von 8,8 Milliarden Euro (2008) auf über 17 Milliarden Euro (2019). Der Aufsichtsrat des Konzerns hat seinen Vertrag im März 2020 vorzeitig bis 2025 verlängert.

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