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Die Herausforderungen der Energiewende sind mannigfaltig: Neben der Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen und der Einhaltung der Klimaziele geht es vor allem darum, die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren und zugleich die regionale Wertschöpfung zu steigern. Wie dies mit einer Vielfalt an Akteuren funktioniert und wie vor Ort die besten Lösungen umgesetzt werden können, darum ging es bei der Netzwerkveranstaltung Energie im großen Sitzungssaal des Landsberger Landratsamts. Eingeladen hatten die VR-Bank Landsberg-Ammersee und die VR-Bürgerenergie Landsberg eG gemeinsam mit dem Genossenschaftsverband Bayern (GVB).

Wie sehr das Thema vielen Kommunalvertretern auf den Nägeln brennt, ließ sich schon an der Teilnehmerliste ablesen. 100 Einladungen hatte die VR-Bank Landsberg-Ammersee verschickt, gut 80 Gäste nahmen an dem Netzwerktreffen teil, darunter der Landsberger Landrat Thomas Eichinger, zahlreiche Bürgermeister und Gemeindevertreter aus dem Landkreis Landsberg sowie Vertreter der örtlichen Energiebranche.

Impulse für die Energiewende vor Ort

Ziel der Veranstaltung war es, Anstöße für neue Ideen zu geben. Denn auch das wurde im Laufe des Vormittags klar: Der Energieumbau vor Ort kann nur gelingen, wenn Kommunen, lokale Energie-Unternehmer und Entscheidungsträger in den Behörden an einem Strang ziehen und die Bürger mit einbinden. Um echte Bürgerbeteiligung sicherzustellen, bietet sich die Rechtsform der Genossenschaft an, betonten viele Redner in ihren Beiträgen. Stefan Jörg, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Landsberg-Ammersee und im Ehrenamt Vorstandsmitglied der VR-Bürgerenergie Landsberg eG, zog ein positives Fazit: „Wir haben deutlich gesehen, dass zwischen allen Beteiligten ein hoher Informations- und Diskussionsbedarf zum Energieumbau vor Ort besteht. Die bilateralen Gespräche am Ende der Veranstaltung haben gezeigt, dass wir einen Impuls setzen konnten, den wir im Nachgang aufrechterhalten und verstärken wollen.“

Für den GVB war das Netzwerktreffen in Landsberg eine Pilotveranstaltung. Ziel ist es, gemeinsam mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie den Energiegenossenschaften vor Ort auch in anderen Landkreisen und Regionen Bayerns die Kommunen und die Akteure der Energiewende in einen fruchtbaren Austausch zu bringen. Genossenschaften, die daran Interesse haben, wenden sich an Daniel Caspari vom GVB (nähere Infos im Kasten).

GVB hofft auf weitere Veranstaltungen in anderen Regionen

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat die Netzwerkveranstaltung Energie der VR-Bank Landsberg-Ammersee als Partner eng begleitet. VR-Banken und Energiegenossenschaften, die mit Unterstützung des GVB ebenfalls ein Netzwerktreffen für die lokalen Energie-Akteure organisieren möchten, können auf das bestehende Konzept aufbauen. Sie können sich dafür an GVB-Energieberater Daniel Caspari wenden. Er ist unter 089 / 2868-3577 beziehungsweise dcaspari(at)gv-bayern.de erreichbar.

Bei der Veranstaltung in Landsberg informierte Daniel Caspari über aktuelle Herausforderungen bei der Energieversorgung und Lösungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene. GVB-Gründungsberater Max Riedl referierte darüber, wie Wärme- und Energiegenossenschaften Wertschöpfung vor Ort schaffen und für ihre Mitglieder Versorgungssicherheit zu günstigen Preisen sicherstellen. Die beiden GVB-Experten sind gerne bereit, auch bei vergleichbaren Veranstaltungen in anderen Regionen zu diesen Themen vorzutragen. Die Präsentationen zu den in Landsberg gehaltenen Vorträgen können auf der Webseite der VR-Bank Landsberg-Ammersee heruntergeladen werden.

Zusammenschluss in einer Genossenschaft

Bernhard Schmidt ist Geschäftsführer der NEW – Neue Energien West eG aus Grafenwöhr. Der interkommunalen Genossenschaft gehören 17 Kommunen und zwei Kommunalunternehmen aus den Landkreisen Neustadt an der Waldnaab, Tirschenreuth und Amberg-Sulzbach an. Die Bürger werden über die Bürger-Energiegenossenschaft West eingebunden. Netzwerktreffen wie in Landsberg seien essenziell für den Erfolg der Energiewende, betonte Schmidt. „Die Bürgermeister sind die Energiewende-Koordinatoren vor Ort. Schließen Sie sich zusammen, gemeinsam erreichen Sie mehr“, appellierte der NEW-Geschäftsführer an die anwesenden Kommunalvertreter. Wenn sich der Bürgermeister und die Gemeinde für die Energiewende einsetzten, dann machten auch die Bürger mit, so Schmidts Erfahrung.

„Die Bürgermeister sind die Energiewende-Koordinatoren vor Ort. Schließen Sie sich zusammen, gemeinsam erreichen Sie mehr.“

Bernhard Schmidt, Geschäftsführer der NEW – Neue Energien West eG

Gemeinsam mit der Bürger-Energiegenossenschaft und mehreren Tochtergesellschaften komme die NEW auf eine Bilanzsumme von 70 Millionen Euro, betonte Schmidt. Die NEW bietet seit 2014 mit dem „Regionalstrom Nordoberpfalz“ einen eigenen Stromtarif an. Zudem hat sie gemeinsam mit der Bürger-Energiegenossenschaft West in der Oberpfälzer Gemeinde Trabitz ein Nahwärmenetz realisiert. „Die Bürger beziehen ihre Wärme von uns für sechs Cent brutto pro Kilowattstunde, die haben Spaß mit uns“, betonte Schmidt.

Es sei wichtig, die Energiewende jetzt in vollem Sprint anzugehen. „Wenn bei uns etwas passiert, wollen wir dabei sein“, formulierte Schmidt den Anspruch der NEW. Doch die Konkurrenz schlafe nicht. „Großinvestoren drücken mit Unsummen in den Markt. Überall im Land sind Scouts unterwegs, die nach Flächen für PV-Parks suchen. Wenn wir nicht aufpassen, geben wir die Energiewende vor Ort aus der Hand“, mahnte Schmidt. Grundlegend für den Erfolg der Energiewende sei der Netzausbau. „Der Flaschenhals ist das 20-Kilovolt-Mittelspannungsnetz“, berichtete Schmidt. Im Zusammenschluss könnten die Kommunen vor Ort eine ganze Menge bewegen, appellierte Schmidt. „Bauen Sie gemeinsam ein eigenes Umspannwerk. Dann haben Sie den Schlüssel in der Hand, wer in Ihr eigenes Netz einspeist. Auch Speicher sind wichtig. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Die Technik, die Möglichkeiten, das Geld – es ist alles da. Man muss es nur machen“, sagte Schmidt.

Genossenschaften schöpfen regionale Werte

„Tragen Sie die Impulse dieser Veranstaltung weiter“, appellierte GVB-Vorstandsmitglied Siegfried Drexl an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Landsberg. Es sei wichtig, neue Formate wie dieses Netzwerktreffen zu etablieren, um den Energieumbau vor Ort voranzutreiben. Die aktuellen Engpässe bei der Energieversorgung zeigten eindrücklich, wie anfällig moderne Volkswirtschaften bei Krisen seien und wie schnell die Versorgungssicherheit in Gefahr geraten könne. Die Wirtschaft werde sich in Zukunft nicht mehr am Primat der Globalisierung ausrichten, sondern verstärkt auf regionale Wertschöpfung setzen. Das sei auch die Stärke von Genossenschaften, so Drexl. „Genossenschaften haben den Auftrag, ihre Mitglieder zu fördern, und damit fördern sie automatisch ihre Region. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken finanzieren den örtlichen Mittelstand, die Energiegenossenschaften treiben die Energiewende in Bürgerhand voran“, erläuterte der GVB-Vorstand.

Planungsrechtliche Hürden müssen fallen

Ohne eine starke Energiewirtschaft sei der Standort Deutschland nicht wettbewerbsfähig, betonte der Landsberger Landrat Thomas Eichinger. Um bei der Energiewende entscheidend voranzukommen, müssten viele planungsrechtliche Hürden fallen. Schon der verlassene Horst eines Rotmilans habe ausgereicht, um einem geplanten Windrad „den Stecker zu ziehen“, berichtete Eichinger.

Sylvia Stegmüller, Referatsleiterin Photovoltaik, Solarthermie, Windenergie im Bayerischen Wirtschaftsministerium, referierte anschließend über neue Rahmenbedingungen für Photovoltaik und Windenergie. Einprägsamer als die rechtlichen Details war jedoch Stegmüllers Appell, alle Akteure an einem Tisch zu versammeln, um die Energiewende voranzutreiben. Es sei jetzt schon schwierig, alle geplanten Projekte ans Netz zu bringen, umso wichtiger sei die Akzeptanz in der Bevölkerung. „Wir müssen miteinander arbeiten, nicht gegeneinander, das wird nicht funktionieren“, mahnte Stegmüller. Sie empfahl den Kommunalvertretern, Standortkonzepte für Energiewende-Projekte zu erarbeiten. So lasse sich der Zubau steuern. Wenn die Standortauswahl nach einheitlich festgelegten Kriterien erfolge, steigere das die Akzeptanz und Transparenz bei allen Akteuren. Zudem sei es wichtig, bereits im Vorfeld die Realisierbarkeit des Netzanschlusses zu prüfen, damit es am Ende keine bösen Überraschungen gebe.

Gemeinde und Genossenschaft arbeiten Hand in Hand

Die komplizierten Vorgaben bei der Planung von Energiewende-Projekten sprach auch Albert Rösch an. „EU-Recht, Bundesrecht, Landesrecht: Es dauert Wochen, um da durchzusteigen. Das muss einfacher werden“, klagte der Leiter VR-Firmenkundenzentrum der VR-Bank Landsberg-Ammersee und Vorstand der VR-Bürgerenergie Landsberg eG. Dafür erhielt er lauten Applaus aus dem Publikum.

Rösch berichtete zusammen mit dem Schondorfer Bürgermeister Alexander Herrmann, wie die VR-Bürgerenergie Landsberg eG zusammen mit der Gemeinde Schondorf eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der örtlichen Schulturnhalle umgesetzt hat. Die VR-Bürgerenergie habe die Anlage finanziert und dann an die Gemeinde verpachtet. Dafür erhält die Genossenschaft nun regelmäßige Pachtzahlungen. Die Lena Service GmbH verantwortete Bau und Planung der Anlage. Das Unternehmen ist eine Ausgründung der Landsberger Energie Agentur e.V. (LENA). Der 2014 gegründete Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Energiewende im Landkreis Landsberg erfolgreich umzusetzen.

Hätte die Gemeinde das Projekt selbst umgesetzt, hätte sie die Arbeiten öffentlich ausschreiben müssen. Deshalb übergab sie die Projektleitung an die Lena Service GmbH, die als privatwirtschaftliches Unternehmen ganz anders mit den Projektpartnern verhandeln konnte. Zehn bis 20 Prozent Bau- und Planungskosten könnten so eingespart werden, berichtete Herrmann. Zudem habe die VR-Bürgerenergie Landsberg eG rund 40 neue Mitglieder aus Schondorf gewonnen, die durch die PV-Anlage auf die Genossenschaft aufmerksam wurden. „Hier geht die Bürgerschaft durch die Genossenschaft in Vorleistung, um die Energiewende zu fördern“, lobte Herrmann. „Eine Win-win-win-Situation für Gemeinde, Genossenschaft und Bürger“, ergänzte Rösch (mehr Informationen zu dem Schondorfer Modellprojekt gibt es auf der Webseite der Lena Service GmbH).

Bürger wollen in Energiewende investieren

Stefan Jörg zeigte sich am Ende zuversichtlich, dass Kommunen, Bürger und lokale Unternehmen gemeinsam den Energieumbau vor Ort voranbringen. Der Ukraine-Krieg beschleunige die Energiewende, so der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Landsberg-Ammersee. Das Vermögen der Deutschen sei auf einem nie dagewesenen Höchststand, zudem sei den Menschen das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr gleichgültig. Regionale Investments in die Energiewende böten sich da geradezu an. „Unsere Kunden wollen regional investieren“, berichtete Jörg. Die Gemeinschaft könne diese Investitionen locker stemmen. Sofern es passende Projekte gibt, sei die VR-Bürgerenergie Landsberg eG gerne bereit, diese zu finanzieren, und würde dafür auch neue Mitglieder aufnehmen.

So könne auch die „immense Abhängigkeit“ der Energieversorgung von wenigen Großkonzernen reduziert werden, so Jörg. Denn deren primäres Unternehmensziel sei – im Gegensatz etwa zu Genossenschaften – nicht regionale Wertschöpfung, sondern Gewinnmaximierung. „Das Ergebnis sehen wir heute bei der unsicheren Energieversorgung.“ Zudem sei die Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Anlagen viel höher, wenn Solarparks nicht von fremden Arbeitern mit Komponenten aus Fernost gebaut werden, sondern Bürger und Unternehmen aus der Region zum Zuge kommen. Angesichts der aktuellen Lage sah Jörg die Stunde für den Energieumbau vor Ort gekommen: „Wir können uns weiterhin von wenigen großen Investoren abhängig machen oder unsere eigenen Energieprojekte mit echter Bürgerbeteiligung und echter regionaler Wertschöpfung voranbringen. Diese Chance sollten wir nutzen.“

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